13.12.2024
13.12.2024  
Sie sehen einen Teil der Glaskuppel und einen Turm des Reichstagsgebäudes in Berlin.

Dokument-Nr. 33599

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Bundesverwaltungsgericht Urteil19.12.2023

Kein Anspruch auf Entfernung von Kreuzen in Dienstgebäuden des Freistaats BayernRechte anderer Weltanschauungs­gemeinschaften werden durch die Kreuze nicht verletzt

Der Freistaat Bayern muss nicht die gemäß dem sog. Kreuzerlass angebrachten Kreuze in seinen Dienstgebäuden entfernen. Das hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Die Kläger sind als Körperschaften des öffentlichen Rechts verfasste Weltan­schau­ungs­ge­mein­schaften und wenden sich gegen den im Jahr 2018 in Kraft getretenen § 28 der Allgemeinen Geschäfts­ordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO) und dessen Umsetzung. Nach dieser Vorschrift ist im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen. Ferner empfiehlt § 36 AGO sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, nach dieser Geschäfts­ordnung zu verfahren. In den Vorinstanzen hatten die Kläger keinen Erfolg. Nach Auffassung des Bayerischen Verwal­tungs­ge­richtshofs begründen der sog. Kreuzerlass und die auf seiner Grundlage veranlasste Aufhängung von Kreuzen zwar einen Verstoß gegen die objektiv- rechtliche Verpflichtung des Staates zur weltanschaulich-religiösen Neutralität. Ein Eingriff in die Grundrechte der Kläger aus Art. 4 und Art. 3 GG liege aber nicht vor. Das Begehren auf Abgabe einer Empfehlung an die sonstigen Personen des öffentlichen Rechts, die in Befolgung von Art. 36 AGO angebrachten Kreuze zu entfernen, sei unzulässig.

Kein "Konfron­ta­ti­o­ns­schutz" für Bund für Geistesfreiheit

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Revisionen zurückgewiesen. Die Klage auf Aufhebung des § 28 AGO (BVerwG 10 C 3.22) ist unzulässig. Diese Vorschrift ist eine bloße Verwal­tungs­vor­schrift ohne rechtliche Außenwirkung und verletzt deshalb keine Rechte der Kläger. Für die Kläger besteht effektiver Rechtsschutz gegen die gemäß dem Kreuzerlass angebrachten Kreuze. Ihre hierauf gerichtete Klage im Verfahren BVerwG 10 C 5.22 ist jedoch unbegründet. Die angebrachten Kreuze stellen zwar für den objektiven Betrachter ein zentrales Symbol des christlichen Glaubens dar. Sie verletzen die Kläger jedoch in keiner eigenen von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG umfassten Freiheits­ge­währ­leistung. Insbesondere genießen die Kläger als kollektive Grund­recht­s­träger keinen Konfron­ta­ti­o­ns­schutz gegenüber im Eingangsbereich von Behörden angebrachten Kreuzen.

BVerwG sieht keine Diskriminierung durch das Kreuz

Auch das grundrechtliche Diskriminierungsverbot wegen des Glaubens gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG in Verbindung mit dem verfas­sungs­recht­lichen Grundsatz der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates wird nicht verletzt. Danach darf der Staat zwar nicht bestimmte Glaubens­ge­mein­schaften privilegieren. Eine Bevorzugung christlicher Glaubens­ge­mein­schaften hat der Verwal­tungs­ge­richtshof aber für das Revisi­ons­gericht bindend in tatsächlicher Hinsicht gerade nicht festgestellt, sondern einen Werbeeffekt für diese durch die Anbringung der Kreuze verneint. Aus dem Grundsatz religiös-weltan­schau­licher Neutralität ergibt sich nichts Weiteres zugunsten der Kläger. Er verlangt vom Staat keinen vollständigen Verzicht auf religiöse Bezüge im Sinne einer strengen Laizität, sondern verpflichtet ihn zur Offenheit gegenüber der Vielfalt weltanschaulich-religiöser Überzeugungen und verbietet ihm die Identifikation mit einem bestimmten Glauben. Nach dem Kontext und Zweck der Verwendung des Kreuzessymbols identifiziert sich der Freistaat Bayern durch die Aufhängung von Kreuzen nicht mit christlichen Glaubenssätzen. Schon nach dem Wortlaut der im Gesetz- und Verord­nungsblatt veröf­fent­lichten Regelung des § 28 AGO soll das Kreuz vielmehr Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns sein. Seine Anbringung im Eingangsbereich von Behörden steht der Offenheit des Staates gegenüber anderen Bekenntnissen und Weltan­schauungen nicht im Weg. Das Begehren auf Abgabe einer Empfehlung an die sonstigen Personen des öffentlichen Rechts, die in Befolgung von Art. 36 AGO angebrachten Kreuze zu entfernen, ist bereits unzulässig. Ein Anspruch auf Abgabe einer verwal­tungs­in­ternen Empfehlung ohne rechtliche Außenwirkung besteht nicht.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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