21.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Beschluss20.07.2015

Presse hat keinen Anspruch Auskunft über Selektorenliste der NSASchutzwürdige Interessen des Bundes­nachrichten­dienstes an Vertraulichkeit der Selektorenliste stehen Auskunfts­an­spruch der Presse entgegen

Pressevertreter haben keinen Anspruch darauf, dass der Bundes­nachrichten­dienst ihnen Auskunft zum Inhalt der Selektorenliste der National Security Agency (NSA) der USA erteilt. Dies entschied das Bundes­verwaltungs­gericht.

Die Antragstellerin des zugrunde liegenden Verfahrens verlegt eine Tageszeitung. Deren Redak­ti­o­ns­leiter bat den Bundesnachrichtendienst um Auskunft darüber, welche Unternehmen mit Sitz in Deutschland und welche deutschen Staats­an­ge­hörigen auf der Selektorenliste der NSA gestanden hätten, die dem Bundes­nach­rich­ten­dienst überreicht worden sei, welche Unternehmen mit Sitz in Deutschland und welche deutschen Staats­an­ge­hörigen der Bundes­nach­rich­ten­dienst von der ihm überreichten Selektorenliste der NSA gestrichen habe, welche Unternehmen mit Sitz in Deutschland und welche deutschen Staats­an­ge­hörigen der Bundes­nach­rich­ten­dienst auf der ihm überreichten Selektorenliste der NSA belassen und abgehört habe. Der Bundes­nach­rich­ten­dienst lehnte die Beantwortung dieser Fragen ab: Er äußere sich zu operativen Aspekten seiner Arbeit nur gegenüber der Bundesregierung und den geheim tagenden Gremien des Deutschen Bundestages. Die Antragstellerin hat daraufhin beim Bundes­ver­wal­tungs­gericht beantragt, die Antragsgegnerin durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, die erbetene Auskunft zu erteilen.

Auskünfte an die Presse über operative Vorgänge im Bereich des Bundes­nach­rich­ten­dienstes generell ausgeschlossen

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung abgelehnt. Ein Anspruch auf die begehrte Auskunft ergibt sich nicht aus dem Grundrecht der Pressefreiheit. Dieses Grundrecht verleiht der Presse zwar einen verfas­sungs­un­mit­telbaren Anspruch auf Auskunft gegenüber Bundesbehörden, soweit auf sie die Landes­pres­se­gesetze wegen einer entge­gen­ste­henden Gesetz­ge­bungs­kom­petenz des Bundes nicht anwendbar sind, wie dies unter anderem für den Bundes­nach­rich­ten­dienst zutrifft. Der begehrten Auskunft stehen aber berechtigte schutzwürdige Interessen des Bundes­nach­rich­ten­dienstes an der Vertraulichkeit der streitigen Selektorenliste entgegen. Für operative Vorgänge im Bereich des Bundes­nach­rich­ten­dienstes, nämlich die Beschaffung und Auswertung von Informationen von außen- und sicher­heits­po­li­tischer Bedeutung sind Auskünfte an die Presse generell ausgeschlossen, ohne dass es insoweit einer einzel­fa­ll­be­zogene Abwägung mit gegenläufigen Infor­ma­ti­o­ns­in­teressen der Presse bedürfte. Der Bundes­nach­rich­ten­dienst hat die ihm gesetzlich zugewiesene Aufgabe, zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicher­heits­po­li­tischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen Informationen zu sammeln und auszuwerten. Derartige Informationen darf der Bundes­nach­rich­ten­dienst nach der für ihn geltenden gesetzlichen Grundlage heimlich unter anderem mit nachrich­ten­dienst­lichen Mitteln beschaffen und muss dies in vielen Fällen tun.

Auskünfte könnten verdeckte Ermittlungen des Bundes­nach­rich­ten­dienstes erschweren oder verhindern

Um die ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben erfüllen zu können, ist der Bundes­nach­rich­ten­dienst mithin darauf angewiesen, verdeckt zu arbeiten. Müssten Auskünfte über solche Vorgänge erteilt werden, würde die Gewinnung von weiteren Informationen erschwert, wenn nicht verhindert, und wäre damit die Erfüllung der Aufgaben des Bundes­nach­rich­ten­dienstes gefährdet. Zu den operativen Vorgängen im Bereich des Bundes­nach­rich­ten­dienstes gehören das Ob sowie Art und Umfang der Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrich­ten­diensten.

Offenlegung von Informationen könnte Zusammenarbeit mit Nachrich­ten­diensten anderer Staaten erschweren

Um außen- und sicher­heits­po­litisch relevante Erkenntnisse zu gewinnen, ist der Bundes­nach­rich­ten­dienst in vielen Fällen auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrich­ten­diensten angewiesen, indem in gemeinsamem Zusammenwirken Informationen von beiderseitigem Interesse beschafft werden oder anderweit gewonnene Erkenntnisse ausgetauscht werden. Dabei erfährt der Bundes­nach­rich­ten­dienst beispielsweise, welches Erkennt­ni­s­in­teresse der ausländische Nachrich­ten­dienst verfolgt. Die Zusammenarbeit setzt voraus, dass die beteiligten Nachrich­ten­dienste sich wechselseitig darauf verlassen können, dass von ihnen für geheim­hal­tungs­be­dürftig angesehene Informationen auch von der anderen Seite geheim gehalten werden. Die künftige Erfüllung der Aufgaben des Bundes­nach­rich­ten­dienstes kann mithin dadurch beeinträchtigt werden, dass im Falle einer Offenlegung von Informationen die Zusammenarbeit mit Nachrich­ten­diensten anderer Staaten und damit die künftige eigene Gewinnung von außen- und sicher­heits­po­li­tischen Erkenntnissen erschwert würde. Dazu käme es, wenn die Antragsgegnerin Informationen unter Missachtung einer zugesagten oder vorausgesetzten Vertraulichkeit gleichwohl an Dritte bekannt gibt.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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