21.11.2024
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Dokument-Nr. 33726

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Bundesverfassungsgericht Beschluss20.12.2023

Verfassungs­beschwerde gegen eine strafrechtliche Verurteilung nach einem verständigungs­basierten Geständnis erfolgreichFormal­ge­ständnis für Verurteilung nicht ausreichend

Das Bundes­verfassungs­gericht hat einer Verfassungs­beschwerde gegen eine strafrechtliche Verurteilung stattgegeben. Grundlage dieser Verurteilung war eine geständige Einlassung des Beschwer­de­führers nach einer Verständigung.

Das Amtsgericht verurteilte den Beschwer­de­führer wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266 a Strafgesetzbuch – StGB) in 26 Fällen zu einer Gesamt­frei­heits­strafe, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. In der Haupt­ver­handlung schlug der Vorsitzende eine Verständigung gemäß § 257 c StPO vor. Für den Fall einer geständigen Einlassung werde dem Beschwer­de­führer eine Gesamt­frei­heits­strafe zwischen einem Jahr und einem Jahr und drei Monaten zugesichert, die zur Bewährung ausgesetzt werden solle. Der Beschwer­de­führer und der Vertreter der Staats­an­walt­schaft stimmten der Verständigung zu. Der Pflicht­ver­teidiger gab für den Beschwer­de­führer sodann folgende Erklärung ab: „Herr D. bestätigt die Tatvorwürfe aus der Anklage. Herr D. war Geschäftsführer der Firma und beschäftigte viele Arbeitnehmer aus Osteuropa. Ob dieser Personenkreis unternehmerisch tätig war oder nicht, war ihm nicht wichtig. Ihn hat nicht interessiert, ob die Arbeitnehmer anzumelden sind oder dies bereits geschah. Er hat sich um die Dinge nicht gekümmert, er nahm die Konsequenzen in Kauf. Der Tatvorwurf wird als bestätigt eingeräumt. Der Beschwer­de­führer bestätigte diese Erklärung mit den Worten: „Das ist richtig so“. Nach den Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaft­lichen Verhältnissen und der Verlesung eines Auszugs aus dem Bundes­zen­tra­l­re­gister wurde die Beweisaufnahme geschlossen. Der Beschwer­de­führer legte gegen das amtsge­richtliche Urteil Sprungrevision ein, die das Oberlan­des­gericht als unbegründet verwarf.

Ein Geständnis allein stützt keine Verurteilung

Die Urteile des AG und des OLG verletzen den Beschwer­de­führer in seinem Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. § 257 c Abs. 1 Satz 2 StPO schließt jede Disposition über Gegenstand und Umfang der dem Gericht von Amts wegen obliegenden Pflicht zur Aufklärung des mit der Anklage vorgeworfenen Geschehens aus. Eine Verständigung kann niemals als solche die Grundlage eines Urteils bilden. Weiterhin maßgeblich bleibt allein und ausschließlich die – ausreichend fundierte – Überzeugung des Gerichts von dem von ihm festzu­stel­lenden Sachverhalt. Das AG und das OLG haben den verfas­sungs­recht­lichen Schutzgehalt des § 257 c Abs. 1 Satz 2 StPO verkannt. Die Verurteilung des Beschwer­de­führers beruht auf einer unzureichenden Erforschung der materiellen Wahrheit. Das Geständnis des Beschwer­de­führers hätte vernünf­ti­gerweise nicht als alleinige Grundlage zu seiner Verurteilung herangezogen werden dürfen. Das Verfahren im Zusammenhang mit § 266 a StGB ist als komplex einzustufen. Der Tatvorwurf erstreckt sich auf 26 Taten, die die Beschäftigung von mindestens 36 Personen in einem Zeitraum von fast drei Jahren betreffen und einen Schaden von mutmaßlich nahezu einer halben Million Euro umfassen. Die Qualität des verstän­di­gungs­ba­sierten Geständnisses des Beschwer­de­führers ist insgesamt als gering einzuschätzen und dürfte kaum über ein Formal­ge­ständnis hinausgehen. Die oberflächlichen und teilweise mehrdeutigen Ausführungen des Beschwer­de­führers lassen es als äußerst zweifelhaft erscheinen, dass sich der Tatrichter allein auf dieser Basis vom Vorliegen der objektiven und subjektiven Tatbe­stands­merkmale des Straf­tat­be­standes überzeugen konnte. Es ist insbesondere nicht erkennbar, dass das AG bei Würdigung der Aussagekraft der geständigen Einlassung berücksichtigt hätte, dass der Beschwer­de­führer das Geständnis nicht persönlich vortrug, sondern durch seinen Verteidiger verlesen ließ. Das amtsge­richtliche Urteil lässt besorgen, dass sich der Tatrichter keine ausreichend fundierte Überzeugung von der Schadenshöhe verschafft hat. Diese stellt einen wesentlichen Faktor der Strafzumessung bei § 266 a StGB dar. Das AG hat wohl allein anhand der Einlassung des Beschwer­de­führers, die Anklage als richtig zu bestätigen, darauf geschlossen, dass der sozia­l­ver­si­che­rungs­rechtliche Schaden 494.793,19 Euro betragen haben muss.

Es gibt eine zwingende Überprü­fungs­pflicht

Die Erfor­der­lichkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte sich dem AG nach alldem aufdrängen müssen. Das verstän­di­gungs­ba­sierte Geständnis ist zwingend durch Beweiserhebung in der Haupt­ver­handlung auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Gleichwohl hat das AG das Geständnis des Beschwer­de­führers in den Urteilsgründen weder hinreichend erläutert noch es einer erforderlichen Prüfung durch formelle Beweiserhebung oder auf andere Weise unterzogen. So erscheint es als zweifelhaft, ob sich das AG der Bedeutung der trotz des Geständnisses fortbestehenden Aufklä­rungs­pflicht nach § 257 c Abs. 1 Satz 2, § 244 Abs. 2 StPO tatsächlich bewusst war. Es lässt sich keinesfalls von vornherein sicher ausschließen, dass eine weitere Beweiserhebung zur Überprüfung des verstän­di­gungs­ba­sierten Geständnisses vorliegend einen weiteren Erkennt­nis­gewinn versprochen hätte.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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