21.11.2024
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Dokument-Nr. 30318

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Bundesverwaltungsgericht Urteil12.05.2021

BVerwG: Bundes­rech­nungshof darf Berufs­genos­sen­schaften prüfenRisiken für den Bundeshaushalt begründen Kontrolle begünstigter Sozia­l­ver­si­che­rungs­träger

Berufs­genos­sen­schaften unterliegen als bundes­un­mit­telbare Körperschaften des öffentlichen Rechts und Unfall­versicherungs­träger mit ihrer Haushalts- und Wirtschafts­führung der Prüfung durch den Bundes­rech­nungshof. Dies hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin ist eine bundes­un­mit­telbare Körperschaft des öffentlichen Rechts, eine der größten Berufs­ge­nos­sen­schaften in Deutschland und als solche eine Trägerin der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung. Sie wendet sich gegen eine auf die Durchführung sozial­me­di­zi­nischer Begutachtungen bezogene Prüfungsanordnung des Bundes­rech­nungshofs vom 19. März 2018.

Vorschrift nur auf bundes­un­mit­telbare Träger der Sozia­l­ver­si­cherung anwendbar

Nach § 111 Abs. 1 Satz 1 der Bundes­haus­halts­ordnung (BHO) prüft der Bundesrechnungshof die Haushalts- und Wirtschafts­führung der bundes­un­mit­telbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Diese Vorschrift ist allerdings gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO auf die bundes­un­mit­telbaren Träger der Sozia­l­ver­si­cherung - unter anderem diejenigen der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung - nur dann anzuwenden, wenn diese auf Grund eines Bundesgesetzes vom Bund Zuschüsse erhalten oder eine Garan­tie­ver­pflichtung des Bundes gesetzlich begründet ist.

Bundes­rech­nungshof nahm gesetzlich begründete Garan­tie­ver­pflichtung an

Die Klägerin erhält keine staatlichen Zuschüsse. Der Bundes­rech­nungshof sah jedoch eine gesetzlich begründete Garan­tie­ver­pflichtung des Bundes in § 120 des Siebten Buches Sozial­ge­setzbuch (SGB VII), wonach mit der Auflösung eines bundes­un­mit­telbaren Unfall­ver­si­che­rungs­trägers dessen Rechte und Pflichten auf den Bund übergehen, soweit durch Rechts­vor­schriften des Bundes nicht etwas Anderes bestimmt worden ist.

OVG: Vorschrift begründet keine rechtlich bindende Einstands­pflicht

Das Verwal­tungs­gericht Köln hat die Anfech­tungsklage gegen die Prüfungs­a­n­ordnung abgewiesen. Das Oberver­wal­tungs­gericht Münster hat der Berufung der Klägerin stattgegeben und die Anordnung aufgehoben. Es hat angenommen, eine gesetzlich begründete Garan­tie­ver­pflichtung im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO sei nur eine nicht ausschließlich vom Willen des Bundes­ge­setz­gebers abhängige, unter bestimmten Voraussetzungen - dem Garantiefall - rechtlich bindend eintretende Leistungs­ver­pflichtung. Diese Voraussetzungen erfülle § 120 SGB VII nicht, weil der Eintritt des Garantiefalls - die Auflösung eines bundes­un­mit­telbaren Unfall­ver­si­che­rungs­trägers - ausschließlich vom Willen des Bundes­ge­setz­gebers abhänge und dieser es zugleich in der Hand habe, von den in § 120 SGB VII vorgesehenen Rechtsfolgen abzuweichen. Die Vorschrift begründe keine rechtlich bindende Einstands­pflicht, sondern verleihe allenfalls deklaratorisch der ohnehin bestehenden Verantwortung des Bundes für die bundes­un­mit­telbaren Unfall­ver­si­che­rungs­träger Ausdruck.

BVerwG: Exemtion von dieser Prüfung eng auszulegende Ausnahme

Auf die Revision der Bundesrepublik Deutschland hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht das erstin­sta­nzliche Urteil wieder­her­ge­stellt. Nach der gesetzlichen Systematik ist die lückenlose, kontrollfreie Räume vermeidende Prüfung der Haushalts- und Wirtschafts­führung der bundes­un­mit­telbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Regel und die Exemtion von dieser Prüfung nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO die eng auszulegende Ausnahme. Nach dessen Zweck sollen die begünstigten Sozia­l­ver­si­che­rungs­träger der Kontrolle durch den Bundes­rech­nungshof jedenfalls dann unterworfen sein, wenn aus ihrer Tätigkeit ein Risiko für den Bundeshaushalt erwachsen kann.

Auffangregelung für die Übernahme der finanziellen Lasten

Danach ist eine gesetzlich begründete Garan­tie­ver­pflichtung des Bundes im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO anzunehmen, wenn - zum Zeitpunkt des Prüfungs­be­gehrens des Bundes­rech­nungshofs - sich aufgrund eines Bundesgesetzes, sei es auch erst nach Erlass weiterer Akte, die Möglichkeit einer zukünftigen Belastung des Bundeshaushalts durch eine Verpflichtung des Bundes zum Eintritt in Zahlungs­pflichten ergibt, die zu Lasten eines Sozia­l­ver­si­che­rungs­trägers entstanden sind. Diese Voraussetzungen werden durch § 120 SGB VII erfüllt. Denn diese Norm ist unter Berück­sich­tigung ihrer gesetzlichen Bezeichnung als Bundesgarantie, des Verständnisses ihrer in das Kaiserreich zurück­rei­chenden historischen Vorgän­ger­re­ge­lungen sowie ihres Zwecks im Kern als Auffangregelung für die Übernahme der finanziellen Lasten eines durch Gesetz aufgelösten bundes­un­mit­telbaren Unfall­ver­si­che­rungs­trägers zu verstehen. Sie kann im Fall der Auflösung eines solchen Trägers in einer Weise angewandt werden, die nicht in Konflikt mit Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG gerät, der das Führen eines Sozia­l­ver­si­che­rungs­trägers in unmittelbarer Bundes­ver­waltung verbietet.

Prüfungs­a­n­ordnung auch im Übrigen rechtmäßig

Die hiernach von einer Prüfungs­be­fugnis des Bundes­rech­nungshofs getragene, von der Klägerin angegriffene Prüfungs­a­n­ordnung ist nach der Entscheidung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts auch im Übrigen in formell und materiell rechtmäßiger Weise erlassen worden. Sie verletzt insbesondere nicht den Schutz der Sozialdaten der bei der Klägerin Versicherten.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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