23.11.2024
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Dokument-Nr. 21105

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Bundesverwaltungsgericht Urteil28.05.2015

Ermessens­ein­bürgerung erfordert auch Sicherung des Lebens­un­terhalts im Ausland lebender AngehörigerBei Ermes­sen­s­ein­bür­gerung gelten erhöhte Anforderungen an wirtschaftliche Integration des Ausländers

Ein Ein­bürgerungs­bewerber muss bei der Ermessens­ein­bürgerung nach § 8 StAG den Lebensunterhalt seiner Familie sichern können; dabei sind auch die im Ausland lebenden Angehörigen zu berücksichtigen. Dies entschied das Bundes­verwaltungs­gericht.

Der 1972 geborene Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens, ein staatenloser Palästinenser, begehrt seine Einbürgerung. Er ist 1997 erstmals in das Bundesgebiet eingereist. Seit 2009 ist er im Besitz einer Nieder­las­sungs­er­laubnis. Seit 2003 ist er mit einer Jordanierin verheiratet, die mit den drei gemeinsamen Kindern in Jordanien lebt. Einen auf eine Ermes­sen­s­ein­bür­gerung nach § 8 StAG gerichteten Antrag vom Juli 2009 lehnte die Einbür­ge­rungs­behörde ab, weil der Kläger seit seiner Einreise Geringverdiener sei und bei einem Nachzug seiner Ehefrau und der minderjährigen Kinder deren Lebensunterhalt nicht werde decken können.

VGH: Sicherung des Lebens­un­terhalts für Angehörige nur bei konkreten Nachzugsplänen entscheidend

Das Verwal­tungs­gericht München verpflichtete den Beklagten zur Neubescheidung, weil dieser bei seiner Progno­se­ent­scheidung zur Lebens­un­ter­halts­si­cherung die individuelle Lebenssituation des Klägers nicht hinreichend berücksichtigt habe. Der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen, weil der Kläger i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande sei. Bei der Prognose künftiger Lebens­un­ter­halts­si­cherung sei grundsätzlich nur auf den Kreis der bereits im Bundesgebiet lebenden Unter­halts­be­rech­tigten abzustellen. Weitere unter­halts­be­rechtigte Angehörige, die wegen des bei Einbürgerung erleichterten Famili­en­nachzuges nachziehen könnten, seien nur zu berücksichtigen, wenn sich deren Nachzugsabsicht konkret abzeichne.

BVerwG: Pflicht zur Sicherung des Lebens­un­terhalts beschränkt sich nicht nur auf Angehörige im Bundesgebiet

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht gab der Revision des Beklagten statt und wies die Klage ab. Bei der Ermes­sen­s­ein­bür­gerung nach § 8 StAG muss der Einbür­ge­rungs­be­werber sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande sein. Die Einbür­ge­rungs­vor­aus­setzung, den Lebensunterhalt der Angehörigen sichern zu können, ist umfassend formuliert. Dies ist nicht auf solche unter­halts­be­rech­tigten Angehörigen beschränkt, die bereits im Bundesgebiet leben oder für den Fall der Einbürgerung konkret beabsichtigen, in das Bundesgebiet nachzuziehen. Die Ermes­sen­s­ein­bür­gerung stellt erhöhte Anforderungen an die wirtschaftliche Integration des Ausländers. Das Gesetz soll hier nicht nur einem künftigen Bezug steuer­fi­nan­zierter Sozia­l­leis­tungen im Inland vorbeugen. Es erfordert solide wirtschaftliche Verhältnisse, die unabhängig von den durch eine Einbürgerung erleichterten Möglichkeiten des Nachzuges und dem aktuellen Aufenthaltsort der Familie die Fähigkeit zur Sicherung des Lebens­un­terhalts der unter­halts­be­rech­tigten Angehörigen verlangt. Der Gesetzgeber hat für dieses umfassende Lebens­un­ter­halts­si­che­rungs­er­for­dernis gerade nicht die Einschränkungen übernommen, die bei der Anspruch­s­ein­bür­gerung (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 StAG) vorgesehen sind. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwal­tungs­ge­richtshofs hat auch das Bundes­ver­wal­tungs­gericht keinen Grund gesehen, aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zu Vermeidung einer besonderen Härte von dem Lebens­un­ter­halts­si­che­rungs­er­for­dernis abzusehen.

§ 8 Staats­an­ge­hö­rig­keits­gesetz

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn er

1. bis 3. [...]

4. sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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