18.10.2024
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Dokument-Nr. 26570

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil18.10.2018

Anschluss­inhaber haftet für Filesharing der FamilieGrundrecht auf Schutz des Familienlebens darf nicht die Haftung für Urheberrechts­verletzungen aushebeln

Der Inhaber eines Inter­ne­t­an­schlusses, über den Urheberrechts­verletzungen durch Filesharing begangen wurden, kann sich nicht dadurch von der Haftung befreien, dass er einfach ein Famili­en­mitglied benennt, dem der Zugriff auf diesen Anschluss möglich war. Die Rechtsinhaber müssen über einen wirksamen Rechtsbehelf oder über Mittel verfügen, die es den zuständigen Gerichten ermöglichen, die Erteilung der erforderlichen Auskünfte anzuordnen

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das deutsche Verlagshaus Bastei Lübbe verlangt vor dem Landgericht München I von dem Beklagten Schadensersatz, weil ein Hörbuch, über dessen Urheberrechte und verwandte Schutzrechte es verfügt, über den Inter­ne­t­an­schluss, dessen Inhaber der Beklagte ist, eine unbegrenzte Anzahl von Nutzern einer Internet-Tauschbörse („peer-to-peer“) zum Herunterladen angeboten wurde.

Zugrif auf Anschluss auch durch Eltern des beklagten Anschluss­in­habers möglich

Der Beklagte bestreitet, die Urheberrechtsverletzung selbst begangen zu haben. Zudem macht er geltend, auch seine im selben Haus wohnenden Eltern hätten Zugriff auf den Anschluss gehabt, ohne jedoch nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Nutzung des Anschlusses durch seine Eltern mitzuteilen. Nach den Angaben des Landgerichts München I geht aus der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs (Deutschland) hervor, dass im deutschen Recht in Anbetracht des Grundrechts auf Schutz des Familienlebens eine solche Verteidigung ausreiche, um die Haftung des Inhabers des Inter­ne­t­an­schlusses auszuschließen.

In diesem Zusammenhang ersucht das Landgericht München I den Gerichtshof um Auslegung der Vorschriften des Unionsrechts über den Schutz der Rechte des geistigen Eigentums.

EuGH: Unionsrecht steht nationaler Rechts­vor­schrift entgegen

Der Gerichtshof teilt auf das Ersuchen hin mit, dass das Unionsrecht einer nationalen Rechts­vor­schrift (wie der im Ausgangs­ver­fahren streitigen in der Auslegung durch das zuständige nationale Gericht) entgegen steht, wonach der Inhaber eines Inter­ne­t­an­schlusses, über den Urheber­rechts­ver­let­zungen durch Filesharing begangen wurden, nicht haftbar gemacht werden kann, wenn er ein Famili­en­mitglied benennt, dem der Zugriff auf diesen Anschluss möglich war, ohne nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Nutzung des Anschlusses durch dieses Famili­en­mitglied mitzuteilen.

EuGH betont Gleichgewicht zwischen diversen Grundrechten

Nach Auffassung des Gerichtshofs muss ein angemessenes Gleichgewicht zwischen verschiedenen Grundrechten, nämlich zum einen dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und dem Recht des geistigen Eigentums und zum anderen dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, gefunden werden.

Ungleichgewicht bei quasi absolutem Schutz für Famili­en­mit­glieder

An einem solchen Gleichgewicht fehlt es, wenn den Famili­en­mit­gliedern des Inhabers eines Inter­ne­t­an­schlusses, über den Urheber­rechts­ver­let­zungen durch Filesharing begangen wurden, ein quasi absoluter Schutz gewährt wird.

Recht auf Feststellung der gerügten Urheber­rechts­ver­letzung und Identifizierung des Täters

Wenn das mit einer Haftungsklage befasste nationale Gericht auf Antrag des Klägers nicht die Beweismittel, die Famili­en­mit­glieder der gegnerischen Partei betreffen, verlangen kann, werden nämlich die Feststellung der gerügten Urheber­rechts­ver­letzung und die Identifizierung ihres Täters unmöglich gemacht, was zur Folge hat, dass es zu einer qualifizierten Beein­träch­tigung des Grundrechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf und der dem Inhaber des Urheberrechts zustehenden Grundrechte des geistigen Eigentums kommt.

Anderer wirksamer Rechtsbehelf für Rechteinhaber

Anders verhielte es sich jedoch, wenn die Rechtsinhaber zur Vermeidung eines für unzulässig gehaltenen Eingriffs in das Familienleben über einen anderen wirksamen Rechtsbehelf verfügen könnten, der es ihnen in diesem Fall insbesondere ermögliche, die zivilrechtliche Haftung des Inhabers des betreffenden Inter­ne­t­an­schlusses feststellen zu lassen.

Prüfpflicht über vorhandene andere Mittel zur Anordnung der Auskunfts­pflicht

Zudem ist es letztlich Sache des Landgerichts München I, zu prüfen, ob das betreffende nationale Recht gegebenenfalls andere Mittel, Verfahren oder Rechtsbehelfe enthält, die es den zuständigen Gerichten ermöglichen, die Erteilung der erforderlichen Auskünfte anzuordnen, mit denen sich in Sachverhalten wie den im vorliegenden Fall in Rede stehenden die Urheber­rechts­ver­letzung und die Identität des Zuwider­han­delnden feststellen lässt.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union, ra-online

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