23.11.2024
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Dokument-Nr. 23248

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Beschluss03.05.2016Bundesverfassungsgericht2 BvR 2349/15
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2016, 2799Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2016, Seite: 2799
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Augsburg, Beschluss06.10.2015, 61 Gs 6885/15
  • Landgericht Augsburg, Beschluss06.11.2015, 3 Qs 562/15
ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss03.05.2016

BVerfG: Speicherung des DNA-Musters zur Identitäts­fest­stellung bedarf Wieder­ho­lungs­gefahr für Straftaten von erheblicher BedeutungUnzulässige Anordnung einer DNA-Identitäts­fest­stellung bei fehlender begründeter Negativprognose

Soll die DNA eines Straftäters zur Identitäts­fest­stellung gemäß § 81 g der Straf­pro­zess­ordnung (StPO) untersucht werden, so bedarf es einer Prognose­entscheidung dahingehend, dass die Gefahr der Begehung einer erneuten Straftat von erheblicher Bedeutung durch den Straftäter besteht. Wird diese Negativprognose nicht oder nur unzureichend begründet, so ist die Anordnung zur DNA-Identitäts­fest­stellung wegen Verstoßes gegen das informationelle Selbst­bestimmungs­recht (Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG) verfas­sungs­widrig. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­verfassungs­gerichts hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im November 2014 wurde ein nicht vorbestrafter Mann vom Amtsgericht Augsburg wegen gefährlicher Körper­ver­letzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Da nach Überzeugung des Amtsgerichts das Tatgeschehen von einem hohen Maß anBrutalität und Gewalt­be­reit­schaft gezeugt habe, ordnete es die moleku­la­r­ge­ne­tische Untersuchung der Körperzellen des Verurteilten zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren an. Dagegen wehrte sich dieser mit seiner Beschwerde. Das Landgericht Augsburg schloss sich der Ansicht des Amtsgerichts an und wies die Beschwerde zurück. Der Verurteilte erhob nunmehr Verfas­sungs­be­schwerde. Seiner Auffassung nach verletze die Anordnung zur DNA-Identi­täts­fest­stellung sein Grundrecht auf informationelle Selbst­be­stimmung.

Verstoß gegen infor­ma­ti­o­nelles Selbst­be­stim­mungsrecht durch Anordnung zur DNA-Identi­täts­fest­stellung

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschied zu Gunsten des Verurteilten und hob daher die Entscheidung des Amtsgerichts und des Landgerichts auf. Die Anordnung zur DNA-Identi­täts­fest­stellung gemäß § 81 g StPO habe das informationelle Selbst­be­stim­mungsrecht des Verurteilten verletzt. Notwendig für eine solche Anordnung sei, dass wegen der Art oder der Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Verurteilten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme bestehe, dass gegen ihn erneute Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen seien. Diese Progno­se­ent­scheidung haben beide Gerichte nicht vorgenommen.

Fehlende Negativprognose begründet Verfas­sungs­wid­rigkeit der Anordnung

Beide Gerichte haben sich pauschal auf eine erhebliche Gewalt­be­reit­schaft des Verurteilten gestützt, so das Bundes­ver­fas­sungs­gericht, ohne auf die Umstände einzugehen, die das Vorliegen einer Negativprognose habe in Frage stellen können. So sei unberück­sichtigt geblieben, dass der Verurteilte geständig war, nicht vorbestraft war, ein hohes Maß an Einsicht zeigte und dem Geschädigten bereits im Vorfeld des Strafprozesses Schmerzensgeld angeboten hatte. Zudem habe nicht außer Betracht bleiben dürfen, dass die Straftat zum Zeitpunkt der moleku­la­r­ge­ne­tischen Untersuchung mehr als zwei Jahre zurücklag, ohne dass der Verurteilte nochmals auffällig geworden sei, und dass die verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden war.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (vt/rb)

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