23.11.2024
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Dokument-Nr. 7553

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Bundesverwaltungsgericht Urteil05.03.2009

BVerwG zum Flücht­lings­schutz wegen religiöser Verfolgung nach Inkrafttreten der europa­recht­lichen "Quali­fi­ka­ti­o­ns­richtlinie"Voraussetzungen für Flücht­lings­schutz wegen religiöser Verfolgung müssen vom EuGH geklärt werden

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat sich erstmals nach Inkrafttreten der europa­recht­lichen "Quali­fi­ka­ti­o­ns­richtlinie" mit den Voraussetzungen für eine Flücht­lings­a­n­er­kennung aus religiösen Gründen beschäftigt. Das Verfahren betrifft eine evangelische Christin aus China

Die 1974 geborene Klägerin war in China Mitglied in einer amtlich nicht registrierten „Unter­grund­kirche". Diese Kirchen werden von den Behörden als illegal angesehen, weil sie sich einer staatlichen Kontrolle auch in Glaubensfragen entziehen. Nach den Feststellungen des Berufungs­ge­richts gibt es in China mindestens 30 Millionen Christen in Unter­grund­kirchen. Die Klägerin wurde wiederholt bei der Teilnahme an Gottesdiensten beobachtet und verlor daraufhin u.a. ihre Stelle als Lehrerin an einer staatlichen Schule. 2001 kam sie nach Deutschland, wo sie inzwischen aktives Mitglied in einer Unter­or­ga­ni­sation der weltweit agierenden "Bread of Life Christian Church" ist.

Vorinstanzen gaben der Klage statt

In Deutschland beantragte die Klägerin ihre Anerkennung als Asylberechtigte und als Flüchtling. Der Antrag hatte beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Erfolg. Anders als das Verwal­tungs­gericht hat das Berufungs­gericht - der Verwal­tungs­ge­richtshof Kassel - der Klage stattgegeben. Die Klägerin müsse jedenfalls wegen ihrer religiösen Betätigung in Deutschland bei einer Rückkehr nach China mit Verfolgung rechnen. Als mittlerweile führendes Mitglied einer chinesischen Unter­grund­kirche könne sie zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt werden.

BVerwG: Vorinstanzen trafen Gefähr­dungs­prognose auf unzureichender Tatsa­chen­grundlage

Der 10. Senat des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen, weil das Gericht seine Gefähr­dungs­prognose auf einer unzureichenden Tatsa­chen­grundlage getroffen hat. Die Annahme, dass die Klägerin wegen ihrer religiösen Aktivitäten in Deutschland mit einer Freiheitsstrafe in China rechnen müsse, ist durch die vom Berufungs­gericht angeführten Erkennt­nis­mittel nicht hinreichend belegt. Zugleich hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht zum rechtlichen Maßstab für eine Flücht­lings­a­n­er­kennung wegen Verfolgung aus religiösen Gründen ausgeführt: Geht es - wie hier - um die Bewertung einer bereits getätigten Glaubens­ausübung, ist zu prüfen, ob diese bei einer Rückkehr zu einer Gefahr für Leib, Leben oder körperliche Freiheit führt. Sollte die weitere Aufklärung ergeben, dass die Gefahr einer Bestrafung wegen der Auslands­ak­ti­vitäten nicht besteht, käme eine Flücht­lings­a­n­er­kennung auch in Betracht, wenn die Klägerin bei Rückkehr in ihr Heimatland durch die dort herrschenden Restriktionen so schwerwiegend an der Ausübung ihres Glaubens gehindert wäre, dass dadurch ihr Recht auf Religi­o­ns­freiheit in seinem Kern verletzt würde. Ob hierunter wie beim Asylrecht nur das sog. religiöse Existenzminimum fällt, also die Glaubens­be­tä­tigung im privaten und nachbar­schaftlich-kommunikativen Bereich, oder ob und unter welchen Voraussetzungen beim Flüchtlingsschutz unter Geltung der Qualifikationsrichtlinie darüber hinaus auch religiöse Betätigungen in der Öffentlichkeit erfasst werden, stellt eine europa­rechtliche Zweifelsfrage dar.

BVerwG stellt künftige Anrufung des EuGH in Aussicht

Diese kann letztlich nur vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) geklärt werden. Wegen der beanstandeten unzureichenden Aufklärung des Berufungs­ge­richts konnte das Bundes­ver­wal­tungs­gericht im vorliegenden Fall den EuGH nicht anrufen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 14/2009 des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.03.2009

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