21.11.2024
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Dokument-Nr. 8080

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Urteil30.06.2009Bundesverfassungsgericht2 BvE 2/08; 2 BvE 5/08; 2 BvE 1010/08; 2 BvR 1022/08; 2 BvR 1259/08; 2 BvR 182/09
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Bundesverfassungsgericht Urteil30.06.2009

BVerfG billigt EU-Vertrag von Lissabon, fordert aber mehr Betei­li­gungs­rechte für Bundestag und BundesratGesetz­ge­bungs­organen wird keine hinreichenden Betei­li­gungs­rechte eingeräumt - Begleitgesetz verfas­sungs­widrig

Der EU-Reformvertrag von Lissabon, der 2010 in Kraft treten soll, ist im Grundsatz mit den Grundgesetz vereinbar. Dies hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden. Allerdings stoppte es zunächst die Ratifizierung. Durch den Lissabon-Vertrag werde die staatliche Souveränität Deutschlands nicht zugunsten von EU-Zuständigkeiten eingeschränkt, führten die Richter aus. Hinsichtlich des Begleitgesetzes über die die Beteiligung von Bundestag und Bundesrat urteilten die Richter, dass es gegen die Verfassung verstoße und geändert werden müsse.

Das Zustim­mungs­gesetz zum Vertrag von Lissabon ist mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dagegen verstößt das Gesetz über die Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union insoweit gegen Art. 38 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 GG, als Bundestag und Bundesrat im Rahmen von europäischen Rechtssetzungs- und Vertrag­s­än­de­rungs­ver­fahren keine hinreichenden Betei­li­gungs­rechte eingeräumt wurden. Die Ratifi­ka­ti­o­ns­urkunde der Bundesrepublik Deutschland zum Vertrag von Lissabon darf solange nicht hinterlegt werden, wie die von Verfassungs wegen erforderliche gesetzliche Ausgestaltung der parla­men­ta­rischen Betei­li­gungs­rechte nicht in Kraft getreten ist. Die Entscheidung ist im Ergebnis einstimmig, hinsichtlich der Gründe mit 7:1 Stimmen ergangen.

Sachverhalt

Der Vertrag von Lissabon erweitert - wie seine Vorgänger die Einheitliche Europäische Akte, die Verträge von Maastricht, Amsterdam und Nizza - u.a. die Zuständigkeiten der Europäischen Union, dehnt die Möglichkeiten aus, im Rat mit qualifizierter Mehrheit abzustimmen, verstärkt die Beteiligung des Europäischen Parlaments im Recht­set­zungs­ver­fahren und löst die bisherige Säulenstruktur auf. Gleichzeitig wird der Europäischen Union eine eigene Rechts­per­sön­lichkeit verliehen. Außerdem übernimmt das Vertragswerk Regelungen des gescheiterten Vertrags über eine Verfassung für Europa, wobei er allerdings ausdrücklich auf das Verfas­sungs­konzept und eine entsprechende Bezeichnung verzichtet. Daneben sieht er eine Reihe von Reformen der Institutionen und Verfahren der Europäischen Union vor.

Das Zustim­mungs­gesetz zum Vertrag von Lissabon und die entsprechenden Begleitgesetze durchliefen im Oktober 2008 erfolgreich das deutsche Gesetz­ge­bungs­ver­fahren. Völkerrechtlich ist der Vertrag bisher noch nicht wirksam, weil dies neben der Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten der EU im Einklang mit ihren verfas­sungs­recht­lichen Vorschriften, die Hinterlegung aller 27 Ratifi­ka­ti­o­ns­ur­kunden der Mitgliedstaaten in Rom/Italien voraussetzt. Der Bundespräsident hat, nachdem die Antragsteller und Beschwer­de­führer den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Bundes­ver­fas­sungs­gericht beantragt hatten, die deutsche Ratifi­ka­ti­o­ns­urkunde bisher nicht ausgefertigt. Zur Zeit haben 23 der 27 Mitgliedstaaten ihre Ratifi­ka­ti­o­ns­ur­kunden in Rom hinterlegt. Es fehlen die Urkunden von Irland, Polen, der Tschechischen Republik und die der Bundesrepublik Deutschland.

Der Beschwer­de­führer im Verfahren 2 BvR 1010/08 (Gauweiler), der gleichzeitig Antragsteller im Organ­streit­ver­fahren 2 BvE 2/08 ist, macht mit seiner Verfas­sungs­be­schwerde geltend, dass das Zustim­mungs­gesetz zum Vertrag von Lissabon das Demokra­tie­prinzip, den Grundsatz der souveränen Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland und das Prinzip der Gewaltenteilung verletze. Insbesondere rügt er, dass die Ausweitung der Zuständigkeiten der EU und die Möglichkeit, verbleibende Kompetenzlücken entweder durch eine expansive Rechtsprechung des EuGH oder durch die Anwendung der sog. Flexi­bi­li­täts­klausel selbst zu schließen, zu einer Kompetenz-Kompetenz der EU führen. Außerdem fehle dem Europäischen Rat die demokratische Legitimität, weil mangelnde Transparenz des Entschei­dungs­ver­fahrens und eine zu lange Kette von Vermitt­lungs­schritten der Ableitung der Legitimität von den Mitglieds­s­taaten entgegenstünden. Mit der Erweiterung der Kompetenzen für innere Sicherheit und Strafverfolgung dringe die EU verfassungswidrig in Kerngebiete der Staatlichkeit vor. Auch sei nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren, dass die EU zu einem Völker­rechts­subjekt werde und über einen außen­po­li­tischen Apparat sowie über weitreichende außenpolitische Kompetenzen verfüge. Damit werde sie zu einem eigenen Staat, was mit dem gleichzeitigen Verlust der souveränen Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland verbunden sei. Ebenso sei durch den Vertrag das Gewal­ten­tei­lungs­prinzip verletzt, weil die Bundesregierung über die europäische Ebene vor allem im Rat schwer­punktmäßig Rechts­set­zungs­funktion übernehmen könne und damit als Teil des Rates höherrangiges Recht setze, dass das vom Bundestag erlassene Recht verdränge. Der Beschwer­de­führer meint, dass die Rechts­ver­bind­lichkeit der Grund­recht­s­charta im Vertrag von Lissabon auch sein aus dem Grundgesetz resultierendes Freiheits-, Gleichheits- und Justi­z­grundrecht beeinträchtige, weil insbesondere die Menschenwürde im Rahmen der EU nicht strikt zu beachten sei, sondern der Abwägung mit anderen Rechtsgütern unterworfen werde. Die Bestimmungen der Begleitgesetze zum Vertrag von Lissabon seien ebenfalls nicht mit dem Demokra­tie­prinzip des Grundgesetzes vereinbar.

Mit seinem Antrag im Organ­streit­ver­fahren (2 BvE 2/08) als Mitglied des Deutschen Bundestages macht er ebenfalls eine Verletzung des Demokra­tie­prinzips, sowie darüber hinaus eine Verkürzung der Mitwir­kungs­rechte als Abgeordneter des Deutschen Bundestages geltend. Gleichzeitig rügt er, dass die Kompetenzen des Bundestages durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU ausgehöhlt werden.

Der Beschwer­de­führer im Verfahren 2 BvR 1022/08 (Buchner) macht insbesondere geltend, dass die Übertragung von zahlreichen Zuständigkeiten auf die EU, einem "Ausverkauf ureigenster staatlicher Befugnisse" gleichkomme. Dies manifestiere sich insbesondere in der Auflösung der Säulenstruktur und der Schaffung einer einheitlichen Rechts­per­sön­lichkeit der EU, wodurch sämtliches europäisches Recht supranationalen Charakter erhalte. Außerdem sei das Rechts­s­taats­prinzip verletzt, da der Vertrag von Lissabon keine Grunds­rechtsklage vor dem EuGH vorsehe.

Die von 53 Mitgliedern des Deutschen Bundestages ausdrücklich - ebenso wie vom Beschwer­de­führer im Verfahren 2 BvR 1010/08 - als Bürger der Bundesrepublik Deutschland erhobene Verfas­sungs­be­schwerde (2 BvR 1259/08), begründen sie u.a. damit, dass die Menschenwürde nach dem Vertrag von Lissabon zu einem abwägbaren Rechtsgut werde.

Die Bundes­tags­fraktion "Die Linke" beantragt im Organ­streit­ver­fahren 2 BvE 5/08, die Feststellung, dass das Zustim­mungs­gesetz zum Vertrag von Lissabon den Deutschen Bundestag in seinen grundrechtlich geschützten Rechten als gesetzgebendes Organ verletze. Durch Übertragung von Kompetenzen verliere der Deutsche Bundestag u.a. die Entschei­dungs­be­fugnisse über den Einsatz der deutschen Streitkräfte für den Bereich europäischer Krisen­in­ter­vention. Außerdem sei es mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, dass der Vertrag militärische Kampfeinsätze außerhalb der Union zur "Konflikt­ver­hütung" und zur "Bekämpfung des Terrorismus" zulasse.

Zentrale Gesichtspunkte des Urteils im Überblick

Das Urteil konzentriert sich auf den Zusammenhang zwischen dem vom Grundgesetz vorge­schriebenen demokratischen System auf Bundesebene und dem erreichten Niveau selbständiger Herrschafts­ausübung auf europäischer Ebene. Das Strukturproblem der Europäischen Union wird in den Mittelpunkt der Verfas­sungs­prüfung gestellt: Der Umfang politischer Gestal­tungsmacht der Union ist - nicht zuletzt durch den Vertrag von Lissabon - stetig und erheblich gewachsen, so dass inzwischen in einigen Politik­be­reichen die Europäische Union einem Bundesstaat entsprechend - staatsanalog - ausgestaltet ist. Demgegenüber bleiben die internen Entscheidungs- und Ernen­nungs­ver­fahren überwiegend völker­rechts­analog dem Muster einer internationalen Organisation verpflichtet; die Europäische Union ist weiterhin im Wesentlichen nach dem Grundsatz der Staaten­gleichheit aufgebaut.

Solange im Rahmen einer europäischen Bundess­taats­gründung nicht ein einheitliches europäisches Volk als Legiti­ma­ti­o­ns­subjekt seinen Mehrheitswillen gleich­heits­gerecht politisch wirksam formulieren kann, bleiben die in den Mitgliedstaaten verfassten Völker der Europäischen Union die maßgeblichen Träger der öffentlichen Gewalt, einschließlich der Unionsgewalt. Für den Beitritt zu einem europäischen Bundesstaat wäre in Deutschland eine Verfas­sungs­neu­schöpfung notwendig, mit der ein erklärter Verzicht auf die vom Grundgesetz gesicherte souveräne Staatlichkeit einherginge. Ein solcher Akt liegt hier nicht vor. Die Europäische Union stellt weiterhin einen völkerrechtlich begründeten Herrschafts­verband dar, der dauerhaft vom Vertragswillen souverän bleibender Staaten getragen wird. Die primäre Integra­ti­o­ns­ver­ant­wortung liegt in der Hand der für die Völker handelnden nationalen Verfas­sungs­organe. Bei wachsenden Kompetenzen und einer weiteren Verselb­stän­digung der Unionsorgane sind Schritt haltende Sicherungen erforderlich, um das tragende Prinzip der begrenzten und von den Mitgliedstaaten kontrollierten Einze­ler­mäch­tigung zu wahren. Auch sind eigene für die Entfaltung der demokratischen Willensbildung wesentliche Gestal­tungsräume der Mitgliedstaaten bei forts­chrei­tender Integration zu erhalten. Insbesondere ist zu gewährleisten, dass die Integra­ti­o­ns­ver­ant­wortung durch die staatlichen Vertre­tungs­organe der Völker wahrgenommen werden kann.

Europäisches Parlament kann keine repräsentativen und zurechenbaren Mehrheits­ent­schei­dungen als einheitliche politische Leitent­schei­dungen treffen

Durch den Ausbau der Kompetenzen des Europäischen Parlaments kann die Lücke zwischen dem Umfang der Entschei­dungsmacht der Unionsorgane und der demokratischen Wirkmacht der Bürger in den Mitgliedstaaten verringert, aber nicht geschlossen werden. Das Europäische Parlament ist weder in seiner Zusammensetzung noch im europäischen Kompetenzgefüge dafür hinreichend gerüstet, repräsentative und zurechenbare Mehrheits­ent­schei­dungen als einheitliche politische Leitent­schei­dungen zu treffen. Es ist gemessen an staatlichen Demokra­tie­an­for­de­rungen nicht gleich­heits­gerecht gewählt und innerhalb des supranationalen Inter­es­se­n­aus­gleichs zwischen den Staaten nicht zu maßgeblichen politischen Leitent­schei­dungen berufen. Es kann deshalb auch nicht eine parla­men­ta­rische Regierung tragen und sich im Regierungs-Oppositions-Schema parteipolitisch so organisieren, dass eine Richtungs­ent­scheidung europäischer Wähler politisch bestimmend zur Wirkung gelangen könnte. Angesichts dieses strukturellen, im Staatenverbund nicht auflösbaren Demokra­tie­de­fizits dürfen weitere Integra­ti­o­ns­schritte über den bisherigen Stand hinaus weder die politische Gestal­tungs­fä­higkeit der Staaten noch das Prinzip der begrenzten Einze­ler­mäch­tigung aushöhlen.

Verfas­sungs­i­dentität ist unver­äu­ße­r­licher Bestandteil demokratischer Selbst­be­stimmung

Die Völker der Mitgliedstaaten sind Träger der verfas­sungs­ge­benden Gewalt. Das Grundgesetz erlaubt es den besonderen Organen der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und Rechtsprechung nicht, über die grundlegenden Bestandteile der Verfassung, also über die Verfas­sungs­i­dentität zu verfügen (Art. 23 Abs. 1 Satz 3, Art. 79 Abs. 3 GG). Die Verfas­sungs­i­dentität ist unver­äu­ße­r­licher Bestandteil der demokratischen Selbst­be­stimmung eines Volkes. Zur Wahrung der Wirksamkeit des Wahlrechts und zur Erhaltung der demokratischen Selbst­be­stimmung ist es nötig, dass das Bundes­ver­fas­sungs­gericht im Rahmen seiner Zuständigkeit darüber wacht, dass die Gemeinschafts- oder die Unionsgewalt nicht mit ihren Hoheitsakten die Verfas­sungs­i­dentität verletzt und nicht ersichtlich die eingeräumten Kompetenzen überschreitet. Die mit dem Vertrag von Lissabon noch einmal verstärkte Übertragung von Zuständigkeiten und die Verselb­stän­digung der Entschei­dungs­ver­fahren setzt deshalb eine wirksame Ultra-vires-Kontrolle und eine Identi­täts­kon­trolle von Rechtsakten europäischen Ursprungs im Anwen­dungs­bereich der Bundesrepublik Deutschland voraus.

Zum Prüfungsmaßstab

a) Das Zustim­mungs­gesetz zum Vertrag von Lissabon wird vom Gericht am Maßstab des Wahlrechts gemessen. Das Wahlrecht ist als grund­rechts­gleiches Recht mit der Verfas­sungs­be­schwerde rügefähig (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG). Es konkretisiert den Anspruch auf demokratische Selbst­be­stimmung, auf freie und gleiche Teilhabe an der in Deutschland ausgeübten Staatsgewalt sowie auf die Einhaltung des Demokra­tie­gebots einschließlich der Achtung der verfas­sungs­ge­benden Gewalt des Volkes. Die Prüfung einer Verletzung des Wahlrechts umfasst hier auch Eingriffe in die Grundsätze, die Art. 79 Abs. 3 GG als Identität der Verfassung festschreibt. Das Recht der Bürger, in Freiheit und Gleichheit durch Wahlen und Abstimmungen die sie betreffende öffentliche Gewalt personell und sachlich zu bestimmen, ist in der Würde des Menschen verankert und elementarer Bestandteil des Demokra­tie­prinzips. Das Demokra­tie­prinzip ist nicht abwägungsfähig. Eine Änderung des Grundgesetzes, durch welche die in Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig (Art. 79 Abs. 3 GG). Mit der sogenannten Ewigkeits­ga­rantie wird die Verfügung über die Identität der freiheitlichen Verfas­sungs­ordnung auch dem verfas­sung­s­än­dernden Gesetzgeber aus der Hand genommen. Die verfas­sungs­gebende Gewalt hat den Vertretern und Organen des Volkes kein Mandat erteilt, die nach Art. 79 Abs. 3 GG grundlegenden Verfas­sungs­prin­zipien zu verändern.

Gleich­be­rechtigte Integration in die EU und Einfügung in frieden­s­er­haltende Systeme führen nicht notwendig zu Veränderung im System öffentlicher Gewaltausübung der BRD

b) Zugleich ist die grund­ge­setzliche Ausgestaltung des Demokra­tie­prinzips offen für das Ziel, Deutschland in eine internationale und europäische Friedensordnung einzufügen. Die deutsche Verfassung ist auf Öffnung der staatlichen Herrschafts­ordnung für das friedliche Zusammenwirken der Nationen und die europäische Integration gerichtet. Weder die gleich­be­rechtigte Integration in die Europäische Union noch die Einfügung in frieden­s­er­haltende Systeme wie die Vereinten Nationen führen dabei notwendig zu einer Veränderung im System öffentlicher Gewaltausübung der Bundesrepublik Deutschland. Es handelt sich vielmehr um freiwillige, gegenseitige und gleich­be­rechtigte Bindung, die den Frieden sichert und die politischen Gestal­tungs­mög­lich­keiten durch gemeinsames koordiniertes Handeln stärkt. Der aus Art. 23 Abs. 1 GG und der Präambel folgende Verfas­sungs­auftrag zur Verwirklichung eines vereinten Europas bedeutet für die deutschen Verfas­sungs­organe, dass die Beteiligung an der europäischen Integration nicht in ihrem politischen Belieben steht. Das Grundgesetz will eine internationale Friedensordnung und eine europäische Integration: Es gilt deshalb nicht nur der Grundsatz der Völker­rechts­freund­lichkeit, sondern auch der Grundsatz der Europa­rechts­freund­lichkeit.

Europäische Integration darf nicht zur Aushöhlung des demokratischen Herrschafts­systems in Deutschland führen

c) Die Ermächtigung zur Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union nach Art. 23 Abs. 1 GG steht allerdings unter der Bedingung, dass die souveräne Verfas­sungs­staat­lichkeit auf der Grundlage eines verantwortbaren Integra­ti­o­ns­pro­gramms nach dem Prinzip der begrenzten Einze­ler­mäch­tigung und unter Achtung der verfas­sungs­recht­lichen Identität als Mitgliedstaat gewahrt bleibt und die Bundesrepublik Deutschland ihre Fähigkeit zu selbst­ver­ant­wort­licher politischer und sozialer Gestaltung der Lebens­ver­hältnisse nicht verliert. Art. 23 Abs. 1 GG und die Präambel sagen nichts aus über den endgültigen Charakter der politischen Verfasstheit Europas. Das Grundgesetz ermächtigt mit Art. 23 GG zur Beteiligung und Entwicklung einer als Staatenverbund konzipierten Europäischen Union. Der Begriff des Verbundes erfasst eine enge, auf Dauer angelegte Verbindung souverän bleibender Staaten, die auf vertraglicher Grundlage öffentliche Gewalt ausübt, deren Grundordnung jedoch allein der Verfügung der Mitgliedstaaten unterliegt und in der die Völker - das heißt die staats­an­ge­hörigen Bürger - der Mitgliedstaaten die Subjekte demokratischer Legitimation bleiben. Die Europäische Union muss sowohl in Art und Umfang als auch in der organi­sa­to­rischen und verfah­rens­recht­lichen Ausgestaltung demokratischen Grundsätzen entsprechen (Art. 23 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG). Dies bedeutet zunächst, dass die europäische Integration nicht zur Aushöhlung des demokratischen Herrschafts­systems in Deutschland führen darf. Zwar müssen nicht eine bestimmte Summe oder bestimmte Arten von Hoheitsrechten in der Hand des Staates bleiben. Die europäische Vereinigung auf der Grundlage einer Vertragsunion souveräner Staaten darf jedoch nicht so verwirklicht werden, dass in den Mitgliedstaaten kein ausreichender Raum zur politischen Gestaltung der wirtschaft­lichen, kulturellen und sozialen Lebens­ver­hältnisse mehr bleibt. Dies gilt insbesondere für Sachbereiche, die die Lebensumstände der Bürger, vor allem ihren von den Grundrechten geschützten privaten Raum der Eigen­ver­ant­wortung und der persönlichen und sozialen Sicherheit prägen, sowie für solche politischen Entscheidungen, die in besonderer Weise auf kulturelle, historische und sprachliche Vorver­ständnisse angewiesen sind, und die sich im parteipolitisch und parlamentarisch organisierten Raum einer politischen Öffentlichkeit diskursiv entfalten. Sofern in diesen besonders demokra­tie­be­deutsamen Sachbereichen eine Übertragung von Hoheitsrechten überhaupt erlaubt ist, ist eine enge Auslegung geboten. Dies betrifft insbesondere die Straf­rechts­pflege, die polizeiliche und militärische Verfügung über das Gewaltmonopol, fiskalische Grund­ent­schei­dungen über Einnahmen und Ausgaben, die sozia­l­po­li­tische Gestaltung von Lebens­ver­hält­nissen sowie kulturell bedeutsame Entscheidungen wie Erziehung, Bildung, Medienordnung und Umgang mit Religi­o­ns­ge­mein­schaften.

d) Das Grundgesetz ermächtigt die deutschen Staatsorgane nicht, Hoheitsrechte derart zu übertragen, dass aus ihrer Ausübung heraus eigenständig weitere Zuständigkeiten begründet werden können. Es untersagt die Übertragung der Kompetenz-Kompetenz. Das Prinzip der begrenzten Einze­ler­mäch­tigung ist deshalb nicht nur ein europa­recht­licher Grundsatz (Art. 5 Abs. 1 EGV; Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Vertrags über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon ), sondern nimmt - ebenso wie die Pflicht der Europäischen Union, die nationale Identität der Mitgliedstaaten zu achten (Art. 6 Abs. 3 EUV; Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV-Lissabon) - mitglied­s­taatliche Verfas­sungs­prin­zipien auf. Das Integra­ti­o­ns­programm der Europäischen Union muss deshalb hinreichend bestimmt sein. Sofern die Mitgliedstaaten das Vertragsrecht so ausgestalten, dass unter grundsätzlicher Fortgeltung des Prinzips der begrenzten Einze­ler­mäch­tigung eine Veränderung des Vertragsrechts ohne Ratifi­ka­ti­o­ns­ver­fahren herbeigeführt werden kann, obliegt neben der Bundesregierung den gesetzgebenden Körperschaften eine besondere Verantwortung im Rahmen der Mitwirkung, die in Deutschland innerstaatlich den Anforderungen des Art. 23 Abs. 1 GG genügen muss (Integra­ti­o­ns­ver­ant­wortung). Das Zustim­mungs­gesetz zu einem europäischen Änderungs­vertrag und die innerstaatliche Begleit­ge­setz­gebung müssen so beschaffen sein, dass die europäische Integration weiter nach dem Prinzip der begrenzten Einze­ler­mäch­tigung erfolgt, ohne dass für die Europäische Union die Möglichkeit besteht, sich der Kompetenz-Kompetenz zu bemächtigen oder die integra­ti­o­nsfeste Verfas­sungs­i­dentität der Mitgliedstaaten, hier des Grundgesetzes, zu verletzen. Für Grenzfälle des noch verfas­sungs­rechtlich Zulässigen muss der deutsche Gesetzgeber mit seinen die Zustimmung begleitenden Gesetzen Vorkehrungen dafür treffen, dass die Integra­ti­o­ns­ver­ant­wortung der Gesetz­ge­bungs­organe sich hinreichend entfalten kann.

e) Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht prüft, ob Rechtsakte der europäischen Organe und Einrichtungen sich unter Wahrung des gemeinschafts- und unions­recht­lichen Subsi­dia­ri­täts­prinzips (Art. 5 Abs. 2 EGV; Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 EUV-Lissabon) in den Grenzen der ihnen im Wege der begrenzten Einze­ler­mäch­tigung eingeräumten Hoheitsrechte halten (Ultra-vires-Kontrolle). Darüber hinaus prüft das Bundes­ver­fas­sungs­gericht, ob der unantastbare Kerngehalt der Verfas­sungs­i­dentität des Grundgesetzes nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG gewahrt ist (Identi­täts­kon­trolle). Die Ausübung dieser verfas­sungs­rechtlich geforderten Prüfungs­kom­pe­tenzen wahrt die von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV-Lissabon anerkannten grundlegenden politischen und verfas­sungs­mäßigen Strukturen souveräner Mitgliedstaaten auch bei forts­chrei­tender Integration. Sie folgt bei der konkreten Ausübung dem Grundsatz der Europa­rechts­freund­lichkeit des Grundgesetzes.

Zur Subsumtion

a) Gegen das Zustim­mungs­gesetz zum Vertrag von Lissabon bestehen keine durchgreifenden verfas­sungs­recht­lichen Bedenken. aa) Die Europäische Union erreicht auch bei Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon noch keine Ausgestaltung, die staatsanalog ist und deshalb dem Legiti­ma­ti­o­ns­niveau einer staatlich verfassten Demokratie entsprechen müsste. Sie ist kein Bundesstaat, sondern bleibt ein Verbund souveräner Staaten unter Geltung des Prinzips der begrenzten Einze­ler­mäch­tigung. Das Europäische Parlament ist kein Reprä­sen­ta­ti­o­nsorgan eines souveränen europäischen Volkes, sondern ein supranationales Vertre­tungsorgan der Völker der Mitgliedstaaten, so dass der allen europäischen Staaten gemeinsame Grundsatz der Wahlgleichheit auf das Europäische Parlament keine Anwendung findet. Andere Regelungen des Vertrags von Lissabon, wie die doppelt-qualifizierte Mehrheit im Rat (Art. 16 Abs. 4 EUV-Lissabon, Art. 238 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ), die partizipativen, assoziativen und direkten Demokra­tie­e­lemente (Art. 11 EUV-Lissabon) sowie die institutionelle Anerkennung der nationalen Parlamente (Art. 12 EUV-Lissabon) können das - gemessen an staatlichen Demokra­tie­an­for­de­rungen - bestehende Defizit der europäischen Hoheitsgewalt nicht aufwiegen, das Legiti­ma­ti­o­ns­niveau des Staaten­ver­bundes aber gleichwohl erhöhen.

bb) Die Bundesrepublik Deutschland bleibt bei Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ein souveräner Staat. Insbesondere bleibt die deutsche Staatsgewalt in ihrer Substanz geschützt. Die Verteilung und Abgrenzung der Zuständigkeiten der Europäischen Union von denen der Mitgliedstaaten erfolgt nach dem Prinzip der begrenzten Einze­ler­mäch­tigung und weiteren materiell-rechtlichen Schutz­me­cha­nismen, insbesondere Zustän­dig­keits­aus­übungs­regeln. Die so kontrollierte und verantwortbare Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union wird durch einzelne Vorschriften des Vertrags von Lissabon nicht in Frage gestellt. Dies gilt zunächst für das vereinfachte Änderungs­ver­fahren (vgl. insbesondere Art. 48 Abs. 6 EUV-Lissabon). Die „Zustimmung“ der Bundesrepublik Deutschland im vereinfachten Änderungs­ver­fahren setzt ein Gesetz im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG als lex specialis zu Art. 59 Abs. 2 GG voraus.

cc) Soweit die allgemeine Brückenklausel des Art. 48 Abs. 7 EUV-Lissabon den Übergang vom Einstim­mig­keits­prinzip zum qualifizierten Mehrheits­prinzip in der Beschluss­fassung des Rates oder den Übergang vom besonderen zum ordentlichen Gesetz­ge­bungs­ver­fahren ermöglicht, handelt es sich ebenfalls um eine nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG zu beurteilende Vertrag­s­än­derung. Das Ablehnungsrecht der nationalen Parlamente (Art. 48 Abs. 7 UAbs. 3 EUV-Lissabon) ist kein ausreichendes Äquivalent zum Ratifi­ka­ti­o­ns­vor­behalt. Der deutsche Regie­rungs­ver­treter im Europäischen Rat darf einer Vertrag­s­än­derung durch Anwendung der allgemeinen Brückenklausel deshalb nur zustimmen, wenn der Bundestag und der Bundesrat innerhalb einer noch auszu­ge­stal­tenden Frist, die an die Zwecksetzung des Art. 48 Abs. 7 UAbs. 3 EUV-Lissabon angelehnt ist, ein Gesetz nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG erlassen haben. Dies gilt ebenso für den Fall, dass von der speziellen Brückenklausel nach Art. 81 Abs. 3 UAbs. 2 AEUV Gebrauch gemacht wird.

dd) Ein Gesetz im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht erforderlich, soweit spezielle Brückenklauseln sich auf Sachbereiche beschränken, die durch den Vertrag von Lissabon bereits hinreichend bestimmt sind, und kein Ablehnungsrecht der nationalen Parlamente vorsehen. Auch in diesen Fällen obliegt es allerdings dem Bundestag und, soweit die Gesetz­ge­bungs­be­fugnisse der Länder betroffen sind, dem Bundesrat, die Integra­ti­o­ns­ver­ant­wortung in anderer geeigneter Weise wahrzunehmen. Das Vetorecht im Rat darf auch bei sachlich in den Verträgen bereits bestimmten Gegenständen nicht ohne Beteiligung der zuständigen Gesetz­ge­bungs­organe aufgegeben werden. Der deutsche Regie­rungs­ver­treter im Europäischen Rat oder Rat darf deshalb einer Änderung des Primärrechts durch Anwendung einer der speziellen Brückenklauseln nur dann für die Bundesrepublik Deutschland zustimmen, wenn der Deutsche Bundestag und, soweit die Regelungen über die Gesetzgebung dies erfordern, der Bundesrat innerhalb einer noch auszu­ge­stal­tenden Frist, die an die Zwecksetzung des Art. 48 Abs. 7 UAbs. 3 EUV-Lissabon angelehnt ist, ihre Zustimmung zu diesem Beschluss erteilt haben.

ee) Auch die Flexi­bi­li­täts­klausel des Art. 352 AEUV kann in einer Weise ausgelegt werden, dass das in den Vorschriften in Aussicht genommene Integra­ti­o­ns­programm durch die deutschen Gesetz­ge­bungs­organe noch vorhersehbar und bestimmbar ist. In Anbetracht der Unbestimmtheit möglicher Anwendungsfälle setzt die Inanspruchnahme der Flexi­bi­li­täts­klausel verfas­sungs­rechtlich die Ratifikation durch den Bundestag und den Bundesrat auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG voraus. ff) Die verfas­sungs­rechtlich gebotene Kontroll­kom­petenz des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts ist durch die der Schlussakte zum Vertrag von Lissabon beigefügte Erklärung Nr. 17 zum Vorrang nicht berührt. Der Grund und die Grenze für die Geltung des Rechts der Europäischen Union in der Bundesrepublik Deutschland ist der im Zustim­mungs­gesetz enthaltene Rechts­an­wen­dungs­befehl, der nur im Rahmen der geltenden Verfas­sungs­ordnung erteilt werden kann. Es ist insoweit nicht von Bedeutung, ob der Anwen­dungs­vorrang des Unionsrechts, den das Bundes­ver­fas­sungs­gericht bereits für das Gemein­schaftsrecht im Grundsatz anerkannt hat, in den Verträgen selbst oder in der der Schlussakte zum Vertrag von Lissabon beigefügten Erklärung Nr. 17 vorgesehen ist.

gg) Die durch den Vertrag von Lissabon neu begründeten oder vertieften Zuständigkeiten in den Bereichen der Justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen und Zivilsachen, der Außen­wirt­schafts­be­zie­hungen, der Gemeinsamen Verteidigung sowie in sozialen Belangen können im Sinne einer zweckgerechten Auslegung des Vertrages und müssen zur Vermeidung drohender Verfassungswidrigkeit von den Organen der Europäischen Union in einer Weise ausgeübt werden, dass auf mitglied­s­taat­licher Ebene sowohl im Umfang als auch in der Substanz noch Aufgaben von hinreichendem Gewicht bestehen, die rechtlich und praktisch Voraussetzung für eine lebendige Demokratie sind. Dabei ist insbesondere Folgendes zu beachten:

- Wegen der besonders empfindlichen Berührung der demokratischen Selbst­be­stimmung durch Straf- und Straf­ver­fah­rens­normen sind die entsprechenden vertraglichen Kompe­tenz­grundlagen strikt - keinesfalls extensiv - auszulegen und ihre Nutzung bedarf besonderer Rechtfertigung.

- Die Nutzung der dynamischen Blanket­ter­mäch­tigung nach Art. 83 Abs. 1 UAbs. 3 AEUV, „je nach Entwicklung der Kriminalität“ eine Ausdehnung des Katalogs besonders schwerer grenz­über­schrei­tender Straftaten vorzunehmen, entspricht in der Sache einer Erweiterung der Zuständigkeiten der Europäischen Union und unterliegt deshalb dem Geset­zes­vor­behalt des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG.

- Im Bereich der Justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen sind zusätzlich besondere Anforderungen an die Regelungen zu stellen, die einem Mitgliedstaat spezielle Rechte im Gesetz­ge­bungs­ver­fahren einräumen (Art. 82 Abs. 3, Art. 83 Abs. 3 AEUV: sogenanntes Notbrem­se­ver­fahren). Das notwendige Maß an demokratischer Legitimation über die mitglied­s­taat­lichen Parlamente lässt sich aus dem Blickwinkel des deutschen Verfas­sungs­rechts nur dadurch gewährleisten, dass der deutsche Vertreter im Rat die in Art. 82 Abs. 3 und Art. 83 Abs. 3 AEUV genannten mitglied­s­taat­lichen Rechte nur nach Weisung des Bundestages, und soweit die Regelungen über die Gesetzgebung dies erfordern, des Bundesrates ausübt. - Auch bei Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon besteht der konstitutive Parla­ments­vor­behalt für den Auslandseinsatz der Streitkräfte fort. Der Vertrag von Lissabon überträgt der Europäischen Union keine Zuständigkeit, auf die Streitkräfte der Mitgliedstaaten ohne Zustimmung des jeweils betroffenen Mitgliedstaats oder seines Parlaments zurückzugreifen. Er beschränkt auch die sozia­l­po­li­tischen Gestal­tungs­mög­lich­keiten des Deutschen Bundestages nicht in einem solchen Umfang, dass das Sozial­staats­prinzip (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG) in verfas­sungs­rechtlich bedenklicher Weise beeinträchtigt und insoweit notwendige demokratische Entschei­dungs­spielräume unzulässig vermindert wären.

b) Gegen das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 23, 45 und 93) bestehen ebenfalls keine durchgreifenden verfas­sungs­recht­lichen Bedenken. Eine Verletzung demokratischer Grundsätze nach Art. 79 Abs. 3 GG erfolgt weder durch Art. 23 Abs. 1a GG n.F., der das Recht zur Erhebung der Subsi­dia­ri­tätsklage als Minder­hei­tenrecht ausgestaltet und das Quorum auf ein Viertel der Mitglieder festlegt, noch durch Art. 45 Satz 3 GG n.F.

c) Dagegen verstößt das Gesetz über die Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union insoweit gegen Art. 38 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 GG, als Betei­li­gungs­rechte des Deutschen Bundestages und des Bundesrates nicht in dem von Verfassungs wegen erforderlichen Umfang ausgestaltet worden sind. Gestalten die Mitgliedstaaten auf der Grundlage des Prinzips der begrenzten Einze­ler­mäch­tigung das europäische Vertragsrecht in einer Art und Weise aus, dass eine Veränderung des Vertragsrechts bereits ohne Ratifi­ka­ti­o­ns­ver­fahren allein oder maßgeblich durch die Organe der Europäischen Union - wenngleich unter dem Einstim­mig­keits­er­for­dernis im Rat - herbeigeführt werden kann, obliegt den nationalen Verfas­sungs­organen eine besondere Verantwortung im Rahmen der Mitwirkung. Diese Integra­ti­o­ns­ver­ant­wortung muss in Deutschland innerstaatlich den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen insbesondere des Art. 23 Abs. 1 GG genügen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilungen des Bundesverfassungsgerichts

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