21.11.2024
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Dokument-Nr. 15849

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Urteil16.05.2013Bundesverwaltungsgericht8 C 14.12, 8 C 15.12, 8 C 16.12, 8 C 35.12, 8 C 41.12, 8 C 40.12, 8 C 20.12, 8 C 22.12, 8 C 38.12
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Bundesverwaltungsgericht Urteil16.05.2013

Klagen bayerischer Sportwetten-Vermittler wegen erledigter Vermitt­lungs­verboteBVerwG verneint Vorliegen eines berechtigten Interesses an Feststellung der Rechts­wid­rigkeit der erledigten Unter­sa­gungs­ver­fü­gungen

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat in neun bayerischen Revisi­ons­ver­fahren zur Sport­wet­ten­ver­mittlung an private Wettanbieter entschieden, dass kein berechtigtes Interesse der Vermittler an der Feststellung der Rechts­wid­rigkeit bereits erledigter Vermitt­lungs­verbote nach altem Recht besteht. Bei den Betroffenen liegt weder eine konkrete Wieder­ho­lungs­gefahr noch ein Rehabi­li­tie­rungs­in­teresse vor. Ein berechtigtes Feststel­lungs­in­teresse ist auch nicht schon wegen eines tiefgreifenden Eingriffs in die Berufsfreiheit oder in unions­rechtliche Grundfreiheiten wie die Dienst­leis­tungs­freiheit zu bejahen. Mit der Absicht, Staats­haf­tungs­klagen zu erheben, lässt es sich in den entschiedenen Fällen ebenfalls nicht begründen.

Die Kläger vermittelten in Bayern Sportwetten an private Wettanbieter im EU-Ausland, die ebenso wie sie selbst nicht über eine im Inland erteilte Erlaubnis verfügten. Die beklagten Städte München und Nürnberg sowie drei ebenfalls beklagte bayerische Landkreise untersagten die Vermitt­lung­s­tä­tigkeit. Sie stützten ihre Verbote maßgeblich auf das staatliche Sport­wet­ten­monopol. Dieses war bis Ende 2007 im Lotte­rie­staats­vertrag und anschließend im zwischen­zeitlich ebenfalls ausgelaufenen Glückss­piel­staats­vertrag alter Fassung geregelt; es schloss eine Wettvermittlung an private Veranstalter aus. Eine der Unter­sa­gungs­ver­fü­gungen verwies zusätzlich auf die Notwendigkeit, den gesetzlichen Erlaub­nis­vor­behalt durchzusetzen, um die Gefahren einer illegalen Wettvermittlung abzuwehren.

Kläger beantragen Rechts­wid­rigkeit der erledigten Untersagungen nach altem Recht festzustellen

Die dagegen erhobenen Klagen wurden in erster Instanz abgewiesen. Der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof gab den Berufungen der Kläger statt. Dagegen legte die Landes­an­walt­schaft Bayern Revisionen ein. Während der Revisi­ons­ver­fahren trat am 1. Juli 2012 ein neuer Glückss­piel­staats­vertrag in Kraft. Daraufhin erklärten die zuständigen Behörden, aus den angefochtenen Verfügungen nach diesem Zeitpunkt keine Rechte mehr herleiten zu wollen. Im Revisi­ons­ver­fahren haben die Kläger deshalb zuletzt beantragt, die Rechts­wid­rigkeit der erledigten Untersagungen nach altem Recht festzustellen.

Klagen auf Feststellung der Rechts­wid­rigkeit der erledigten Unter­sa­gungs­ver­fü­gungen unzulässig

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat insoweit den Revisionen der Landes­an­walt­schaft Bayern stattgegeben und die klage­ab­wei­senden erstin­sta­nz­lichen Urteile wieder­her­ge­stellt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klagen auf Feststellung der Rechts­wid­rigkeit der erledigten Unter­sa­gungs­ver­fü­gungen unzulässig sind. Für erledigte Sachen können die staatlichen Gerichte nur in Anspruch genommen werden, wenn der Kläger daran ein berechtigtes Interesse hat. Das ist in den entschiedenen Verfahren nicht der Fall.

Maßgebliche Rechtslage wurde mit Inkrafttreten des neuen Glückss­piel­staats­vertrags in Bayern wesentlich geändert

Ein solches Interesse ist nicht mit einer Wieder­ho­lungs­gefahr zu begründen, weil sich die maßgebliche Rechtslage mit dem Inkrafttreten des neuen Glückss­piel­staats­vertrags in Bayern zum 1. Juli 2012 wesentlich geändert hat. Ein Rehabi­li­tie­rungs­in­teresse liegt in den entschiedenen Fällen ebenfalls nicht vor. Dieses setzt voraus, dass das soziale Ansehen der Betroffenen herabgesetzt wird. Eine solche Stigmatisierung liegt nicht schon in der Feststellung, die untersagte Tätigkeit sei rechtswidrig oder erfülle den objektiven Tatbestand einer Strafrechtsnorm. Erforderlich ist vielmehr ein perso­nen­be­zogener Vorwurf schuldhaft kriminellen Verhaltens. Soweit in den entschiedenen Fällen Ermitt­lungs­ver­fahren eingeleitet worden waren, ist eine etwaige stigma­ti­sierende Außenwirkung mit deren Einstellung entfallen. Wenn ein Verschulden dabei nicht ausdrücklich verneint, sondern mit Bezug auf die unklare Rechtslage nur bezweifelt und als allenfalls geringfügig bezeichnet wurde, ist schon wegen der Einstellung des Verfahrens als Bagatellsache nicht von einer nachhaltigen, heute noch fortwirkenden Stigmatisierung auszugehen. In künftigen Verwal­tungs­ver­fahren nach neuem Recht drohen den Klägern wegen der Missachtung des umstrittenen Monopols ebenfalls keine Nachteile, wie der Vertreter des Freistaats Bayern ausdrücklich versichert hat.

Berechtigtes Interesse an Feststellung der Rechts­wid­rigkeit kann nicht wegen Eingriff in Berufsfreiheit oder Dienst­leis­tungs­freiheit bejaht werden

Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechts­wid­rigkeit der erledigten Untersagungen ist auch nicht wegen eines tiefgreifenden Eingriffs in die Berufsfreiheit oder die Niederlassungs- oder Dienst­leis­tungs­freiheit zu bejahen. Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gebietet grundsätzlich nicht, den Rechtsweg gegen erledigte Maßnahmen zu eröffnen, wenn dies für die Beseitigung etwa fortwirkender Nachteile für den Betroffenen nicht von Nutzen sein kann. Anders ist es nur bei Eingriffen, die sich typischerweise kurzfristig endgültig erledigen. Sonst wäre in diesen Fällen eine gerichtliche Klärung in einem Haupt­sa­che­ver­fahren praktisch ausgeschlossen. Die glückss­piel­recht­lichen Untersagungen sind als Verwaltungsakte mit Dauerwirkung aber gerade nicht auf eine solch kurzfristige Erledigung, sondern auf langfristige Geltung angelegt. Das belegen die entschiedenen Fälle. In ihnen ist die endgültige Erledigung erst nach mehrjährigem Rechtsstreit aufgrund einer nachträglichen Befristung während des Revisi­ons­ver­fahrens eingetreten. Bis dahin war eine gerichtliche Überprüfung in der Hauptsache im Rahmen der Anfech­tungsklage ohne Weiteres möglich und wurde in den ersten beiden Instanzen auch vorgenommen. Aus den unions­recht­lichen Grundfreiheiten und der Gewährleistung eines wirksamen Rechtsbehelfs nach der Europäischen Grund­recht­echarta lässt sich keine Verpflichtung herleiten, in solchen Fällen die Anforderungen an ein berechtigtes Feststel­lungs­in­teresse großzügiger zu fassen. Das ergibt sich aus der unions­ge­richt­lichen Rechtsprechung.

Staats­haf­tungsklage wäre offensichtlich aussichtslos

Die Absicht, Staats­haf­tungs­ansprüche geltend zu machen, kann ein berechtigtes Feststel­lungs­in­teresse in den entschiedenen Verfahren ebenfalls nicht begründen. Eine Staats­haf­tungsklage wäre jeweils offensichtlich aussichtslos. Im Zeitraum bis zum Herbst 2010 liegt nach der zivil­ge­richt­lichen Rechtsprechung weder ein für die Amtshaftung erforderliches Verschulden der zuständigen Amtswalter noch eine hinreichend qualifizierte Verletzung unions­recht­licher Bestimmungen vor. Den Amtswaltern ist nicht vorzuwerfen, dass sie sich an der damaligen Rechtsprechung der bayerischen Verwal­tungs­ge­richte orientierten, die die Untersagungen gebilligt hatten. Die unions­recht­lichen Anforderungen an das Sport­wet­ten­monopol waren zumindest bis zu den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. September 2010 und den daran anknüpfenden Entscheidungen des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts vom 24. November 2010 noch nicht hinreichend geklärt. Für den anschließenden Zeitraum bis zur endgültigen Erledigung der Untersagungen am 30. Juni 2012 fehlt es jedenfalls an der Ursächlichkeit einer etwaigen Rechts­wid­rigkeit der Verbots­ver­fü­gungen für den geltend gemachten Schaden.

Erlaub­nis­vor­behalt ist mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar

Bei Ermes­sen­s­ent­schei­dungen wie den glückss­piel­recht­lichen Untersagungen ist der erforderliche Ursachen­zu­sam­menhang zwischen Rechts­ver­letzung und Schaden nur zu bejahen, wenn feststeht, dass die Behörde bei fehlerfreier Ermes­sens­ausübung eine andere, nicht zum Schaden führende Entscheidung getroffen hätte. Das trifft in den entschiedenen Fällen nicht zu. Die Behörden hätten die unerlaubte Sport­wet­ten­ver­mittlung - unabhängig von der Wirksamkeit und Anwendbarkeit des Monopols - ermes­sens­feh­lerfrei untersagen können, um den ordnungs­recht­lichen Erlaub­nis­vor­behalt im Interesse effektiver Gefahrenabwehr durchzusetzen. Der Erlaub­nis­vor­behalt selbst ist mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar. Er dient dazu, die persönliche Zuverlässigkeit des Gewer­be­trei­benden zu überprüfen und sicherzustellen, dass seine Wettvermittlung den gesetzlichen Anforderungen entspricht, die insbesondere zum Spieler- und zum Jugendschutz bestehen. Die Durchsetzung des Erlaub­nis­vor­behalts wäre in den entschiedenen Fällen auch nicht unver­hält­nismäßig gewesen. Anders wäre es nur, wenn die untersagte Tätigkeit offensichtlich erlaubnisfähig gewesen wäre. Die Ungewissheit, ob sie erlaubnisfähig war, schloss eine Untersagung dagegen nicht aus. Der Erlaub­nis­vor­behalt soll und darf gerade sicherstellen, dass offene Fragen zur Gefährlichkeit der Tätigkeit im Erlaub­nis­ver­fahren geklärt werden. Seine Durchsetzung soll verhindern, dass unkon­trol­liertes Handeln vollendete Tatsachen schaffen und unüberprüfte Gefahren realisieren kann.

Betroffenen wäre Klärung im Erlaub­nis­ver­fahren zumutbar gewesen

Eine Klärung im Erlaub­nis­ver­fahren war den Betroffenen auch zuzumuten, weil der Freistaat Bayern dieses Verfahren nach den unions­ge­richt­lichen Entscheidungen vom September 2010 für private Wettanbieter und deren Vermittler geöffnet hatte. Die landes­ge­setzliche Regelung ermöglichte eine entsprechende, verfassungs- und unions­rechts­konforme Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften. Gegen etwaige rechts­feh­lerhafte - auch unions­rechts­widrige - Entscheidungen im Erlaub­nis­ver­fahren stand effektiver Rechtsschutz zur Verfügung.

Vorinstanzen zu BVerwG 8 C 14.12:

VG München , M 16 K 08.2972 - Urteil vom 27. Januar 2009 -

VGH München, 10 BV 10.2271 - Urteil vom 12. Januar 2012 -

Vorinstanzen zu BVerwG 8 C 15.12:

VG München, M 22 K 07.1080 - Urteil vom 31. Juli 2008 -

VGH München, 10 BV 10.2505 - Urteil vom 12. Januar 2012 -

Vorinstanzen zu BVerwG 8 C 16.12:

VG München, M 22 K 07.3782 - Urteil vom 24. Oktober 2008 -

VGH München, 10 BV 10.2665 - Urteil vom 24. Januar 2012 -

Vorinstanzen zu BVerwG 8 C 35.12:

VG Regensburg, RN 5 K 10.2326 - Urteil vom 21. Juli 2011 -

VGH München, 10 BV 11.2152 - Urteil vom 12. Juni 2012 -

Vorinstanzen zu BVerwG 8 C 41.12:

VG Ansbach, AN 4 K 06.1769 - Urteil vom 30. Januar 2007 -

VGH München, 10 BV 11.483 - Urteil vom 17. Februar 2012 -

Vorinstanzen zu BVerwG 8 C 40.12:

VG Ansbach, AN 4 K 06.2642 - Urteil vom 30. Januar 2007 -

VGH München, 10 BV 11.482 - Urteil vom 17. Februar 2012 -

Vorinstanzen zu BVerwG 8 C 20.12:

VG München, M 16 K 08.5077 - Urteil vom 28. April 2009 -

VGH München, 10 BV 10.2257 - Urteil vom 15. Mai 2012 -

Vorinstanzen zu BVerwG 8 C 22.12:

VG München, M 16 K 08.2700 - Urteil vom 28. April 2009 -

VGH München, 10 BV 10.2258 - Urteil vom 15. Mai 2012 -

Vorinstanzen zu BVerwG 8 C 38.12:

VG München, M 16 K 08.2756 - Urteil vom 28. April 2009 -

VGH München, 10 BV 11.2770 - Urteil vom 24. April 2012 -

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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