18.10.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil07.04.2022

Führer­schei­n­entzug nach unverschuldetem Unfall bei Trunkenheit ist rechtensBeibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auch bei nicht Ahndung einer als Ordnungs­wid­rigkeit einzustufende Zuwiderhandlung notwendig

Die Fahr­erlaubnis­behörde darf auch dann wegen wiederholter Zuwider­hand­lungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auffordern, wenn eine als Ordnungs­wid­rigkeit einzustufende Zuwiderhandlung nicht geahndet worden ist. Das hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Der Kläger wandte sich gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis. Ihm war 2008 und 2009 vom Strafgericht wegen Trunken­heits­fahrten mit Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tra­tionen (BAK) von 1,4 und 1,48 Promille jeweils die Fahrerlaubnis entzogen worden. Aufgrund eines positiven medizinisch- psychologischen Gutachtens wurde ihm im Juni 2016 die Fahrerlaubnis wiedererteilt. Am 1. September 2017 wurde der Kläger als Führer eines Kraftfahrzeugs unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt. Die bei ihm entnommene Blutprobe wies eine BAK von 1,04 Promille auf. Der Kläger behauptete später, dass dies auf einem Nachtrunk beruht habe. Das gegen ihn eingeleitete strafrechtliche Ermitt­lungs­ver­fahren wurde eingestellt und der Vorgang an die Bußgeldstelle abgegeben. Ob ein Ordnungs­wid­rig­keits­ver­fahren eingeleitet wurde und wie es gegebenenfalls endete, konnte nicht festgestellt werden; der Vorgang wurde bei der Bußgeldstelle aus daten­schutz­recht­lichen Gründen gelöscht. Mit Schreiben vom 9. Mai 2019 forderte der beklagte Landkreis vom Kläger gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Nachdem der Kläger das Gutachten nicht beibrachte, entzog ihm der Beklagte die Fahrerlaubnis.

OVG: § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV rechtfertigt Beibrin­gungs­auf­for­derung nicht

Der vom Kläger daraufhin erhobenen Anfech­tungsklage gegen die Fahrer­laub­nis­ent­ziehung hat das Verwal­tungs­gericht Neustadt an der Weinstraße stattgegeben. Diese Entscheidung hat das Oberver­wal­tungs­gericht Rheinland-Pfalz geändert und die Klage abgewiesen. Die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei rechtmäßig erfolgt. Der vom Beklagten als Rechtsgrundlage angeführte § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV (… wiederholt Zuwider­hand­lungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss …) rechtfertige die Beibrin­gungs­auf­for­derung allerdings nicht. Für die Anwendung dieser Vorschrift genüge nicht jeder Verstoß gegen eine Verkehrs­vor­schrift; er müsse straf- oder bußgeld­rechtlich geahndet worden sein. Daher könne der Beklagte die Anwendung der genannten Regelung nicht auf den Vorfall vom 1. September 2017 stützen. Stattdessen finde die Aufforderung an den Kläger, ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen, die erforderliche Rechtsgrundlage jedoch im Auffang­tat­bestand des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV (… sonst Tatsachen die Annahme von Alkohol­miss­brauch begründen …). Solche Tatsachen ergäben sich hier daraus, dass der Kläger im Juli 2009 ein Kraftfahrzeug mit einer BAK von 1,48 Promille geführt habe und ihm deshalb die Fahrerlaubnis entzogen worden sei. Außerdem sei bei ihm nach dem Verkehrsunfall vom 1. September 2017 eine BAK von 1,04 Promille festgestellt worden. Der vom Kläger behauptete Nachtrunk sei eine unglaubhafte Schutz­be­hauptung; er habe hierzu keine substanziierten und schlüssigen Angaben gemacht.

Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV erfüllt

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung des Berufungs­ge­richts lagen die Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV vor. Eine Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss im Sinne dieser Vorschrift ist auch dann gegeben, wenn eine als Ordnungs­wid­rigkeit einzustufende Trunkenheitsfahrt ordnungs­wid­rig­keits­rechtlich nicht geahndet worden ist, aber mit hinreichender Gewissheit feststeht, dass der Betroffene die Zuwiderhandlung begangen hat und sie in zeitlicher Hinsicht noch verwertbar ist. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Dass das Oberver­wal­tungs­gericht die Behauptung des Klägers, er habe den Alkohol erst nach Beendigung der Fahrt zu sich genommen, nicht als glaubhaft angesehen hat, ist nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf die Tilgungsfristen für geahndete Zuwider­hand­lungen bestanden auch gegen die Verwertung der Trunken­heitsfahrt vom 1. September 2017 keine Bedenken.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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