18.10.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil24.09.2019

Google muss Auslistung persönlicher Daten nicht weltweit sicherstellenLöschung von Daten muss nicht in allen Versionen der Suchmaschine erfolgen

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass der Betreiber einer Suchmaschine nicht verpflichtet ist, eine Auslistung in allen Versionen seiner Suchmaschine vorzunehmen. Er ist jedoch verpflichtet, sie in allen mitglied­s­taat­lichen Versionen vorzunehmen und Maßnahmen zu ergreifen, um die Internetnutzer davon abzuhalten, von einem Mitgliedstaat aus auf die entsprechenden Links in Nicht-EU-Versionen der Suchmaschine zuzugreifen.

Mit Beschluss vom 10. März 2016 verhängte die Präsidentin der Commission nationale de l’informatique et des libertés (CNIL, Nationaler Ausschuss für Informatik und Freiheitsrechte, Frankreich) eine Sanktion von 100.000 Euro gegen die Google Inc. wegen der Weigerung des Unternehmens, in Fällen, in denen es einem Auslis­tungs­antrag stattgibt, die Auslistung auf sämtliche Domains seiner Suchmaschine anzuwenden.

Google verweigert Auslistung für sämtliche Domains ihrer Suchmaschine

Die Google Inc., die von der CNIL am 21. Mai 2015 aufgefordert worden war, die Auslistung auf alle Domains zu erstrecken, kam dieser Aufforderung nicht nach und entfernte die betreffenden Links nur aus den Ergebnissen, die bei Sucheingaben auf Domains angezeigt wurden, die den Versionen ihrer Suchmaschine in den Mitgliedstaaten entsprachen. Die Google Inc. erhob beim Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) Klage auf Nichti­g­er­klärung des Beschlusses vom 10. März 2016. Sie ist der Auffassung, das Auslis­tungsrecht setze nicht zwangsläufig voraus, dass die streitigen Links ohne geografische Beschränkung auf sämtlichen Domains ihrer Suchmaschine entfernt würden.

Nationales Gericht erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH

Der Conseil d’État hat dem Gerichtshof mehrere Fragen zur Vorab­ent­scheidung vorgelegt, mit denen er wissen will, ob die Vorschriften des Unionsrechts über den Schutz perso­nen­be­zogener Daten* dahin auszulegen sind, dass der Betreiber einer Suchmaschine, wenn er einem Auslis­tungs­antrag stattgibt, die Auslistung in allen Versionen seiner Suchmaschine, nur in allen mitglied­s­taat­lichen Versionen oder nur in der Version für den Mitgliedstaat, in dem der Auslis­tungs­antrag gestellt wurde, vorzunehmen hat.

EuGH bejaht grundsätzliche Pflicht zur Auslistung

In seinem Urteil weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass er bereits entschieden hat, dass der Suchma­schi­nen­be­treiber dazu verpflichtet ist, von der Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand des Namens einer Person durchgeführte Suche angezeigt wird, Links zu von Dritten veröf­fent­lichten Websites mit Informationen zu dieser Person zu entfernen, auch wenn der Name oder die Informationen auf diesen Websites nicht vorher oder gleichzeitig gelöscht werden und gegebenenfalls auch dann, wenn ihre Veröf­fent­lichung auf den Websites als solche rechtmäßig ist (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 13.05.2014 - C-131/12 -).

Tätigkeiten von Google in Frankreich fallen in Anwen­dungs­bereich der Unions­vor­schriften über Schutz perso­nen­be­zogener Daten

Der Gerichtshof stellt sodann fest, dass die Niederlassung, die die Google Inc. im französischen Hoheitsgebiet besitzt, Tätigkeiten ausübt, insbesondere gewerbliche und Werbe­tä­tig­keiten, die untrennbar mit der Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten zum Betrieb der betreffenden Suchmaschine verbunden sind, und dass die Suchmaschine vor allem unter Berück­sich­tigung der Verbindungen zwischen ihren verschiedenen nationalen Versionen im Rahmen der Tätigkeiten der französischen Niederlassung der Google Inc. eine einheitliche Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten ausführt. Eine solche Situation fällt somit in den Anwen­dungs­bereich der Unions­vor­schriften über den Schutz perso­nen­be­zogener Daten.

Recht auf Schutz perso­nen­be­zogener Daten ist kein unein­ge­schränktes Recht

In einer globalisierten Welt kann der Zugriff von Internetnutzern, insbesondere derjenigen, die sich außerhalb der Union befinden, auf die Listung eines Links, der zu Informationen über eine Person führt, deren Inter­es­sen­s­chwerpunkt in der Union liegt, auch innerhalb der Union unmittelbare und erhebliche Auswirkungen auf diese Person haben, so dass mit einer weltweiten Auslistung das Schutzziel des Unionsrechts vollständig erreicht werden könnte. Zahlreiche Drittstaaten kennen jedoch kein Auslis­tungsrecht oder verfolgen bei diesem Recht einen anderen Ansatz. Auch ist das Recht auf Schutz perso­nen­be­zogener Daten kein unein­ge­schränktes Recht, sondern muss im Hinblick auf seine gesell­schaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhält­nis­mä­ßig­keits­prinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden. Zudem kann die Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz perso­nen­be­zogener Daten einerseits und der Infor­ma­ti­o­ns­freiheit der Internetnutzer andererseits weltweit sehr unterschiedlich ausfallen.

Keine Pflicht zur Auslistung für nicht mitglied­s­taatliche nationale Versionen der Suchmaschine

Aus den Vorschriften ergibt sich jedoch nicht, dass der Unions­ge­setzgeber eine solche Abwägung in Bezug auf die Reichweite einer Auslistung über die Union hinaus durchgeführt hätte oder dass er entschieden hätte, den in diesen Bestimmungen verankerten Rechten des Einzelnen eine Reichweite zu verleihen, die über das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten hinausgeht. Es ergibt sich daraus auch nicht, dass er einem Wirtschafts­teil­neh­merwie der Google Inc. eine Pflicht zur Auslistung hätte auferlegen wollen, die auch für die nicht mitglied­s­taat­lichen nationalen Versionen seiner Suchmaschine gilt. Das Unionsrecht sieht zudem keine Instrumente und Koope­ra­ti­o­ns­me­cha­nismen im Hinblick auf die Reichweiteeiner Auslistung über die Union hinaus vor.

Google muss Auslistung nicht in allen Versionen der Suchmaschine vornehmen

Der Gerichtshof schließt daraus, dass nach derzeitigem Stand ein Suchma­schi­nen­be­treiber, der einem Auslis­tungs­antrag der betroffenen Person "gegebenenfalls auf Anordnung einer Aufsichts- oder Justizbehörde eines Mitgliedstaats - stattgibt, nicht aus dem Unionsrecht verpflichtet ist, eine solche Auslistung in allen Versionen seiner Suchmaschine vorzunehmen.

Suchma­schi­nen­be­treiber muss wirkungsvollen Schutz der Grundrechte betroffener Person sicherstellen

Das Unionsrecht verpflichtet den Suchma­schi­nen­be­treiber jedoch, eine solche Auslistung in allen mitglied­s­taat­lichen Versionen seiner Suchmaschine vorzunehmen und hinreichend wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um einen wirkungsvollen Schutz der Grundrechte der betroffenen Person sicherzustellen. Eine solche Auslistung muss daher erfor­der­li­chenfalls von Maßnahmen begleitet sein, die es tatsächlich erlauben, die Internetnutzer, die von einem Mitgliedstaat aus eine Suche anhand des Namens der betroffenen Person durchführen, daran zu hindern oder zumindest zuverlässig davon abzuhalten, über die im Anschluss an diese Suche angezeigte Ergebnisliste mittels einer Nicht-EU-Version der Suchmaschine auf die Links zuzugreifen, die Gegenstand des Auslis­tungs­antrags sind. Das vorlegende Gericht wird zu prüfen haben, ob die von der Google Inc. getroffenen Maßnahmen diesen Anforderungen genügen.

Nationale Gesetzgeber dürfen Suchma­schi­nen­be­treiber Pflicht zur Auslistung in allen Versionen der Suchmaschine auferlegen

Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass nach derzeitigem Stand das Unionsrecht zwar keine Auslistung in allen Versionen der Suchmaschine vorschreibt, doch verbietet es dies auch nicht. Daher bleiben die Behörden eines Mitgliedstaats befugt, anhand von nationalen Schutzstandards für die Grundrechte eine Abwägung zwischen dem Recht der betroffenen Person auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz der sie betreffenden perso­nen­be­zogenen Daten einerseits und dem Recht auf freie Information andererseits vorzunehmen und nach erfolgter Abwägung gegebenenfalls dem Suchma­schi­nen­be­treiber aufzugeben, eine Auslistung in allen Versionen seiner Suchmaschine vorzunehmen.

Erläuterungen
* Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. 1995, L 281, S. 31) und Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46 (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1 und Berichtigungen im ABl. 2016, L 314, S. 72 und ABl. 2018, L 127, S. 2).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online (pm/kg)

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