24.11.2024
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Dokument-Nr. 19064

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Beschluss08.09.2014Bundesverfassungsgericht1 BvR 23/14
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • K&R 2014, 796Zeitschrift: Kommunikation & Recht (K&R), Jahrgang: 2014, Seite: 796
  • NJW 2014, 3711Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 3711
  • ZD 2015, 33Zeitschrift für Datenschutz (ZD), Jahrgang: 2015, Seite: 33
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ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss08.09.2014

Keine überhöhten Anforderungen an die Gewährung von Eilrechtsschutz bei presse­recht­lichen Auskunfts­ansprüchenBeschränkung des Eilrechts­schutzes auf unaufschiebbare Fälle greift jedoch in unver­hält­nis­mäßiger Weise in Pressefreiheit ein

Das Bundes­ver­fassungs­gericht hat entschieden, dass an die Gewährung von Eilrechtsschutz bei presse­recht­lichen Auskunfts­ansprüchen keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen. Im Grundsatz genügt es nach Art. 19 Abs. 4 GG, den Eilrechtsschutz zu gewähren, wenn ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berich­t­er­stattung vorliegen. Eine Beschränkung auf unaufschiebbare Fälle, wie zum Beispiel auf die Aufdeckung von schweren Rechtsbrüchen staatlicher Stellen, greift jedoch in unver­hält­nis­mäßiger Weise in die Pressefreiheit ein. Die Verfassungs­be­schwerde eines Journalisten hat das Bundes­ver­fassungs­gericht dennoch nicht zur Entscheidung angenommen, da er die Eilbe­dürf­tigkeit seines Antrags vor den Ver­waltungs­gerichten nicht hinreichend dargelegt hat.

Der Beschwer­de­führer des zugrunde liegenden Verfahrens ist Redakteur einer Tageszeitung. Im September 2013 bat er den Bundes­nach­rich­ten­dienst um Auskünfte über den Export sogenannter Dual-Use-Güter, die für die Herstellung von Waffen geeignet sein können, nach Syrien in der Zeit von 2002 bis 2011. Der Bundes­nach­rich­ten­dienst verweigerte die erbetenen Angaben, da er dazu ausschließlich der Bundesregierung und den zuständigen Gremien des Bundestags berichte und der Ausfuhraus­schuss der Bundesregierung nicht öffentlich tage. Im Oktober 2013 suchte der Beschwer­de­führer um vorläufigen Rechtsschutz beim Bundes­ver­wal­tungs­gericht nach. Mit angegriffenem Beschluss vom 26. November 2013 lehnte das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in erstin­sta­nz­licher Zuständigkeit den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab.

Grundgesetz garantiert effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt

Das Bunde­ver­fas­sungs­gericht verwies darauf, dass 1. Art. 19 Abs. 4 GG einen effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt garantiert. Die Gerichte sind gehalten, der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Je schwerer die aus der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes ergebenden Belastungen wiegen und je geringer die Wahrschein­lichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechts­po­si­tionen zurückgestellt werden. Diese Anforderungen wirken auch auf den verwal­tungs­pro­zes­sualen Grundsatz des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache zurück und begrenzen diesen im Einzelfall.

Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wäre mit Vorwegnahme der Hauptsache verbunden

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht geht zu Recht davon aus, dass hier die Frage nach der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Problem einer - zumindest teilweisen - verwal­tungs­pro­zes­sualen Vorwegnahme der Hauptsache verbunden ist. Die hieraus für den vorliegenden Fall gefolgerten Anforderungen sind mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht frei von Bedenken, letztlich aber verfas­sungsmäßig.

Grundrechtliche Dimension der Pressefreiheit muss beachtet werden

Bei einer Eilentscheidung über einen solchen Auskunftsanspruch der Presse ist die grundrechtliche Dimension der Pressefreiheit zu beachten. Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wirksam wahrzunehmen. Soweit die Vorwegnahme der Hauptsache nur bei Vorliegen eines schweren Nachteils zulässig ist, muss dabei auch die Bedeutung der Auskunfts­ansprüche für eine effektive Presse­be­rich­t­er­stattung hinreichend beachtet werden.

Grundrechtlich geschütztes Interesse des Beschwer­de­führers im Hinblick auf Pressefreiheit gewahrt

Die angegriffene Entscheidung berücksichtigt im Ergebnis hinreichend das grundrechtlich geschützte Interesse des Beschwer­de­führers an einer hinsichtlich des Zeitpunkts möglichst selbst­be­stimmten Publikation von bestimmten Inhalten, die einen Beitrag zur öffentlichen Diskussion leisten und möglicherweise auf erkannte Missstände hinweisen sollen.

Auslegung des BVerwG über Pflicht zur Hinnahme einer Aktua­li­täts­einbuße seitens der Presse verfas­sungs­rechtlich bedenklich

Verfas­sungs­rechtlich bedenklich ist es allerdings, wenn das Bundes­ver­wal­tungs­gericht bei seiner auf das Anord­nungs­ver­fahren begrenzten Maßstabsbildung davon ausgeht, dass eine gewisse Aktua­li­täts­einbuße von der Presse regelmäßig hinzunehmen sei und eine Ausnahme "allenfalls" dann vorliege, wenn Vorgänge in Rede stünden, die unabweisbar einer sofortigen, keinen Aufschub duldenden journa­lis­tischen Aufklärung bedürften, etwa wenn manifeste Hinweise auf aktuelle schwere Rechtsbrüche staatlicher Stellen vorlägen oder ein unmittelbares staatliches Handeln zur Abwehr von Gemein­wohl­ge­fahren dringend gefordert sein könnte. Diese Auslegung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts führt den schweren Nachteil zu eng und legt damit einen Maßstab an, der die Aufgabe der Presse in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat nicht hinreichend berücksichtigt.

Auslegung des BVerwG begrenzt vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf Pressefreiheit unver­hält­nismäßig

Das "Ob" und "Wie" der Berich­t­er­stattung ist Teil des Selbst­be­stim­mungs­rechts der Presse, das auch die Art und Weise ihrer hierauf gerichteten Infor­ma­ti­o­ns­be­schaf­fungen grundrechtlich schützt. Kann sich die Presse im Wege gerichtlichen Eilrechts­schutzes von öffentlichen Stellen aber solche Informationen nur unter den Voraussetzungen beschaffen, die das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in der angegriffenen Entscheidung nennt, so begrenzt dies im Blick auf die Pressefreiheit den vorläufigen Rechtsschutz unver­hält­nismäßig.

An Eilrechtsschutz in Auskunfts­ver­fahren dürfen hinsichtlich der Aktualität einer Berich­t­er­stattung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden

Zwar genügt es, wenn Eilrechtsschutz nur gewährt wird, wo ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berich­t­er­stattung vorliegen. Dies kann jedoch nicht deshalb verneint werden, weil die Berich­t­er­stattung nicht auf unaufschiebbare Berichte ziele und sie im Übrigen auch später möglich bleibe. Vielmehr kann die Presse ihre Kontroll- und Vermitt­lungs­funktion nur wahrnehmen, wenn an den Eilrechtsschutz in Auskunfts­ver­fahren auch hinsichtlich der Aktualität einer Berich­t­er­stattung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.

Eilbe­dürf­tigkeit des zugrunde liegenden Falls vom Beschwer­de­führer nicht hinreichend deutlich gemacht

Dennoch ist die Entscheidung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn für den konkreten Fall hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht das Vorliegen eines Anord­nungs­grundes verfas­sungs­rechtlich unbedenklich verneint. Zu Recht geht es davon aus, dass der Beschwer­de­führer nicht hinreichend deutlich gemacht hat, warum seine Anfrage, die sich auf Vorgänge der Jahre 2002 bis 2011 bezieht, nun eine solche Eile zukommt, dass hierüber nur im Wege einstweiligen Rechtsschutzes, zumal unter Vorwegnahme der Hauptsache, entschieden werden kann. Zwar können auch zurückliegende Vorgänge unter veränderten Umständen plötzlich eine Relevanz bekommen, die eine Eilbe­dürf­tigkeit begründet. Wenn der Beschwer­de­führer jedoch Auskünfte über solche zurückliegenden Vorgänge verlangt, so obliegt es ihm, näher dazu vorzutragen. Dafür genügt es nicht, lediglich darauf zu verweisen, dass aktuell über die Lage in Syrien sowie in diesem Zusammenhang über Dual-Use-Exporte berichtet wird und eine solche Berich­t­er­stattung im öffentlichen Interesse liegt. Es ist dem Beschwer­de­führer zuzumuten, näher darzulegen, warum er gerade die angefragten Dokumente für eine effektive Presse­be­rich­t­er­stattung sofort benötigt.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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