23.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil27.02.2018

BVerwG: Städte dürfen Diesel-Fahrverbote zur Luftreinhaltung verhängenBei Prüfung von Verkehrs­verboten für Diesel-Kraftfahrzeuge muss Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit gewahrt bleiben

Das Bundes­verwaltungs­gericht hat Diesel-Verkehrsverbote ausnahmsweise für zulässig erklärt. Das Gericht wies damit die Sprun­gre­vi­sionen der Länder Nordrhein-Westfalen (BVerwG 7 C 26.16) und Baden-Württemberg (BVerwG 7 C 30.17) gegen erstin­sta­nzliche Gerichts­entscheidungen der Verwal­tungs­ge­richte Düsseldorf und Stuttgart zur Fortschreibung der Luftrein­hal­tepläne Düsseldorf und Stuttgart überwiegend zurück. Allerdings sind bei der Prüfung von Verkehrs­verboten für Diesel-Kraftfahrzeuge gerichtliche Maßgaben insbesondere zur Wahrung der Verhält­nis­mä­ßigkeit zu beachten.

VG Düsseldorf hält Fahrverbote für bestimmte Dieselfahrzeuge für rechtlich und tatsächlich nicht ausgeschlossen

Das Verwal­tungs­gericht Düsseldorf verpflichtete das Land Nordrhein-Westfalen auf Klage der Deutschen Umwelthilfe, den Luftreinhalteplan für Düsseldorf so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellst­mög­lichen Einhaltung des über ein Jahr gemittelten Grenzwertes für Stick­stoff­dioxid (NO2) in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet Düsseldorf enthält. Der Beklagte sei verpflichtet, im Wege einer Änderung des Luftrein­hal­teplans weitere Maßnahmen zur Beschränkung der Emissionen von Diesel­fahr­zeugen zu prüfen. Beschränkte Fahrverbote für bestimmte Dieselfahrzeuge seien rechtlich und tatsächlich nicht ausgeschlossen.

VG Stuttgart fordert Durchsetzung erforderlicher Maßnahmen zur schnellst­mög­lichen Einhaltung von Immis­si­ons­grenz­werten

Das Verwal­tungs­gericht Stuttgart verpflichtete das Land Baden-Württemberg, den Luftrein­hal­teplan für Stuttgart so zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellst­mög­lichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immis­si­ons­grenz­wertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ und des Stunden­grenz­wertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschrei­tungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Der Beklagte habe ein ganzjähriges Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Schad­s­toff­klasse Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Ottomotoren unterhalb der Schad­s­toff­klasse Euro 3 in der Umweltzone Stuttgart in Betracht zu ziehen.

Die verwal­tungs­ge­richt­lichen Urteile sind vor dem Hintergrund des Unionsrechts überwiegend nicht zu beanstanden. Unionsrecht und Bundesrecht verpflichten dazu, durch in Luftrein­hal­te­plänen enthaltene geeignete Maßnahmen den Zeitraum einer Überschreitung der seit 1. Januar 2010 geltenden Grenzwerte für NO2 so kurz wie möglich zu halten.

Zonen- und strecken­be­zogene Verkehrsverbote speziell für Diesel-Kraftfahrzeuge gemäß Bundesrecht nichtlässig

Entgegen der Annahmen der Verwal­tungs­ge­richte lässt das Bundesrecht zonen- und strecken­be­zogene Verkehrsverbote speziell für Diesel-Kraftfahrzeuge jedoch nicht zu. Nach der bundes­recht­lichen Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schad­s­toff­be­lastung ("Plaket­ten­re­gelung") ist der Erlass von Verkehrsverboten, die an das Emissi­ons­ver­halten von Kraftfahrzeugen anknüpfen, bei der Luftrein­hal­te­planung vielmehr nur nach deren Maßgaben möglich (rote, gelbe und grüne Plakette).

"Plaket­ten­re­gelung" und StVO zur Umsetzung unions­recht­licher Verpflichtungen nicht ausreichend

Mit Blick auf die unions­rechtliche Verpflichtung zur schnellst­mög­lichen Einhaltung der NO-Grenzwerte ergibt sich jedoch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass nationales Recht, dessen unions­rechts­konforme Auslegung nicht möglich ist, unangewendet bleiben muss, wenn dies für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts erforderlich ist. Deshalb bleiben die "Plaket­ten­re­gelung" sowie die StVO, soweit diese der Verpflichtung zur Grenz­wer­t­ein­haltung entgegenstehen, unangewendet, wenn ein Verkehrsverbot für Diesel-Kraftfahrzeuge sich als die einzig geeignete Maßnahme erweist, den Zeitraum einer Nichteinhaltung der NO-Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten.

Hinsichtlich des Luftrein­hal­teplans Stuttgart hat das Verwal­tungs­gericht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass lediglich ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Schad­s­toff­klasse Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Ottomotoren unterhalb der Schad­s­toff­klasse Euro 3 in der Umweltzone Stuttgart eine geeignete Luftrein­hal­te­maßnahme darstellt.

Euro-5-Fahrzeuge dürfen nicht vor dem 1. September 2019 mit Verkehrs­verboten belegt werden

Bei Erlass dieser Maßnahme wird jedoch - wie bei allen in einen Luftrein­hal­teplan aufgenommenen Maßnahmen - sicherzustellen sein, dass der auch im Unionsrecht verankerte Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit gewahrt bleibt. Insoweit ist hinsichtlich der Umweltzone Stuttgart eine phasenweise Einführung von Verkehrs­verboten, die in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) betrifft, zu prüfen. Zur Herstellung der Verhält­nis­mä­ßigkeit dürfen Euro-5-Fahrzeuge jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 (mithin also vier Jahre nach Einführung der Abgasnorm Euro 6) mit Verkehrs­verboten belegt werden. Darüber hinaus bedarf es hinreichender Ausnahmen, z.B. für Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen.

VG Düsseldorf muss Möglichkeit der Begrenzung der von Diesel­fahr­zeugen prüfen

Hinsichtlich des Luftrein­hal­teplans Düsseldorf hat das Verwal­tungs­gericht festgestellt, dass Maßnahmen zur Begrenzung der von Diesel­fahr­zeugen ausgehenden Emissionen nicht ernsthaft in den Blick genommen worden sind. Dies wird der Beklagte nachzuholen haben. Ergibt sich bei der Prüfung, dass sich Verkehrsverbote für Diesel-Kraftfahrzeuge als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellst­mög­lichen Einhaltung überschrittener NO-Grenzwerte darstellen, sind diese - unter Wahrung des Grundsatzes der Verhält­nis­mä­ßigkeit - in Betracht zu ziehen.

Erschwerter Vollzug von Verboten führt nicht zur Rechts­wid­rigkeit der Regelung

Die StVO ermöglicht die Beschilderung sowohl zonaler als auch strecken­be­zogener Verkehrsverbote für Diesel-Kraftfahrzeuge. Der Vollzug solcher Verbote ist zwar gegenüber einer "Plaket­ten­re­gelung" deutlich erschwert. Dies führt allerdings nicht zur Rechts­wid­rigkeit der Regelung.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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