18.10.2024
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Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.
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Bundesverwaltungsgericht Urteil16.02.2010

BVerwG: Kein Flücht­lings­schutz bei Kriegs­ver­brechen an SoldatenKriegs­ver­brechen beschränken sich nicht auf Übergriffe auf Zivil­be­völ­kerung

Asylbewerbern kann wegen des Verdachts der Beteiligung an Kriegs­ver­brechen oder schweren nicht­po­li­tischen Straftaten die Zuerkennung von Flücht­lings­schutz versagt werden. Dabei liegt ein Kriegs­ver­brechen auch dann vor, wenn sich die Tat im Rahmen eines inner­staat­lichen bewaffneten Konflikts gegen Soldaten und nicht gegen Zivilpersonen richtet. Dabei kann auch die Tat einer Zivilperson ein Kriegs­ver­brechen darstellen, wenn diese im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt steht. Dies entschied das Bundes­ver­wal­tungs­gericht.

Der Kläger ist ein 31-jähriger russischer Staats­an­ge­höriger tschet­sche­nischer Volks­zu­ge­hö­rigkeit. Er reiste im Jahr 2002 nach Deutschland ein und beantragte hier Asyl. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag ab. Seine hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz insoweit Erfolg, als das Bundesamt zur Zuerkennung der Flücht­lings­ei­gen­schaft verpflichtet wurde. Das Oberver­wal­tungs­gericht Magdeburg hat die Entscheidung bestätigt. Dem Kläger droht nach den Feststellungen des Oberver­wal­tungs­ge­richts bei einer Rückkehr in die Russische Föderation eine menschen­rechts­widrige Behandlung, weil er dann von den staatlichen Sicher­heits­kräften mit Mitgliedern der Rebel­len­or­ga­ni­sation in Verbindung gebracht werde. Nach seinen vom Oberver­wal­tungs­gericht als glaubhaft angesehenen Angaben war der Kläger nämlich im Jahr 2002 an der Tötung von zwei russischen Soldaten auf einem Markt und der Entführung eines russischen Offiziers ebenso maßgeblich beteiligt wie an der Freipressung seines Bruders aus russischer Haft mit Hilfe tschet­sche­nischer Wider­stands­kämpfer im Austausch gegen den Offizier. Die Flüchtlingsanerkennung sei auch nicht gemäß § 3 Abs. 2 Asylver­fah­rens­gesetz (AsylVfG) ausgeschlossen. Die Beteiligung des Klägers an der Tötung der Soldaten stelle kein die Anerkennung ausschließendes Kriegs­ver­brechen dar, weil sich seine Tat gegen Soldaten und nicht gegen die Zivil­be­völ­kerung gerichtet habe.

Auch Kriegs­ver­brechen an Soldaten schließt Flücht­lings­a­n­er­kennung aus

Auf die Revisionen des Bundesamtes und des Bundes­be­auf­tragten für Asylan­ge­le­gen­heiten hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Oberver­wal­tungs­gericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die Flücht­lings­a­n­er­kennung unter anderem ausgeschlossen ist, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme einer Beteiligung an Kriegs­ver­brechen rechtfertigen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG). Ein Kriegs­ver­brechen, das die Flücht­lings­a­n­er­kennung ausschließt, ist nicht auf Übergriffe gegen die Zivil­be­völ­kerung beschränkt. Es kann sich nach dem Römischen Statut des Internationalen Straf­ge­richtshofs, das für diesen Ausschlussgrund heranzuziehen ist, auch gegen Soldaten richten. Dies gilt etwa im Fall der meuchlerischen Tötung gegnerischer Kombattanten. Außerdem spricht einiges dafür, dass der Kläger eine die Flücht­lings­ei­gen­schaft ebenfalls ausschließende schwere nichtpolitische Straftat begangen hat (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG). Denn nach seinen eigenen Angaben hat er sich nicht am Konflikt beteiligen, sondern ausschließlich seinen Bruder befreien wollen. Da hinreichende Feststellungen fehlen, ob die Voraussetzungen für die gesetzlichen Ausschluss­tat­be­stände vorliegen, hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht die Sache an das Oberver­wal­tungs­gericht zurückverwiesen.

§ 3 Abs. 2 AsylVfG lautet

Erläuterungen
Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1. ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegs­ver­brechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,

2. vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder

3. den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider­ge­handelt hat. Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

Quelle: ra-online, BVerwG

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