22.11.2024
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Dokument-Nr. 7471

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Bundesverwaltungsgericht Urteil19.02.2009

Bundes­ver­wal­tungs­gericht: Bezug von Sozialhilfe im Alter kann ein Einbür­ge­rungs­hin­dernis seinEinbür­ge­rungs­be­werber muss für sein Verhalten einstehen

Die Inanspruchnahme von Sozia­l­hil­fe­leis­tungen kann ein Einbür­ge­rungs­hin­dernis bilden. Ein Einbür­ge­rungs­hin­dernis ist nicht nur anzunehmen, wenn der Einbür­ge­rungs­be­werber die Inanspruchnahme der Sozia­l­hil­fe­leis­tungen dem Grunde nach zu verantworten hat, sondern auch dann, wenn er - wie im vorliegenden Fall - einen erhöhten Leistungsbezug zu vertreten hat. Dies hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht entschieden.

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen die Inanspruchnahme von Sozialhilfe (hier: Grundsicherung im Alter nach SGB XII wegen zu geringer Altersrente) der Einbürgerung eines Ausländers nach dem Staats­an­ge­hö­rig­keits­gesetz (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG*) entgegenstehen kann.

Sachverhalt

Der 1942 geborene Kläger stammt aus dem Kosovo und ist im Dezember 1991 als Asylbewerber in das Bundesgebiet eingereist. Er besitzt seit September 1994 eine unbefristete Aufent­halt­s­er­laubnis. Nach seiner Einreise war er überwiegend ohne Beschäftigung und bezog für sich und seine Familie mit kurzen Unterbrechungen Leistungen der Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Seit Mai 2007 bezieht er eine geringe Altersrente von 121 € monatlich und ergänzende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwer­bs­min­derung. Seinen Einbür­ge­rungs­antrag lehnte der Beklagte ab, weil der Kläger die Inanspruchnahme von Sozia­l­hil­fe­leis­tungen zu vertreten habe. Das Verwal­tungs­gericht Sigmaringen hat den Beklagten zur Erteilung einer Einbür­ge­rungs­zu­si­cherung verpflichtet, weil der Kläger inzwischen wegen seines Alters oder seines Gesund­heits­zu­standes nicht (mehr) erwer­bs­ver­pflichtet und erwerbsfähig sei. Der Verwal­tungs­ge­richtshof Mannheim hat die Klage hingegen abgewiesen, da der Kläger über mehrere Jahre aus von ihm zu vertretenden Gründen arbeitslos gewesen sei und es damit versäumt habe, zusätzliche Rentenansprüche für das Alter zu erwerben.

Kläger hat erhöhten Leistungsbezug zu verantworten

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat das erstin­sta­nzliche Urteil im Ergebnis wieder­her­ge­stellt. Es hat ausgeführt, dass die Inanspruchnahme von Sozia­l­hil­fe­leis­tungen ein Einbürgerungshindernis bilden kann. Das ist nicht nur anzunehmen, wenn der Einbür­ge­rungs­be­werber die Inanspruchnahme der Sozia­l­hil­fe­leis­tungen dem Grunde nach zu verantworten hat, sondern auch dann, wenn er - wie der Kläger - einen erhöhten Leistungsbezug zu vertreten hat. Nach den Feststellungen des Verwal­tungs­ge­richtshofs hat der Kläger wegen ihm zurechenbarer Arbeits­lo­sigkeit in den Jahren 1994 bis 1998 geringere Rentenansprüche erworben, als er sich hätte erarbeiten können. Allerdings ist nicht jedes in der Vergangenheit liegende, dem Einbür­ge­rungs­be­werber zurechenbare Verhalten einbür­ge­rungs­schädlich.

Gesamt­be­trachtung aller Umstände

Die Zurechnung von Fernwirkungen darf nicht dazu führen, dass der nach einem langjährigen und rechtmäßigen Daueraufenthalt regelmäßig (bei Erfüllung aller weiteren Anforderungen) vorgesehene Einbür­ge­rungs­an­spruch praktisch leerläuft. Mit Rücksicht darauf hat der Einbür­ge­rungs­be­werber erhöhte Sozia­l­hil­fe­leis­tungen nur zu vertreten, wenn er bei einer Gesamt­be­trachtung aller Umstände mit seinem Verhalten eine wesentliche, prägende Ursache für den Leistungsbezug insgesamt gesetzt hat. Bei einer nur unwesentlichen Erhöhung ist dies nicht der Fall. Der Verant­wor­tungs­zu­sam­menhang kann auch durch Zeitablauf entfallen. In Anlehnung an die Minde­st­auf­ent­haltsdauer in § 10 Abs. 1 StAG hat der Einbür­ge­rungs­be­werber für ein ihm zurechenbares und für aktuelle Sozia­l­hil­fe­leis­tungen mitursächliches Verhalten nach Ablauf einer Frist von acht Jahren nicht mehr einzustehen. Das war im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richtshofs der Fall.

* § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG lautet (auszugsweise):

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat ... ist auf Antrag einzubürgern, wenn er

1. sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt ...

2. ein unbefristetes Aufent­haltsrecht oder ... besitzt,

3. den Lebensunterhalt für sich und seine unter­halts­be­rech­tigten Familien­an­ge­hörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozial­ge­setzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,

4. seine bisherige Staats­an­ge­hö­rigkeit aufgibt oder verliert,

5. weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schul­d­un­fä­higkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,

6. über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und

7. über Kenntnisse der Rechts- und Gesell­schafts­ordnung und der Lebens­ver­hältnisse in Deutschland verfügt.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 07/09 des BVerwG vom 19.02.2009

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