15.11.2024
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Dokument-Nr. 9022

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss22.12.2009

Eignungs­fest­stel­lungs­ver­fahren für das Archi­tek­tur­studium an der TU München unzulässigAuswahl­kri­terien nicht mit durch das Grundgesetz gewährleisteten Berufs­aus­bil­dungs­freiheit vereinbar

Ein Eignungs­fest­stel­lungs­ver­fahren für das Archi­tek­tur­studium an der TU München bei dem neben dem Abitur der Studienanwärter weitere Anforderungen und Auswahl­kri­terien für die Zulassung zum Studium mit einfließen, ist unzulässig. Dies hat der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof im Zuge eines einstweiligen Rechts­schutz­ver­fahrens entschieden.

Die TU München hat für eine Reihe von Studiengängen von der gesetzlichen Ermächtigung Gebrauch gemacht, für die Aufnahme des Studiums neben der allgemeinen Hochschulreife (Abitur) den Nachweis der Eignung in einem Eignungs­fest­stel­lungs­ver­fahren zu verlangen. Die Satzungen der TU München sehen hierzu ein zweistufiges Eignungs­fest­stel­lungs­ver­fahren vor. Im Rahmen der ersten Stufe werden ausschließlich die Abitur­durch­schnittsnote sowie jeweils fachspezifische Einzelnoten aus den letzten vier Halbjahren berücksichtigt. Bewerber mit guten Noten werden direkt zum Studium zugelassen, während solche unterhalb einer bestimmten Punktzahl als ungeeignet abgelehnt werden. Mit den übrigen Bewerbern wird auf der zweiten Stufe des Eignungs­fest­stel­lungs­ver­fahrens ein Auswahlgespräch geführt, auf dessen Basis dann unter Berück­sich­tigung der Abitur­durch­schnittsnote über die Zulassung entschieden wird. Der Antragsteller im entschiedenen Fall, der bereits aufgrund seiner Noten ohne Durchführung eines Auswahl­ge­sprächs abgelehnt worden war, hatte hiergegen den Rechtsweg beschritten.

Hochschulzugang darf nicht uneingeschränkt begrenzt werden

Der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof hat die Beschwerde der TU München gegen die Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts München im vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen. Zwar habe es der Gesetzgeber den Hochschulen im Interesse der Verbesserung des Studienerfolgs ermöglichen wollen, bei Studiengängen mit besonderen qualitativen Anforderungen Eignungs­fest­stel­lungen durchzuführen. Gleichwohl stehe es den Hochschulen nicht frei, den Hochschulzugang uneingeschränkt zu begrenzen. Grundsätzlich berechtige die allgemeine Hochschulreife nach wie vor zur Aufnahme eines Studiums an einer Universität.

Bewerber dürfen nicht allein aufgrund ihrer Schulnoten ausgeschlossen werden

Innerhalb vorhandener und mit öffentlichen Mitteln geschaffener Kapazitäten habe der Einzelne bei entsprechender Qualifikation Anspruch auf Teilhabe und Zugang zum Hochschul­studium seiner Wahl. Der Ausnah­me­cha­rakter des Eignungs­fest­stel­lungs­ver­fahrens komme auch darin zum Ausdruck, dass ein solcher Nachweis nach dem bayerischen Hochschulrecht nur bei jeweils zu begründenden „besonderen“ qualitativen Anforderungen verlangt werden könne. Die Kriterien zum Eignungs­fest­stel­lungs­ver­fahren müssten sich deshalb inhaltlich möglichst genau an den besonderen Anforderungen des jeweiligen Studiums orientieren. Des Weiteren müssten die nach Auffassung der Hochschule zu erfüllenden besonderen qualitativen Anforderungen sich in den Auswahl­kri­terien widerspiegeln und im Auswahlverfahren überprüft werden. Außerdem dürften Bewerber - soweit sie nicht offenkundig ungeeignet seien - nicht allein aufgrund ihrer Schulnoten ausgeschlossen werden, sondern müssten die Möglichkeit haben, ihre Eignung auch durch außerhalb der Schule erworbene einschlägige Fähigkeiten nachzuweisen (Grundsatz der Chance­nof­fenheit).

Erlassene Regelung schränkt Recht zur Berufs­aus­bil­dungs­freiheit ein

Gemessen an diesen rechtlichen Anforderungen erweise sich, so der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof, die von der TU München erlassene Regelung als unzureichend und mit der durch das Grundgesetz gewährleisteten Berufs­aus­bil­dungs­freiheit nicht vereinbar. Die TU München habe z.B. ausreichendes Durch­hal­te­vermögen und besondere Fähigkeit zur Problemlösung bei komplexen Fragestellungen, aber auch ein besonderes Interesse an den Problem­stel­lungen des jeweiligen Studiums sowie eine über das Niveau üblicher anerkannter Sprach­zer­ti­fikate hinausgehende (Fach-)Sprachkompetenz als Eignungs­pa­rameter festgelegt. Es erscheine fraglich, ob es sich hierbei um besondere, über die allgemeine Hochschulreife hinausgehende qualitative Anforderungen an den jeweiligen Studiengang handele. Hinzu komme, dass die Eignung nach der Satzung der TUM u. a. Engagement in sozialen, gesell­schafts­po­li­tischen oder kulturellen Bereichen voraussetze, die insbesondere Belange von Umwelt und Lebensraum beträfen. Dieser Eignungs­pa­rameter werde im Rahmen der Vorauswahl auf der ersten Stufe aber nicht geprüft und es bleibe möglicherweise geeigneten Bewerbern von vornherein verwehrt, dieses Eignungs­kri­terium nachzuweisen. Schließlich verfüge der Antragsteller aufgrund seines mehrjährigen Schulbesuchs in Großbritannien über fließende Englisch­kenntnisse in Wort und Schrift. Obwohl die TU München für das Archi­tek­tur­studium sprachliche Ausdrucks­fä­higkeit in mindestens einer Fremdsprache verlange, finde dies aufgrund der Vorauswahl auf der ersten Stufe allein anhand der Schulnoten keine Berück­sich­tigung.

Quelle: ra-online, Bayerischer VGH

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