Am 9. Juli 2021 entschied der Bundeswahlausschuss, dass die Beschwerdeführerin nicht als Partei für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag anerkannt werde. Zur Begründung seiner Entscheidung führte er aus, die Beschwerdeführerin habe die Rechtsstellung als Partei verloren, weil sie in den vergangenen sechs Jahren keine oder unvollständige Rechenschaftsberichte eingereicht habe. Die Beschwerdeführerin wandte sich gegen diese Entscheidung des Bundeswahlausschusses. Sie ist der Auffassung, die Entscheidung verstoße gegen Art. 21 Abs. 1 GG. Die Versagung der Anerkennung als politische Partei stelle sich als völlig unverhältnismäßig dar. Die gesetzliche Regelung des § 23 Abs. 2 Satz 4 PartG sei verfassungsrechtlich fragwürdig. Eine Anhebung der Schwellenwerte für die Testatpflicht sei geboten, da es einer Partei bei Einnahmen in einer Höhe von 5.001 Euro nicht möglich sei, neben der politischen Arbeit Geld für die Bezahlung eines Wirtschaftsprüfers zurückzulegen.
Nach Ansicht des BVerfG ist die Nichtanerkennungsbeschwerde jedenfalls unbegründet. Das Bundesverfassungsgericht überprüft im Rahmen einer Nichtanerkennungsbeschwerde grundsätzlich nicht die Verfassungsmäßigkeit der Normen, auf die der Bundeswahlausschuss seine Entscheidung über die Nichtzulassung einer Partei zur Bundestagswahl gestützt hat (hier: § 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 2 Satz 4 PartG). Das Verfahren über Beschwerden von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei für die Wahl zum Bundestag bestimmt sich nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4c GG, §§ 96a-d BVerfGG und § 18 Abs. 4a Bundeswahlgesetz (BWahlG). Die Auslegung dieser Vorschriften ergibt, dass sich die Prüfung des Bundesverfassungsgerichts in diesem Verfahren auf die Frage der ordnungsgemäßen Anwendung des einfachen Rechts durch den Bundeswahlausschuss beschränkt. Vor allem systematische Erwägungen sprechen dafür, dass im Nichtanerkennungsbeschwerdeverfahren eine Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit entscheidungsrelevanter Bestimmungen des Wahl- und Parteienrechts regelmäßig unterbleibt.
Ob eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass bei Nichtanerkennungsbeschwerden eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der entscheidungsrelevanten Wahlrechtsnormen nicht stattfindet, in Betracht zu ziehen ist, wenn wegen der offensichtlichen Verfassungswidrigkeit einer solchen Norm ein schwerwiegender Wahlfehler droht, kann hier dahinstehen. Ein solcher Fall liegt nicht vor. Mögliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die für die Nichtanerkennung der Beschwerdeführerin entscheidungsrelevanten Regelungen in § 2 Abs. 2 Satz 2 und § 23 Abs. 2 PartG überschreiten jedenfalls nicht die Grenze der Offensichtlichkeit.
Der eingeschränkte Prüfungsmaßstab im Verfahren der Nichtanerkennungsbeschwerde verstößt nicht gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Die Möglichkeit der Nichtanerkennungsbeschwerde schließt nicht aus, die Verfassungswidrigkeit der für die Nichtanerkennung einer Vereinigung als Partei entscheidungsrelevanten Vorschriften des Wahl- und Parteienrechts im Wege des nachgelagerten Wahlrechtsschutzes geltend zu machen. Zwar wird im Schrifttum vertreten, dass im Anwendungsbereich der Nichtanerkennungsbeschwerde eine nachträgliche Wahlprüfung grundsätzlich ausgeschlossen sei. Dabei bleibt aber außer Betracht, dass im Nichtanerkennungsbeschwerdeverfahren eine inzidente Normenkontrolle regelmäßig gerade nicht stattfindet und daher alle damit im Zusammenhang stehenden verfassungsrechtlichen Fragen ungeprüft bleiben.
Auf die Nichtanerkennungsbeschwerde der Beschwerdeführerin war nach dem Vorstehenden lediglich zu überprüfen, ob deren Nichtanerkennung als Partei für die Wahl in ordnungsgemäßer Anwendung von § 18 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BWahlG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 2, § 23 PartG erfolgte. Dies ist zu bejahen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.06.2022
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)