14.11.2024
14.11.2024  
Sie sehen eine Reihe mit gelben Aktenordnern, die mit Barcodes markiert sind.

Dokument-Nr. 30868

Drucken
ergänzende Informationen

Bundesverwaltungsgericht Urteil27.09.2021

Kreistag darf Kreisumlage nicht ohne Information über gemeindlichen Finanzbedarf festsetzenKeine Festsetzung der Kreisumlage ohne Berück­sich­tigung der Bedarfsansätze betroffener Gemeinden

Die verfassungs­rechtliche Pflicht des Landkreises, bei der Erhebung der Kreisumlage den Finanzbedarf der umlage­pflichtigen Gemeinden zu ermitteln und gleichrangig mit dem eigenen zu berücksichtigen, ist verletzt, wenn der Kreistag über einen von der Kreisverwaltung vorgeschlagenen Umlagesatz beschließt, ohne dass ihm zumindest die zugrunde gelegten Bedarfsansätze der betroffenen Gemeinden vorlagen. Das hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Die Klägerinnen, kreisangehörige Kommunen im Gebiet des jeweils beklagten Landkreises, wenden sich gegen die Festsetzung der Kreisumlage für das Jahr 2017. In beiden Verfahren hat das Verwal­tungs­gericht der Klage stattgegeben. Das Oberver­wal­tungs­gericht hat die Berufungen der Beklagten zurückgewiesen. Die Umlage­fest­setzung verletze jeweils das Selbst­ver­wal­tungsrecht der betroffenen Kommunen. Danach müssten die Daten zum Finanzbedarf der umlage­pflichtigen Gemeinden den Kreis­tags­mit­gliedern vor der Beschluss­fassung über die Haushaltssatzung in geeigneter Weise - etwa tabellarisch - aufbereitet zur Kenntnis gegeben werden. Das sei jeweils nicht geschehen. Die ausschließlich verwal­tungs­interne Ermittlung und Bewertung des Finanzbedarfs genüge den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen nicht.

BVerG bestätigt Verletzung kommunalen Selbst­ver­wal­tungs­rechts

Während des Revisi­ons­ver­fahrens hat der Landes­ge­setzgeber eine Regelung erlassen, die eine Änderung der Haushalts­satzung zur Behebung von Fehlern - mit bestimmten Ausnahmen - auch nach Ablauf des Haushaltsjahres zulässt. Daraufhin haben die Kreistage beider Beklagten den Kreisumlagesatz für 2017 jeweils vorsorglich - unverändert - neu beschlossen. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat den Revisionen der Beklagten stattgegeben, die Berufungs­urteile aufgehoben und beide Verfahren an das Oberver­wal­tungs­gericht zurückverwiesen. Allerdings hat das Oberver­wal­tungs­gericht zu Recht angenommen, dass die ursprünglichen Haushalts­sat­zungen das gemeindliche Selbst­ver­wal­tungsrecht wegen Verstößen gegen daraus abzuleitende Verfah­rens­pflichten verletzen.

Umlage­fest­setzung ohne Vorlage der ermittelten Bedarfsansätze überschreitet verfas­sungs­recht­lichen Grenzen

Nach Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) muss der Landkreis bei der Festsetzung der Kreisumlage den Finanzbedarf der umlage­pflichtigen Gemeinden ermitteln und ihn gleichrangig mit dem eigenen berücksichtigen. Außerdem muss er seine Entscheidung offenlegen, damit sie von den Gemeinden und den Gerichten überprüft werden kann. Zwar obliegt die nähere Ausgestaltung des Verfahrens dem Landes­ge­setzgeber und, soweit gesetzliche Regelungen fehlen, den Landkreisen selbst. Dabei müssen jedoch die verfas­sungs­recht­lichen Grenzen beachtet werden. Sie sind überschritten, wenn der nach Landesrecht für die Umlage­fest­setzung zuständige Kreistag nur über einen von der Kreisverwaltung vorgeschlagenen Umlagesatz beschließt, ohne dass ihm zumindest die ermittelten Bedarfsansätze vorlagen. Bei einem solchen Vorgehen wird auch die Offen­le­gungs­pflicht nicht gewahrt.

Mehrdeutige Ausnah­me­re­gelung in Ermächtigung noch zu klären

Bei der Entscheidung im Revisi­ons­ver­fahren sind jedoch die Recht­s­än­de­rungen nach Ergehen der Berufungs­urteile zu berücksichtigen. Ob die angegriffenen Bescheide von den vorsorglich erlassenen neuen, rückwirkenden Satzungs­be­stim­mungen gedeckt werden, kann das Bundes­ver­wal­tungs­gericht nicht abschließend beurteilen. Eine Rechtfertigung durch die neuen Satzungs­be­schlüsse scheitert nicht schon daran, dass eine landes­ge­setzliche Ermächtigung zur rückwirkenden Heilung mit Bundes­ver­fas­sungsrecht unvereinbar wäre. Die Ermächtigung enthält aber eine mehrdeutige Ausnah­me­re­gelung, deren Auslegung das Oberver­wal­tungs­gericht zu klären hat.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil30868

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI