21.11.2024
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Dokument-Nr. 30459

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Bundesverwaltungsgericht Urteil24.06.2021

Keine rechtsmiss­bräuchliche Vaterschafts­anerkennung bei persönlichen Beziehungen zwischen Vater und KindAufent­halts­rechtliche Wirkungen der Vaterschafts­anerkennung unvermeidbar

Die Anerkennung der Vaterschaft eines nichtdeutschen Kindes durch einen Vater deutscher Staats­an­ge­hö­rigkeit erfolgt "nicht gezielt gerade zu dem Zweck", die aufenthalts­rechtlichen Voraussetzungen für Einreise und Aufenthalt zu schaffen, wenn sie auch der Begründung, Fortsetzung oder Vertiefung einer Eltern-Kind-Beziehung dient. Das hat das Bundes­verwaltungs­gerichts entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger ist deutscher Staats­an­ge­höriger und Beamter im Dienst des Auswärtigen Amtes, der an verschiedenen Botschaften eingesetzt war. Er ist im Rechtssinne Vater von neun Kindern, deren leiblicher Vater er nach seinen Angaben ist. Drei dieser Kinder sind aus der Ehe mit einer japanischen Staats­an­ge­hörigen hervorgegangen. Bei sechs weiteren Kindern aus verschiedenen Beziehungen, mit denen er teils zusammenlebt oder denen er Unterhalt gewährt, hat er die Vaterschaft anerkannt. Während seines Dienstes in Kamerun lernte er den 2001 geborenen Sohn einer kamerunischen Staats­an­ge­hörigen kennen. Ende 2016 erkannte er dessen Vaterschaft notariell an. Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Kamerun lehnte es in der Folgezeit ab, die Zustim­mungs­er­klärung der Mutter zur Vaterschaftsanerkennung zu beurkunden, und stellte mit dem angefochtenen Bescheid vom April 2018 fest, dass diese Zustim­mungs­er­klärung missbräuchlich sei (§ 85 a AufenthG i.V.m. § 1597 a BGB).

OVG: Enges Verständnis einer "missbräuch­lichen" Vater­schafts­a­n­er­kennung geboten

Die hiergegen gerichtete Klage des Klägers hat das Verwal­tungs­gericht abgewiesen. Das Oberver­wal­tungs­gericht hat der Berufung des Klägers stattgegeben, weil die Vater­schafts­a­n­er­kennung nicht missbräuchlich (§ 1597 a Abs. 1 BGB) sei. Nicht zuletzt aus verfas­sungs­recht­lichen Gründen sei ein enges Verständnis einer "missbräuch­lichen" Vater­schafts­a­n­er­kennung geboten; eine solche liege nur vor, wenn der alleinige Zweck der Anerkennung darin bestehe, die rechtlichen Voraussetzungen für eine ansonsten verwehrte Einreise bzw. einen ansonsten verwehrten Aufenthalt zu schaffen. Anhaltspunkte, die im Fall für eine rein aufent­halts­rechtlich motivierte Vater­schafts­a­n­er­kennung durch den Kläger sprechen könnten, seien durch gewichtige Umstände, u.a. das Bestehen persönlicher Bindungen, entkräftet. Mit ihrer Revision hat die Bundesrepublik Deutschland u.a. geltend gemacht, für die Annahme einer "missbräuch­lichen", auf die aufent­halts­recht­lichen Folgen gerichteten Vater­schafts­a­n­er­kennung sei ausreichend, dass der aufent­halts­rechtliche Zweck ein prägender sei.

BVerwG: Anerkennung der Vaterschaft zwangsläufig auch mit aufent­halts­rechtliche Wirkung verbunden

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Revision zurückgewiesen. Die Anerkennung der Vaterschaft eines minderjährigen Kindes nichtdeutscher Staats­an­ge­hö­rigkeit durch einen deutschen Staats­an­ge­hörigen zeitigt zwangsläufig (auch) aufent­halts­rechtliche Wirkungen. Diese darf ein die Vaterschaft Anerkennender auch wollen und bezwecken. Im Sinne des § 1597 a Abs. 1 BGB "nicht gezielt gerade zu dem Zweck" solcher aufent­halts­recht­lichen Wirkungen erfolgt eine Vater­schafts­a­n­er­kennung jedenfalls dann, wenn mit ihr ein über die aufent­halts­recht­lichen Wirkungen hinausgehender, rechtlich anzuerkennender Zweck verfolgt wird. Dieser Zweck muss auf die Begründung, Fortsetzung oder Vertiefung einer Eltern-Kind-Beziehung bezogen sein. Aus der Vater­schafts­a­n­er­kennung resultierende Rechte und Pflichten muss der Anerkennende auch tatsächlich wahrnehmen ("leben") wollen.

Zweck der Vater­schafts­a­n­er­kennung ist die Fortführung und Vertiefung einer Eltern-Kind-Beziehung

Das konkrete Maß der tatsächlichen Wahrnehmung hat die Vielfalt grundrechtlich geschützter Möglichkeiten zu berücksichtigen, Eltern-Kind-Beziehungen autonom und weitestgehend frei von staatlichen Vorgaben auszugestalten; es gibt kein staatlich vorgeprägtes Bild eines Eltern-Kind-Verhältnisses. Ein solches, auch erst anzustrebendes Verhältnis umfasst indes notwendig auch Elemente von elterlicher Verantwortung, ohne dass diese in allen Dimensionen wahrgenommen werden muss. Eine häusliche Gemeinschaft ist nicht erforderlich; auch eine geistig-emotionale Nähebeziehung kann ausreichen. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hat die Auslän­der­behörde aufgrund einer umfassenden Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen. Nach diesen Grundsätzen hat das Oberver­wal­tungs­gericht im Ergebnis zutreffend verfah­rens­feh­lerfrei die Fortführung und Vertiefung einer Eltern-Kind-Beziehung im Bundesgebiet als Zweck der Vater­schafts­a­n­er­kennung gesehen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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