23.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil15.03.2012

Hotelbetreiber müssen für Nutzung von Tonträgern in ihren Hotelzimmern angemessene Vergütung zahlenVergütung an Tonträ­ger­her­steller ist zusätzlich zur Rundfunkgebühr zu zahlen

Der Betreiber eines Hotels, der in seinen Zimmern Tonträger verbreitet, muss eine angemessene Vergütung an die Hersteller zahlen. Die Mitgliedstaaten dürfen diesen Betreiber nicht von der Verpflichtung zur Zahlung einer solchen Vergütung freistellen. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Das Unionsrecht* verpflichtet die Mitgliedstaaten, in ihrem Recht vorzusehen, dass Hersteller von Tonträgern, die zu Handelszwecken veröffentlicht werden, Anspruch auf eine einzige angemessene Vergütung für die Nutzung der Tonträger im Rahmen einer Rundfunksendung oder einer öffentlichen Wiedergabe haben. Diese Vergütung ist vom Nutzer zu zahlen. Im Fall einer „privaten Benutzung“ braucht sie nicht gezahlt zu werden.

Unternehmen rügt Verstoß gegen Unionsrecht

Die Phonographic Performance (Ireland) Limited (PPL) ist eine Verwer­tungs­ge­sell­schaft, die die Rechte der Hersteller von Tonträgern in Bezug auf Tonaufnahmen oder Tonträger in Irland vertritt. PPL hat sich an den High Court (Commercial Division, Irland) gewandt und klagt gegen den irischen Staat auf Feststellung, dass Irland dadurch gegen das Unionsrecht verstößt, dass nach irischem Recht die Betreiber von Hotels in Irland von der Verpflichtung freigestellt sind, für die Nutzung von Tonträgern in ihren Hotelzimmern eine angemessene Vergütung zu zahlen. PPL hat außerdem den Ersatz des Schadens verlangt, der durch diesen Verstoß entstanden sein soll. Unter diesen Umständen stellt das irische Gericht dem Gerichtshof der Europäischen Union mehrere Fragen.

Begriff „öffentliche Wiedergabe“ erfordert individuelle Beurteilung

In seinem Urteil prüft der Gerichtshof als Erstes, ob ein Hotelbetreiber, der in seinen Gästezimmern Fernseh- und/oder Radiogeräte aufstellt, zu denen er ein Sendesignal übermittelt, im Sinne des Unionsrechts ein „Nutzer“ ist, der eine „öffentliche Wiedergabe“ eines in einer Rundfunksendung abgespielten Tonträgers vornimmt. In diesem Zusammenhang weist der Gerichtshof darauf hin, dass er bereits entschieden hat, dass der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ eine individuelle Beurteilung erfordert und dass im Rahmen einer derartigen Beurteilung eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen sind, die unselbständig und miteinander verflochten sind (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 15.03.2012 - C-135/10 -).

Rolle des Nutzers bei Beurteilung über "öffentliche Wiedergabe" entscheidend

Zu diesen Kriterien gehört erstens die zentrale Rolle des Nutzers. Dieser nimmt nämlich eine öffentliche Wiedergabe vor, wenn er in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig wird, um seinen Kunden Zugang zu einer Rundfunksendung zu verschaffen, die das geschützte Werk enthält. Als Zweites hat der Gerichtshof einige Gesichtspunkte erläutert, die mit dem Begriff „öffentlich“ untrennbar zusammenhängen. So muss die „Öffentlichkeit“ aus einer unbestimmten Zahl potenzieller Leistungs­emp­fänger und aus recht vielen Personen bestehen. Drittens hat der Gerichtshof festgestellt, dass es auch ein erhebliches Kriterium ist, ob eine „öffentliche Wiedergabe“ Erwerbszwecken dient. Es wird also vorausgesetzt, dass sich der Nutzer gezielt an das Publikum wendet, für das die Wiedergabe vorgenommen wird, und dass es in der einen oder anderen Weise für diese Wiedergabe aufnahmebereit ist und nicht bloß zufällig „erreicht“ wird.

Ausstrahlung von Tonträgern durch Hotelbetreiber dient Erwerbszwecken

Im vorliegenden Fall sind diese Kriterien erfüllt. So ist die Rolle des Betreibers eines Hotels, der in seinen Zimmern Fernseh- und/oder Radiogeräte aufstellt, zentral, da die Gäste eines derartigen Hotels nur aufgrund des absichtlichen Tätigwerdens dieses Betreibers in den Genuss der Tonträger kommen können. Zudem stellen die Hotelgäste eine unbestimmte Zahl potenzieller Leistungs­emp­fänger dar, denn der Zugang dieser Gäste zu den Dienst­leis­tungen des Hotels beruht grundsätzlich auf einer persönlichen Entscheidung jedes einzelnen Gastes und wird lediglich durch die Aufnah­me­ka­pazität des Hotels begrenzt. Hinsichtlich der Zahl potenzieller Leistungs­emp­fänger hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass es sich bei den Gästen eines Hotels um recht viele Personen handelt, so dass diese als Öffentlichkeit anzusehen sind (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 07.12.2006 - C-306/05 -). Schließlich dient die Ausstrahlung von Tonträgern durch den Betreiber eines Hotels Erwerbszwecken. Die Handlung eines Hotelbetreibers, durch die er seinen Gästen Zugang zum ausgestrahlten Werk verschafft, ist nämlich als eine zusätzliche Dienstleistung anzusehen, die sich auf den Standard des Hotels und damit auf den Preis der Zimmer auswirkt. Außerdem ist sie geeignet, weitere Gäste anzuziehen, die an dieser zusätzlichen Dienstleistung interessiert sind. Folglich ist ein solcher Hotelbetreiber ein „Nutzer“, der eine „öffentliche Wiedergabe“ eines in einer Rundfunksendung abgespielten Tonträgers vornimmt, im Sinne des Unionsrechts.

Hotelbetreiber ist zur Zahlung einer angemessenen Vergütung für abgespielte Tonträger verpflichtet

Deshalb ist dieser Betreiber verpflichtet, zusätzlich zu der vom Rundfunksender gezahlten Vergütung eine angemessene Vergütung für die Ausstrahlung eines in einer Rundfunksendung abgespielten Tonträgers zu zahlen. Wenn nämlich ein Hotelbetreiber einen in einer Rundfunksendung abgespielten Tonträger in seine Gästezimmer überträgt, benutzt er diesen in autonomer Weise und sendet ihn im Vergleich zu dem Publikum, an das die ursprüngliche Wiedergabe gerichtet war, an ein separates, zusätzliches Publikum. Außerdem zieht er wirtschaftliche Vorteile aus dieser Wiedergabe, die von denen, die der Radio- oder Fernsehsender oder der Tonträ­ger­her­steller erlangt hat, unabhängig sind.

Vergütung fällt bei jeder Art von Gerät zur Bereitstellung von Tonträgern in physischer oder digitaler Form an

Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass ein Hotelbetreiber, der in seinen Gästezimmern zwar keine Fernseh- und/oder Radiogeräte, aber ein Gerät anderer Art und Tonträger in physischer oder digitaler Form zur Verfügung stellt, die mit einem solchen Gerät abgespielt oder gehört werden können, ein „Nutzer“ ist, der eine „öffentliche Wiedergabe“ eines Tonträgers im Sinne des Unionsrechts vornimmt. Er ist daher verpflichtet, für die Wiedergabe dieser Tonträger eine angemessene Vergütung zu zahlen.

Hotelbetreiber kann nicht von Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung freigestellt werden

Zwar beschränkt das Unionsrecht den Anspruch auf eine angemessene Vergütung im Fall der „privaten Benutzung“, es gestattet den Mitgliedstaaten jedoch nicht, einen Hotelbetreiber, der eine „öffentliche Wiedergabe“ eines Tonträgers vornimmt, von der Verpflichtung zur Zahlung einer solchen Vergütung freizustellen.

„Öffentlichkeit“ ist defini­ti­o­nsgemäß „nicht privat“

In diesem Zusammenhang stellt der Gerichtshof klar, dass es für die Beurteilung, ob ein Hotelbetreiber eine Beschränkung des Vergü­tungs­an­spruchs aufgrund einer „privaten Benutzung“ geltend machen kann, nicht darauf ankommt, ob die Hotelgäste das Werk privat nutzen oder nicht, sondern darauf, ob der Hotelbetreiber selbst das Werk privat nutzt. Die „private Benutzung“ eines von seinem Benutzer öffentlich wiedergegebenen urheber­recht­lichen Werks ist jedoch ein Widerspruch in sich, denn die „Öffentlichkeit“ ist defini­ti­o­nsgemäß „nicht privat“.

Erläuterungen

* Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. L 376, S. 28), in Kraft getreten am 16. Januar 2007. Mit dieser Richtlinie wurde die Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. L 346, S. 61) konsolidiert und aufgehoben.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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