18.10.2024
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Sie sehen einen Teil der Glaskuppel und einen Turm des Reichstagsgebäudes in Berlin.

Dokument-Nr. 26390

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Beschluss03.11.2017Bundesverfassungsgericht2 BvR 2135/09
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2018, 531Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2018, Seite: 531
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Weimar, Beschluss07.09.2009, 1 M 623/09
  • Landgericht Erfurt, Beschluss10.09.2009, 2 T 396/09
ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss03.11.2017

BVerfG: Dauer der Erzwingungshaft zur Abgabe der eidess­tatt­lichen Versicherung muss sich nicht an Dauer der Ordnungshaft richtenErzwingungshaft von bis zu 6 Monaten verhältnismäßig

Die Dauer einer Haft zwecks Erzwingung der Abgabe einer eidess­tatt­lichen Versicherung zur Vermö­gens­auskunft muss sich nicht an die Dauer der ersatzweise zum Ordnungsgeld angeordneten Ordnungshaft richten. Demnach ist eine Erzwingungshaft von bis zu 6 Monaten auch dann verhältnismäßig, wenn die Ordnungshaft nur zwei Tage beträgt. Dies hat das Bundes­verfassungs­gericht entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall musste ein Mann wegen eines Verstoßes gegen eine Unter­las­sungs­ver­fügung des Amtsgerichts Weimar ein Ordnungsgeld von 1.000 EUR zahlen. Ersatzweise war eine Ordnungshaft von zwei Tagen angeordnet. Da der Mann jegliche Mithilfe bei der anschließenden Zwangs­voll­streckung unterließ, war eine Pfändung des Ordnungsgeldes nicht möglich. Zudem weigerte sich der Mann die eidesstattliche Versicherung zur Vermögensauskunft abzugeben. Das Amtsgericht Weimar ordnete daraufhin im Juni 2009 Haft zwecks Erzwingung der Abgabe der eidess­tatt­lichen Versicherung an. Nach neun Tagen in Haft beantragte der Mann die Aufhebung des Haftbefehls, da er die Erzwingungshaft für unver­hält­nismäßig hielt. Seiner Meinung nach dürfe die Erzwingungshaft nicht länger andauern als die ersatzweise angeordnete Ordnungshaft. Sowohl das Amtsgericht Weimar als auch das Landgericht Erfurt sahen dies anders. Der Mann legte daraufhin Verfas­sungs­be­schwerde ein.

Verhält­nis­mä­ßigkeit der Erzwingungshaft

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschied gegen den Mann. Die angeordnete Erzwingungshaft gemäß § 802 g Abs. 1 der Zivil­pro­zess­ordnung (ZPO) sei verhältnismäßig. Die Vorschrift regle zunächst keine bestimmte Haftdauer. Vielmehr gehe das Gesetz davon aus, dass die Haft solange andauere bis der Schuldner die eidesstattliche Versicherung abgebe. Es bestimme lediglich in § 802 j Abs. 1 ZPO eine Maximaldauer von sechs Monaten. Eine mögliche Haftdauer von sechs Monaten bedeute auch für den Schuldner einer relativ geringfügigen Forderung keine übermäßige und unzumutbare Belastung. Es sei zu beachten, dass der Schuldner die Haft durch Abgabe der eidess­tatt­lichen Versicherung jederzeit beenden könne. Habe er tatsächlich keinen pfändbaren Vermö­gens­ge­genstand, so erleide er durch die Offenlegung seiner Vermö­gens­ver­hältnisse keinen Nachteil. Sei er aber zahlungsfähig und wolle er nur sein Vermögen verheimlichen, so verdiene er keinen Schutz.

Dauer der Erzwingungshaft muss sich nicht an Dauer der Ordnungshaft richten

Die Dauer der Erzwingungshaft müsse sich auch nicht an die Dauer der Ordnungshaft richten, so das Bundes­ver­fas­sungs­gericht. Dies ergebe sich aus deren unter­schied­licher Natur und verschiedenen Zwecken. Die Ordnungsmittel haben einen doppelten Zweck. Sie dienen zum einen präventiv der Verhinderung zukünftiger Zuwider­hand­lungen. Zum anderen stellen sie repressiv eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots dar. Die Bestrafung müsse dabei in angemessenem Verhältnis zu dem Gewicht des Verstoßes stehen. Demgegenüber handle es sich bei der Erzwingungshaft um ein Beugemittel zur Erzwingung eines vom Gesetz befohlenen Verhaltens. Ihr komme ausschließlich Beugecharakter zu. Die Erzwingungshaft sei weder Sanktion für die Nichtzahlung des Ordnungsgeldes noch Sanktion für den Verstoß gegen das Unter­las­sungsgebot.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (vt/rb)

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