Bayerisches Landessozialgericht Urteil17.02.2009
Bayerisches Landessozialgericht: Sozialversicherungspflicht gilt auch im Call-CenterFreie Telefonkräfte leisten gleiche Arbeit wie festangestellte Mitarbeiter
Stellt ein Call-Center für einen zeitlich nur kurz begrenzten Auftrag neue Mitarbeiter ein, darf das Unternehmen die Angestellten nicht als "selbstständige Telefonkräfte" einstellen, die auf Basis freier Mitarbeit und Honorarabrechnung arbeiten, um so Sozialversicherungsbeiträge zu sparen. Dies entschied das Bayerische Landessozialgericht.
Gerade in Krisenzeiten steigt die Bereitschaft, anstelle von Normal-Arbeitsverhältnissen auch freie Tätigkeiten anzunehmen, bei denen keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden. In welchem Rahmen solche Tätigkeiten in Call-Centern legal möglich sind und wann nicht ergibt sich aus einer nunmehr veröffentlichten Urteilsserie des Bayerischen Landessozialgerichts.
„Selbständige Telefonkräfte“ leisten gleiche Arbeit wie angestellte Mitarbeiter
Ein ausländischer Maschinenproduzent hatte ein neues Produkt auf dem gewerblichen Markt in Deutschland einführen wollen. Die Markteinführung und Absatzförderung sollten direkt und kurzfristig über das Telefon erfolgen. Eigene Mitarbeiter einer deutschen Tochterfirma kamen insoweit nicht in Betracht, so dass ein entsprechender Auftrag an ein externes Call-Center vergeben wurde. Dieses hatte dadurch zusätzlichen Personalbedarf . Weil die Markteinführung absehbar binnen einiger Monate abgeschlossen sein sollte und ein Folgeauftrag nicht in Sicht war, stellte das Call-Center „selbständige Telefonkräfte“ ein, die auf Basis freier Mitarbeit und Honorarabrechnung im wesentlichen die gleiche Arbeit zu erbringen hatten, wie die fest angestellten Mitarbeiter.
Merkmale der typischen abhängigen Beschäftigung
Dieses überschaubare Umbenennen in freie Mitarbeit ist so nicht mit § 7 SGB IV vereinbar. Wer ausschließlich im Call-Center nach Vorgaben in Leitfäden unter laufender Ergebniskontrolle mit Berichtspflichten gegen Stundenlohn ebenso tätig ist wie fest angestellte Mitarbeiter kann nicht freier Mitarbeiter sein. Weil zudem die Anruf-Aufträge nur höchstpersönlich von den „freien Mitarbeitern“ ausgeführt werden konnten (vgl § 613 BGB), überwogen die Merkmale der typischen abhängigen Beschäftigung deutlich.
In der Folge muss das Call-Center mit erheblichen Beitragsnachforderungen rechnen. Weil die „freien Mitarbeiter“ längst nicht mehr im Call-Center tätig sind, wird der Arbeitgeber im Endeffekt wohl auch deren Anteil an der Sozialversicherung übernehmen müssen - ein Lohnabzug wie innerhalb einer Beschäftigung ist nicht mehr möglich.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 30.06.2009
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des LSG Bayern vom 23.06.2009