21.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil19.12.2012

Verbot der "Hilfs­or­ga­ni­sation für nationale politische Gefangene" (HNG) rechtmäßigVerein weist Wesens­ver­wandt­schaft mit Natio­nal­so­zi­a­lismus auf

Da sich der Verein Hilfs­or­ga­ni­sation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige gegen die verfas­sungs­mäßige Ordnung richtet und seine Zwecke und seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen, hat das Bundes­mi­nis­terium des Innern zu Recht diesen Verein verboten. Dies hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in seiner Entscheidung bekannt gegeben.

Der Verein „Hilfs­or­ga­ni­sation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ verfolgt nach seiner Satzung „ausschließlich karitative Zwecke, indem er nationale politische Gefangene und deren Angehörige im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Mittel unterstützt“. Insbesondere pflegt er hierzu durch seine Vorstands­mit­glieder den Briefwechsel mit inhaftierten Straftätern, die er dem Kreis der nationalen politischen Gefangenen zurechnet. Hierzu gehören Strafgefangene, die wegen der Verbreitung von Propa­gan­da­mitteln natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Inhalts (§ 86 StGB), wegen Verwendung von Kennzeichen natio­nal­so­zi­a­lis­tischer Organisationen (§ 86 a StGB), wegen Volksverhetzung einschließlich der Leugnung des Holocausts (§ 130 StGB) sowie wegen recht­s­ex­tre­mistisch motivierter Gewalttaten zu Freiheits­s­trafen verurteilt worden sind. Der Verein vermittelt zudem allgemein den Briefkontakt mit derartigen Straftätern.

Ziel der Hilfs­or­ga­ni­sation ist die Stärkung und Radikalisierung der recht­s­ex­tre­mis­tischen Szene

Das Bundes­mi­nis­terium des Innern verbot den Verein: Er rufe zum aktiven Kampf gegen die verfas­sungs­mäßige Ordnung auf. Hierzu vereine er unter dem Deckmantel einer vermeintlich karitativen Betreuung von Strafgefangenen Recht­s­ex­tre­misten natio­na­lis­tischer Prägung mit dem Ziel, die rechtsextremistische Szene in Deutschland organi­sa­ti­o­ns­über­greifend zu stärken und auf deren Radikalisierung hinzuwirken. In diesem Sinne befürworte, propagiere und befördere der Kläger straf­rechts­widriges Verhalten bis hin zum Einsatz von Gewalt als legitimem Mittel im Kampf gegen die bestehende verfas­sungs­mäßige Ordnung, der er ein natio­na­lis­tisches Weltbild rassistischer und antisemitischer Prägung gegenüberstelle. Er eine nicht nur die recht­s­ex­tre­mis­tische Szene im Kampf gegen das bestehende System, sondern binde systematisch und gezielt recht­s­ex­tre­mis­tische Straftäter während und nach der Haft an diese Szene. Dabei bestärke er diese Straftäter nicht nur in ihren natio­na­lis­tischen Überzeugungen, sondern rechtfertige und glorifiziere das von ihnen begangene Unrecht, um so gezielt staatliche Bemühungen um Resozi­a­li­sierung der Täter zu untergraben und eine auf dieser ideologischen Basis beruhende zukünftige Begehung von Straftaten zu begünstigen und zu befördern. Das Bundes­mi­nis­terium des Innern stützte sich dabei vor allem auf Veröf­fent­li­chungen in einem Mittei­lungsblatt des Vereins, namentlich auf dort abgedruckte Briefe seiner Vorstands­mit­glieder an Strafgefangene und deren Briefe an den Verein, ferner auf Briefe, die im Zuge von Durchsuchungen bei Vereins­mit­gliedern beschlagnahmt worden sind.

Verein bekennt sich zur ehemaligen Natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP)

Die gegen das Verbot gerichtete Klage hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht abgewiesen: Der Verein richtet sich gegen die verfas­sungs­mäßige Ordnung. Nach dem vom Bundes­in­nen­mi­nis­terium zusam­men­ge­tragenen Material weist der Verein in Programm, Vorstel­lungswelt und Gesamtstil eine Wesens­ver­wandt­schaft mit dem Natio­nal­so­zi­a­lismus auf. Er bekennt sich zur ehemaligen Natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und maßgeblichen ihrer Funktionsträger, macht die demokratische Staatsform verächtlich, propagiert eine mit dem Diskri­mi­nie­rungs­verbot des Art. 3 Abs. 3 GG unvereinbare Rassenlehre und strebt eine entsprechende Überwindung der verfas­sungs­mäßigen Ordnung an. Damit richtet er sich gegen die elementaren Verfas­sungs­grundsätze und erfüllt dadurch den Verbot­s­tat­bestand. Zweck und Tätigkeit des Vereins laufen ferner den Strafgesetzen zuwider. Die Briefe von Strafgefangenen, die von dem Verein unterstützt werden, belegen, dass die Aktivitäten des Vereins bei diesen Personen zur Verfestigung einer fanatisch-aggressiven Grundhaltung führen, die weitere einschlägige Straftaten erwarten lassen. Diese Straftaten gehören zum Kampf gegen das abgelehnte System, den der Verein propagiert. Mit den begangenen Straftaten identifiziert er sich. Er bestärkt die Täter darin, dass sie nur legitimen Widerstand gegen ein illegitimes Regime, nämlich die von ihm geschmähte und verächtlich gemachte Demokratie, geleistet haben.

Vereinsverbot stellt keinen Verstoß gegen Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten dar

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat in dem Vereinsverbot keinen Verstoß gegen die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gesehen. Sie schützt zwar die Verei­ni­gungs­freiheit, lässt aber deren Einschränkung zu, wenn diese vom Gesetz vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft zur Aufrecht­er­haltung der Ordnung, hier der verfas­sungs­mäßigen Ordnung im Sinne des Grundgesetzes, notwendig ist. Der Staat ist nicht gehalten, erst dann gegen eine politische Vereinigung vorzugehen, wenn sie konkrete Maßnahmen ergreift, um eine mit der demokratischen Ordnung unvereinbare Politik in die Praxis umzusetzen. Vielmehr muss der Staat vernünf­ti­gerweise in der Lage sein, die Verwirklichung eines solchen Programms zu verhindern, bevor dies durch konkrete Handlungen in die Praxis umgesetzt wird, die den Frieden in der Gemeinschaft und die Demokratie im Land gefährden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Erfahrungen im Dritten Reich auf dem Grundsatz der wehrhaften Demokratie beruht, deren Ausdruck auch das im Grundgesetz ausdrücklich angeordnete Verbot von Vereinen ist, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ ra-online

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