14.12.2024
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Dokument-Nr. 33629

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Bundesverfassungsgericht Beschluss18.12.2023

Erfolgreiche Verfassungs­beschwerde eines türkischen Staats­an­ge­hörigen gegen seine Auslieferung in die TürkeiBundes­verfassungs­gericht stoppt Auslieferung an Türkei

Das Bundes­verfassungs­gericht hat der Verfassungs­beschwerde eines türkischen Staats­an­ge­hörigen stattgegeben, der sich gegen seine Auslieferung in die Türkei wendet.

Der Beschwer­de­führer befindet sich derzeit im Maßregelvollzug. Die türkischen Behörden ermitteln gegen ihn wegen des Verdachts der bandenmäßigen Einfuhr von Betäu­bungs­mitteln in die Türkei und haben ein Ersuchen um Auslieferung zur Strafverfolgung gestellt. Der Beschwer­de­führer befürchtet, in der Türkei nicht persönlich im Gerichtssaal an einer gegen ihn geführten Haupt­ver­handlung teilnehmen zu dürfen. Das Oberlan­des­gericht hat die Auslieferung des Beschwer­de­führers für zulässig erklärt und einen Antrag auf Aufschub der Auslieferung abgelehnt. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwer­de­führer unter anderem eine Verletzung in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG. Das Oberlan­des­gericht habe die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht ausreichend erfasst, der zufolge Art. 6 EMRK einer teilweisen Substitution der persönlichen Anwesenheit durch Ton-Bild-Übertragung nur in besonders gelagerten Fällen nicht entgegenstehe.

OLG-Entscheidung stellt Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz dar

Nach Überzeugung des BVerfG ist die Verfas­sungs­be­schwerde "offensichtlich begründet". Die angegriffene Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts verletzt den Beschwer­de­führer in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG. Das OLG hat nicht ausreichend aufgeklärt, ob der Beschwer­de­führer nach seiner Auslieferung in einer Weise an der erstin­sta­nz­lichen straf­recht­lichen Haupt­ver­handlung beteiligt sein wird, die dem Grundsatz des fairen Verfahrens genügt. Das OLG hätte sich, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur herausgehobenen Bedeutung des Rechts eines Angeklagten auf Anwesenheit in der straf­ge­richt­lichen Haupt­ver­handlung, bereits im Ausgangspunkt mit der Frage ausein­an­der­setzen müssen, ob dem Beschwer­de­führer nach türkischem Recht grundsätzlich das Recht zukommt, auf seinen Wunsch hin an einer gegen ihn gerichteten erstin­sta­nz­lichen Haupt­ver­handlung persönlich teilzunehmen.

Sachaufklärung des OLG unzureichend

Die Pflicht des Oberlan­des­ge­richts zur umfassenden Sachaufklärung bezieht sich jedenfalls dann auch auf das einschlägige (Prozess-)Recht des ersuchenden Staates, wenn der Verfolgte – wie hier – substantiiert darlegt, im Falle seiner Auslieferung einem Strafverfahren ausgesetzt zu sein, in dem seinem Recht auf Anwesenheit nicht genügt werde. Gleichwohl hat das Oberlan­des­gericht nicht ermittelt, wie das Anwesen­heitsrecht im Strafverfahren nach türkischem Recht konkret ausgestaltet ist und unter welchen Bedingungen Einschränkungen zugelassen sind. Die an die türkischen Behörden gerichtete Frage, ob „das Anwesen­heitsrecht des Angeklagten in der Haupt­ver­handlung durch den Einsatz von Video­kon­fe­renz­technik gewahrt“ werde, deutet vielmehr eine bereits feststehende Rechts­auf­fassung des Senats an und nimmt das Ergebnis der ihm obliegenden Prüfung, ob der Grundsatz des fairen Verfahrens durch die beabsichtigte Durchführung der anstehenden Haupt­ver­handlung allein mittels Video­kon­fe­renz­technik überhaupt sichergestellt werden kann, in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vorweg.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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