21.11.2024
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Dokument-Nr. 31148

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Bundesverfassungsgericht Beschluss22.11.2021

Erfolglose Verfassungs­beschwerde gegen Urteile wegen „Cum-Ex-Aktien­ge­schäften“ von in diesem Verfahren nicht angeklagten Beschwer­de­führernZulässigkeit der Verfassungs­beschwerde steht Subsi­dia­ri­täts­­­grundsatz entgegen

Das Bundes­verfassungs­gericht hat eine Verfassungs­beschwerde wegen Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen, mit der sich die Beschwer­de­führer gegen Strafurteile wegen sogenannter „Cum-Ex-Aktiengeschäfte“ wenden. Der Beschwer­de­führer zu 2 ist durch die angegriffenen Rechtsakte nicht selbst betroffen und damit nicht beschwer­de­befugt. Die Verfassungs­beschwerde des Beschwer­de­führers zu 1 genügt den Begründungs- und Substan­ti­ierungs­anforderungen nicht. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass es beide Beschwer­de­führer unternommen hätten, fachgerichtlich gegen die Veröf­fent­lichung der Entscheidungen und die Presse­mit­teilung des Bundes­ge­richtshofs vorzugehen, sodass der Zulässigkeit der Verfassungs­beschwerde auch der Subsidiaritäts­grundsatz entgegensteht.

Die Beschwer­de­führer – Anteilseigner einer deutschen Privatbank – wenden sich gegen Urteile des Landgerichts Bonn und des Bundes­ge­richtshofs. Das Landgericht Bonn hatte deutschlandweit die ersten Angeklagten wegen sogenannter „Cum-Ex-Aktiengeschäfte“ verurteilt. Die Beschwer­de­führer selbst waren in diesem Verfahren nicht angeklagt. In den Urteilsgründen ist allerdings ausgeführt, dass der Beschwer­de­führer zu 1 gemein­schaftlich mit weiteren Dritten in mehreren Fällen vorsätzlich und rechtswidrig den Tatbestand der Steuer­hin­ter­ziehung verwirklicht habe, wozu die Angeklagten Hilfe geleistet hätten. Zum Beschwer­de­führer zu 2 enthält das Urteil keine Ausführungen. Der Bundes­ge­richtshof verwarf ganz überwiegend die gegen das Urteil gerichteten Revisionen. Beide angegriffenen Urteile wurden – anonymisiert – veröffentlicht. Der Bundes­ge­richtshof gab zudem eine Presse­mit­teilung heraus. Die Beschwer­de­führer sind der Ansicht, Landgericht und Bundes­ge­richtshof hätten die Unschuldsvermutung missachtet. Die Veröf­fent­lichung der Urteile sowie die Presse­mit­teilung des Bundes­ge­richtshofs verletzten sie zudem in ihrem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht.

BVerfG: Keine Beschwer­de­be­fugnis wegen fehlende unmittelbare Betroffenheit

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Der Beschwer­de­führer zu 2 ist nicht beschwer­de­befugt. Er ist nicht selbst durch die angegriffenen Urteile betroffen, weil er dort nicht genannt wird. Eine eigene Betroffenheit lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass sein Name mit der Privatbank „untrennbar verbunden“ sei, denn dies ändert nichts daran, dass die angegriffenen Urteile keine Feststellungen zu seiner Person enthalten. Soweit der Beschwer­de­führer zu 2 eine eigene Betroffenheit aus einem gegen ihn gerichteten, die angegriffenen Urteile in Bezug nehmenden Verwal­tungs­ver­fahren der Bundesanstalt für Finanz­dienst­leis­tungs­aufsicht abzuleiten sucht, fehlt es an der Unmittelbarkeit der Betroffenheit. Etwas Anderes folgt auch nicht aus der Richtlinie (EU) 2016/343. Die Mitgliedstaaten müssen danach sicherstellen, dass, solange die Schuld eines Verdächtigen oder einer beschuldigten Person nicht rechtsförmlich nachgewiesen wurde, unter anderem in gerichtlichen Entscheidungen „nicht so auf die betreffende Person Bezug genommen wird, als sei sie schuldig“. Dies ist in Bezug auf den Beschwer­de­führer zu 2 nicht der Fall, da die angegriffenen Urteile auf seine Person nicht Bezug nehmen und auch keine Feststellungen über seine strafrechtliche Schuld enthalten.

Ausein­an­der­setzung mit BVerfG-Rechtsprechung zu Unschulds­ver­mutung fehlt

Die Verfas­sungs­be­schwerde des Beschwer­de­führers zu 1 genügt den Begründungs- und Substan­ti­ie­rungs­an­for­de­rungen nicht. Richtet sich die Verfas­sungs­be­schwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, erfordert die substantiierte Darlegung einer Grund­rechts­ver­letzung die argumentative Ausein­an­der­setzung mit den Gründen der angegriffenen Entscheidungen. Liegt zu den mit der Verfas­sungs­be­schwerde aufgeworfenen Verfas­sungs­fragen Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vor, ist der behauptete Grund­rechts­verstoß in Ausein­an­der­setzung mit den verfas­sungs­ge­richtlich entwickelten Maßstäben zu begründen. Diesen Anforderungen wird die Verfas­sungs­be­schwerde nicht gerecht. Der Beschwer­de­führer zu 1 hat sich, soweit er eine Verletzung der Unschulds­ver­mutung behauptet, nicht mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts ausein­an­der­gesetzt. In vergleichbarer Konstellation hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht – im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – eine Verletzung der Unschulds­ver­mutung verneint. Im Übrigen haben beide Beschwer­de­führer den Rechtsweg nicht im Sinne des § 90 Abs. 2 BVerfGG erschöpft. Es ist vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich, dass bezüglich der Veröf­fent­lichung der angegriffenen Entscheidungen und der Presse­mit­teilung des Bundes­ge­richtshofs kein fachge­richt­licher Rechtsschutz zu erlangen gewesen wäre.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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