21.11.2024
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Dokument-Nr. 31848

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Bundesverfassungsgericht Beschluss22.07.2021

Keine Normenkontrolle im Nicht­anerkennungs­beschwerde­verfahren - Deutsche Zentrumspartei erfolglosAngegriffene Entscheidung des Bundes­wahl­ausschusses nicht zu beanstanden

Das Bundes­verfassungs­gericht hat eine Nicht­anerkennungs­beschwerde der Deutschen Zentrumspartei (im Folgenden: Beschwer­de­führerin) zurückgewiesen. Diese richtete sich gegen die Entscheidung des Bundes­wahl­ausschusses, die Beschwer­de­führerin nicht als Partei für die Bundestagswahl anzuerkennen. Der Zweite Senat hat die – erstmalig in einem Nicht­anerkennungs­beschwerde­verfahren ohne Begründung bekanntgegebene – Entscheidung nunmehr gemäß § 96 d Satz 2 Bundes­verfassungs­gerichtsgesetz (BVerfGG) begründet. Im Nicht­anerkennungs­beschwerde­verfahren findet eine Prüfung der Verfassungs­mäßigkeit der entscheidungs­relevanten Wahl- und Parteien­rechts­normen – hier der Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 2 Satz 4 Parteiengesetz (PartG) – grundsätzlich nicht statt. Davon möglicherweise in Betracht kommende Ausnahmen sind vorliegend nicht einschlägig. Durch den grundsätzlichen Verzicht auf eine inzidente Normenkontrolle entsteht keine mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbare Rechts­schutzlücke.

Am 9. Juli 2021 entschied der Bundes­wahl­aus­schuss, dass die Beschwer­de­führerin nicht als Partei für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag anerkannt werde. Zur Begründung seiner Entscheidung führte er aus, die Beschwer­de­führerin habe die Rechtsstellung als Partei verloren, weil sie in den vergangenen sechs Jahren keine oder unvollständige Rechen­schafts­be­richte eingereicht habe. Die Beschwer­de­führerin wandte sich gegen diese Entscheidung des Bundes­wahl­aus­schusses. Sie ist der Auffassung, die Entscheidung verstoße gegen Art. 21 Abs. 1 GG. Die Versagung der Anerkennung als politische Partei stelle sich als völlig unver­hält­nismäßig dar. Die gesetzliche Regelung des § 23 Abs. 2 Satz 4 PartG sei verfas­sungs­rechtlich fragwürdig. Eine Anhebung der Schwellenwerte für die Testatpflicht sei geboten, da es einer Partei bei Einnahmen in einer Höhe von 5.001 Euro nicht möglich sei, neben der politischen Arbeit Geld für die Bezahlung eines Wirtschafts­prüfers zurückzulegen.

Geprüft wird nur die ordnungsgemäßen Anwendung des einfachen Rechts durch den Bundes­wahl­aus­schuss

Nach Ansicht des BVerfG ist die Nichtanerkennungsbeschwerde jedenfalls unbegründet. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht überprüft im Rahmen einer Nicht­a­n­er­ken­nungs­be­schwerde grundsätzlich nicht die Verfas­sungs­mä­ßigkeit der Normen, auf die der Bundes­wahl­aus­schuss seine Entscheidung über die Nichtzulassung einer Partei zur Bundestagswahl gestützt hat (hier: § 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 2 Satz 4 PartG). Das Verfahren über Beschwerden von Vereinigungen gegen ihre Nicht­a­n­er­kennung als Partei für die Wahl zum Bundestag bestimmt sich nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4c GG, §§ 96a-d BVerfGG und § 18 Abs. 4a Bundes­wahl­gesetz (BWahlG). Die Auslegung dieser Vorschriften ergibt, dass sich die Prüfung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts in diesem Verfahren auf die Frage der ordnungsgemäßen Anwendung des einfachen Rechts durch den Bundes­wahl­aus­schuss beschränkt. Vor allem systematische Erwägungen sprechen dafür, dass im Nicht­a­n­er­ken­nungs­be­schwer­de­ver­fahren eine Kontrolle der Verfas­sungs­mä­ßigkeit entschei­dungs­re­le­vanter Bestimmungen des Wahl- und Parteienrechts regelmäßig unterbleibt.

Ausnahme von dem Grundsatz hier nicht vorliegend

Ob eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass bei Nicht­a­n­er­ken­nungs­be­schwerden eine Prüfung der Verfas­sungs­mä­ßigkeit der entschei­dungs­re­le­vanten Wahlrechts­normen nicht stattfindet, in Betracht zu ziehen ist, wenn wegen der offen­sicht­lichen Verfassungswidrigkeit einer solchen Norm ein schwerwiegender Wahlfehler droht, kann hier dahinstehen. Ein solcher Fall liegt nicht vor. Mögliche verfas­sungs­rechtliche Bedenken gegen die für die Nicht­a­n­er­kennung der Beschwer­de­führerin entschei­dungs­re­le­vanten Regelungen in § 2 Abs. 2 Satz 2 und § 23 Abs. 2 PartG überschreiten jedenfalls nicht die Grenze der Offen­sicht­lichkeit.

Verfas­sungs­wid­rigkeit der Nornen können gesondert geltend gemacht werden

Der eingeschränkte Prüfungsmaßstab im Verfahren der Nicht­a­n­er­ken­nungs­be­schwerde verstößt nicht gegen die Rechts­schutz­ga­rantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Die Möglichkeit der Nicht­a­n­er­ken­nungs­be­schwerde schließt nicht aus, die Verfas­sungs­wid­rigkeit der für die Nicht­a­n­er­kennung einer Vereinigung als Partei entschei­dungs­re­le­vanten Vorschriften des Wahl- und Parteienrechts im Wege des nachgelagerten Wahlrechts­schutzes geltend zu machen. Zwar wird im Schrifttum vertreten, dass im Anwen­dungs­bereich der Nicht­a­n­er­ken­nungs­be­schwerde eine nachträgliche Wahlprüfung grundsätzlich ausgeschlossen sei. Dabei bleibt aber außer Betracht, dass im Nicht­a­n­er­ken­nungs­be­schwer­de­ver­fahren eine inzidente Normenkontrolle regelmäßig gerade nicht stattfindet und daher alle damit im Zusammenhang stehenden verfas­sungs­recht­lichen Fragen ungeprüft bleiben.

Nur ordnungsgemäße Anwendung der Normen zu überprüfen

Auf die Nicht­a­n­er­ken­nungs­be­schwerde der Beschwer­de­führerin war nach dem Vorstehenden lediglich zu überprüfen, ob deren Nicht­a­n­er­kennung als Partei für die Wahl in ordnungsgemäßer Anwendung von § 18 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BWahlG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 2, § 23 PartG erfolgte. Dies ist zu bejahen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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