03.12.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss15.11.2024

Besonderes Kirchgeld in glaubens­verschiedener Ehe verfas­sungs­widrigUnter­schiedliche Behandlung von Ehen und Leben­s­part­ner­schaften bei der Heranziehung zum besonderen Kirchgeld stellt mittelbare Ungleich­be­handlung wegen sexueller Orientierung dar

Das Bundes­verfassungs­gerichts hat entschieden, dass § 4 Abs. 1 Nr. 5 des Sächsischen Kirchen­steuer­gesetzes (SächsKiStG) in der bis zum 31. August 2015 geltenden Fassung (a.F.) mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar ist, weil darin Ehegatten nicht mit Lebenspartnern gleichgestellt werden. Die Vorschrift bleibt für Veranlagungs­zeiträume bis zum 31. Dezember 2013 weiter anwendbar.

§ 4 Abs. 1 Nr. 5 SächsKiStG a.F. sieht vor, dass die Kirchensteuer in Form eines besonderen Kirchgelds von Kirchen­steu­er­pflichtigen erhoben werden kann, deren Ehegatten keiner steue­rer­he­benden Kirche angehören (besonderes Kirchgeld in glaubens­ver­schiedener Ehe). Das besondere Kirchgeld zieht als Bemes­sungs­grundlage das zu versteuernde Einkommen beider Ehegatten heran. Vorschriften, die diese Regelung auf eingetragene Leben­s­part­ner­schaften erstrecken, enthielt das Sächsische Kirchen­steu­er­gesetz in der bis zum 31. August 2015 geltenden Fassung nicht. Mit Wirkung zum 1. August 2001 führte der Bundes­ge­setzgeber das Institut der Leben­s­part­ner­schaft ein, dessen Regelungen in weiten Teilen denjenigen der Ehe nachgebildet waren oder auf diese verwiesen.

Mit Beschluss vom 7. Mai 2013 erklärte das BVerfG die einkom­men­steu­er­lichen Vorschriften zum Ehegat­ten­splitting mit Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar, soweit sie eingetragenen Lebenspartnern anders als Ehegatten nicht die Möglichkeit der Zusam­men­ver­an­lagung und die damit verbundene Anwendung des Split­ting­ver­fahrens eröffneten (BVerfGE 133, 377). In Reaktion auf diese Entscheidung wurden noch im Jahr 2013 auf Bundesebene die Regelungen des Einkom­men­steu­er­ge­setzes zu Ehegatten und Ehen auch auf Lebenspartner und Leben­s­part­ner­schaften erstreckt. Dies betraf insbesondere die Möglichkeit der Zusam­men­ver­an­lagung und die damit verbundene Anwendung des Split­ting­ver­fahrens. Sämtliche Länder mit Ausnahme des Landes Sachsen-Anhalt und des Freistaates Sachsen änderten infolge der nunmehr geltenden Rechtslage noch im Jahr 2014 ihre jeweiligen Kirchen­steu­er­gesetze mit Wirkung schon für den damals laufenden Veran­la­gungs­zeitraum 2014. Danach konnten auch eingetragene Lebenspartner zum besonderen Kirchgeld herangezogen werden. Die vom Freistaat Sachsen geplante Änderung des Sächsischen Kirchen­steu­er­ge­setzes kam vor den Landtagswahlen am 31. August 2014 nicht zum Abschluss. Zum 1. September 2015 und mit Wirkung ab dem anschließend beginnenden Verlan­gungs­zeitraum wurde das Gesetz schließlich entsprechend geändert.

Die Klägerin des Ausgangs­ver­fahrens war in den Jahren 2014 und 2015 anders als ihr Ehemann Mitglied einer kirchen­steu­e­rer­he­benden Landeskirche. Das Finanzamt setzte die Kirchensteuer in Form des besonderen Kirchgelds ausgehend von dem zu versteuernden Einkommen beider Eheleute fest. Auf ihre hiergegen gerichtete Klage hat das FG das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob § 4 Abs. 1 Nr. 5 SächsKiStG a.F. mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, soweit darin Ehegatten und Ehen nicht mit Lebenspartnern und Leben­s­part­ner­schaften gleichgestellt werden.

Mittelbare Ungleich­be­handlung wegen der sexuellen Orientierung

Die in § 4 Abs. 1 Nr. 5 SächsKiStG a.F. vorgesehene steuerliche Belastung von zusam­men­ver­an­lagten Ehegatten in glaubens­ver­schiedener Ehe in Form des besonderen Kirchgelds ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, weil darin Ehegatten nicht mit Lebenspartnern gleichgestellt werden. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Verboten ist daher auch ein gleich­heits­widriger Begüns­ti­gungs­aus­schluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen, vergleichbaren Personenkreis aber vorenthalten wird. Der Umstand, dass Ehegatten zum besonderen Kirchgeld herangezogen werden konnten, während dies bei Lebenspartnern nicht der Fall war, stellt eine recht­fer­ti­gungs­be­dürftige, mittelbare Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Orientierung dar. Die Entscheidung einer Person für eine Ehe oder eine eingetragene Leben­s­part­ner­schaft ist kaum trennbar mit ihrer sexuellen Orientierung verbunden.

Ungleich­be­handlung verfas­sungs­rechtlich nicht gerechtfertigt

Diese Ungleich­be­handlung von Ehepaaren und eingetragenen Leben­s­part­ner­schaften ist verfas­sungs­rechtlich nicht gerechtfertigt. Die Institute der Ehe und der eingetragenen Leben­s­part­ner­schaft sind in vergleichbarer Weise rechtlich verbindlich verfasste Lebensformen. Sie weisen in ihren Grundstrukturen bereits seit Einführung der Leben­s­part­ner­schaft im Jahr 2001 nur wenige Unterschiede auf. Der dem besonderen Kirchgeld zugrun­de­liegende Gedanke, dass sich die wirtschaftliche Leistungs­fä­higkeit des einer Kirche angehörenden Ehegatten durch ein hohes Einkommen seines keiner Kirche angehörenden Ehegatten erhöht, trifft auch auf eingetragene Leben­s­part­ner­schaften zu. Da inzwischen auch Lebenspartner bei der Veranlagung zur Einkommensteuer die Zusam­men­ver­an­lagung wählen können, steht nunmehr wie bei Ehegatten das gemeinsam zu versteuernde Einkommen als Hilfsmaßstab für die Bemessung des Lebens­füh­rungs­aufwands zur Verfügung. Für eine Schlech­ter­stellung der Ehe sind sonach keine hinreichend gewichtigen Sachgründe ersichtlich.

Die Ungleich­be­handlung kann insbesondere nicht in Hinblick auf eine etwaige Typisie­rungs­be­fugnis des Landes­ge­setz­gebers gerechtfertigt werden. Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebens­sach­verhalte normativ zusam­men­zu­fassen. Sähe man in den von § 4 Abs. 1 Nr. 5 SächsKiStG a.F. erfassten Sachverhalten eine Typisierung, so müssten die dort allein aufgeführten Ehen als gesetzliches Leitbild einer insti­tu­ti­o­na­li­sierten Verant­wor­tungs­ge­mein­schaft verstanden werden, an deren Bestehen die Besteuerung anknüpft. Dies ist indes nicht der Fall. Auch kann eine so verstandene Typisierung deshalb nicht verfas­sungs­rechtlich gerechtfertigt werden, weil sie mittelbar an die sexuelle Orientierung anknüpft.

Zeit zur Änderung bis zum 30. Juni 2025

Die Regelung bleibt für Veran­la­gungs­zeiträume bis zum 31. Dezember 2013 weiter anwendbar. Erst mit der Einführung der Möglichkeit der Zusam­men­ver­an­lagung auch für eingetragene Leben­s­part­ner­schaften durch den Bundes­ge­setzgeber war ersichtlich, dass die bislang nur bei zusam­men­ver­an­lagten Ehegatten vorgesehene Erhebung des besonderen Kirchgelds gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, und war es dem Landes­ge­setzgeber möglich, die gesetzliche Grundlage für die Einbeziehung der Lebenspartner in die Erhebung des besonderen Kirchgelds zu schaffen. Hierbei ist ihm eine Frist zur Anpassung der Rechtslage bis zum 31. Dezember 2013 einzuräumen. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 30. Juni 2025 den festgestellten Verfas­sungs­verstoß für die Veran­la­gungs­zeiträume 2014 und 2015 rückwirkend zu beseitigen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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