21.11.2024
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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss23.11.2010

Europäischer Gerichtshof muss erneut zum "Führer­schein­tou­rismus" entscheidenGemäß EU-Richtlinie darf LKW-Fahrerlaubnis grundsätzlich nur nach bereits erworbener Pkw-Fahrerlaubnis erteilt werden

Der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zum so genannten "Führer­schein­tou­rismus" im Rahmen eines "Vorab­ent­schei­dungs­ver­fahrens" vorgelegt.

Im zugrunde liegenden Fall war einem Autofahrer aus dem Bayerischen Wald wegen Alkoholfahrten und anderer Verkehrsdelikte zwischen 1986 und 2002 insgesamt viermal die Fahrerlaubnis entzogen worden. Im Rahmen eines erneuten Ertei­lungs­ver­fahrens führte eine medizinisch-psychologische Begutachtung zu einem negativen Ergebnis. Mit weiteren Alkoholfahrten sei zu rechnen. Daraufhin wich der Betroffene nach Tschechien aus und erwarb dort im Jahr 2004 eine PKW-Fahrerlaubnis (Klasse B).

Führerschein enthält Verstoß gegen Wohnsitzprinzip

Die tschechische PKW-Fahrerlaubnis hatte allerdings einen Schön­heits­fehler: Im tschechischen Führerschein war ein Wohnsitz in Deutschland eingetragen. Eine solche unter offen­sicht­lichem Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip erteilte Fahrerlaubnis muss Deutschland nach der Rechtssprechung des EuGH nicht anerkennen.

2008 erwarb Autofahrer LKW-Fahrerlaubnis in Tschechien mit Wohnsitz in Tschechien

Pikant wurde der Fall aber durch eine weitere Entwicklung. Im Jahr 2008 erwarb der Autofahrer in Tschechien auch eine LKW-Fahrerlaubnis (Klasse C). Diesmal beachteten er und die tschechischen Behörden das Wohnsitzprinzip. Im Führerschein ist formal ein Wohnsitz in Tschechien eingetragen.

Muss PKW-Fahrerlaubnis von Deutschland anerkannt werden?

Die Fragen, die sich dem Bayerischen Verwal­tungs­ge­richtshof im Zusammenhang mit der Bitte um Vorab­ent­scheidung seitens des Gerichtshof der Europäischen Union stellen, sind folgende: Mit welchen Fahrzeugen kann der Ostbayer in Deutschland fahren? Die Erteilung der tschechischen LKW-Fahrerlaubnis war mit einer Eignungsprüfung verbunden. Bewirkt deren positives Ergebnis, dass nun auch die PKW-Fahrerlaubnis von Deutschland anerkannt werden muss? Wird also der frühere Fehler in Gestalt des Wohnsitz­ver­stoßes gleichsam geheilt?

LKW Fahrerlaubnis nur bei PKW Fahrerlaubnis

Oder läuft es genau umgekehrt? Nach der maßgeblichen EU-Richtlinie darf eine LKW-Fahrerlaubnis nämlich nur Autofahrern erteilt werden, die bereits im Besitz einer Fahrerlaubnis für PKW sind. Die PKW-Fahrerlaubnis des Ostbayern muss aber wegen des Wohnsitz­ver­stoßes eigentlich nicht anerkannt werden. Muss dies dann nicht zwingend auch für die darauf aufbauende LKW-Fahrerlaubnis gelten?

BayVGH: Deutschland muss weder PKW- noch LKW-Fahrerlaubnis anerkennen

Der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof tendiert in seiner Vorlagefrage klar zur letztgenannten Lösung. Deutschland braucht seiner Meinung nach weder die PKW noch die LKW-Fahrerlaubnis anzuerkennen. Auch die Landes­an­walt­schaft hat im bisherigen Verfahren diese Position nachdrücklich vertreten.

Weitere Lösungs­mög­lichkeit wäre grotesk

Rechtlich möglich ist übrigens auch eine drittes Ergebnis: Die tschechische PKW-Fahrerlaubnis gilt in Deutschland nicht, die LKW-Fahrerlaubnis dagegen schon. Dann dürfte der Ostbayer in Deutschland nur Fahrzeuge über 3,5 Tonnen führen. Ein solches Resultat wäre freilich mehr als grotesk. Immerhin: Es ist rechtlich nicht völlig ausgeschlossen.

Quelle: Bayererischer Verwaltungsgerichtshof/ra-online

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