21.11.2024
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Dokument-Nr. 31994

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Bundesverfassungsgericht Beschluss01.07.2022

Verfassungs­beschwerde einer Fernseh-Reporterin wegen Lohndis­kri­mi­nierung erfolglosVerfassungs­beschwerde genügt gesetzlichen Darlegungs­anforderungen nicht

Das Bundes­verfassungs­gericht hat eine Verfassungs­beschwerde gegen Entscheidungen der Arbeitsgerichte nicht zur Entscheidung angenommen, da sie den gesetzlichen Darlegungs­anforderungen nicht genügt. Im Ausgangs­ver­fahren verfolgte die beschwer­de­führende Reporterin unter anderem das Ziel, so vergütet zu werden, wie ihre männlichen Kollegen mit gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit.

Die Beschwer­de­führerin war als Reporterin bei einem investigativen Politmagazin des Zweiten Deutschen Fernsehens tätig. Sie erhob vor den Arbeits­ge­richten auf der ersten Stufe Klage auf Auskunft über den Verdienst männlicher Kollegen mit vergleichbarer Tätigkeit und auf der zweiten Stufe auf die gleiche Vergütung. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Danach trat das Gesetz zur Förderung der Entgelt­trans­parenz zwischen Frauen und Männern (Entgelt­trans­pa­renz­gesetz - EntgTranspG) in Kraft. Im Berufungs­ver­fahren vor dem Landes­a­r­beits­gericht stützte die Beschwer­de­führerin ihren Auskunfts­an­spruch hilfsweise auch auf dieses Gesetz, blieb aber erfolglos. Die Beschwer­de­führerin habe keinen ersten Anschein für eine Benachteiligung dargelegt. Dazu genüge es nicht, darzulegen und zu beweisen, dass ihr Arbeitgeber ihr ein niedrigeres Gehalt zahle als einem männlichen Kollegen und dass sie die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit verrichte. Ein Auskunfts­an­spruch folge auch nicht aus dem neuen § 10 EntgTranspG, weil die Beschwer­de­führerin als arbeit­neh­mer­ähnliche Person nicht in den Anwen­dungs­bereich des Gesetzes falle. Nur zu dieser Rechtsfrage ließ es die Revision zu.

Teil-Erfolg vor dem BAG

Auf die Revision der Beschwer­de­führerin verurteilte das Bundes­a­r­beits­gericht das ZDF teilweise zur Erteilung der Auskunft. Es verwies den Rechtsstreit im Übrigen an das Landes­a­r­beits­gericht zurück, weil das Entgelttransparenzgesetz auf die Beschwer­de­führerin anwendbar sei. Die Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde verwarf das Bundes­a­r­beits­gericht als unzulässig und wies die dagegen gerichtete Anhörungsrüge als unbegründet zurück. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwer­de­führerin die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG), weil das Bundes­a­r­beits­gericht die Sache nicht nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt hat. Zudem seien die arbeits­ge­richt­lichen Entscheidungen nicht mit dem Grundrecht der Gleichheit von Frauen und Männern aus Art. 23 Abs. 1 der Charta der Europäischen Union (GRCh) zu vereinbaren. Darüber hinaus sei sie in ihrem Recht auf Gleich­be­rech­tigung aus Art. 3 Abs. 2 und 3 Satz 1 GG verletzt.

Verfas­sungs­be­schwerde genügt nicht den gesetzlichen Darle­gungs­an­for­de­rungen

Die Verfas­sungs­be­schwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da sie unzulässig ist. Die Verfas­sungs­be­schwerde genügt im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität (§ 90 Abs. 2 Satz 1 Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts­gesetz - BVerfGG) nicht den gesetzlichen Darle­gungs­an­for­de­rungen. Auf der Grundlage des Beschwer­de­vor­bringens lässt sich nicht zuverlässig überprüfen, ob die Beschwer­de­führerin alle im Rahmen des fachge­richt­lichen Verfahrens eröffneten Möglichkeiten genutzt hat, um der Rechts­ver­letzung abzuhelfen. Eine solche Möglichkeit besteht bereits dann, wenn es möglich erscheint, dass die Grund­rechts­ver­letzung vor den Fachgerichten beseitigt wird. Hier hatte die Revision der Beschwer­de­führerin zur Auskunft über das Vergleich­s­entgelt Erfolg. Erhält sie diese, könnte sie einen Zahlungs­an­spruch geltend machen, der jedenfalls nicht von vornherein offensichtlich aussichtslos wäre. Das Bundes­a­r­beits­gericht hat klargestellt, dass ein die eigene Vergütung übersteigendes mitgeteiltes Vergleich­s­entgelt (Medianentgelt) die Vermutung begründe, es liege eine Entgelt­be­nach­tei­ligung wegen des Geschlechts vor. Das führt zu der Beweis­la­st­umkehr, deren Fehlen vor dem Landes­a­r­beits­gericht die Beschwer­de­führerin rügt. Es ist hier nicht erkennbar, dass dem andere Gründe entgegenstünden oder der Median im Fall der Beschwer­de­führerin nach ihren Vorstellungen vom durch­schnitt­lichen Gehalt der Vergleichs­personen abweichen würde.

Fehlende Vorlage an EuGH lässt keine Grund­ge­setz­ver­letzung erkennen

Die Rüge lässt keine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die fehlende Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union erkennen, denn das Bundes­a­r­beits­gericht hat keine Sachent­scheidung getroffen. Es erschließt sich nicht, inwieweit die Vorlagepflicht gerade dadurch verletzt worden sein soll, dass die Revision als unzulässig verworfen wurde. Die Rügen einer Verletzung von Art. 3 Abs. 2 und 3 Satz 1 GG hat die Beschwer­de­führerin nicht innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG hinreichend substantiiert. Zur Rüge einer Verletzung von Art. 23 Abs. 1 GRCh wird nicht hinreichend substantiiert aufgezeigt, dass die Voraussetzungen für eine Überprüfung der angegriffenen Entscheidungen anhand der Unions­grund­rechte vorlagen. Bei der Anwendung unionsrechtlich vollständig verein­heit­lichter Regelungen sind grundsätzlich nicht die deutschen Grundrechte, sondern allein die Unions­grund­rechte maßgeblich. Die Anwendung inner­staat­lichen Rechts prüft das Bundes­ver­fas­sungs­gericht dagegen primär am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, auch wenn es der Durchführung des Unionsrechts dient (vgl. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh). Dort, wo es den Mitgliedstaaten Gestal­tungs­spielräume einräumt, zielt Unionsrecht regelmäßig nicht auf eine Einheitlichkeit des Grund­rechts­schutzes, sondern lässt Grund­rechts­vielfalt zu. Daher greift dann die Vermutung, dass das Schutzniveau der Charta der Grundrechte der Europäischen Union durch die Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes mitge­währ­leistet ist. Eine Ausnahme von dieser Vermutung ist nur in Betracht zu ziehen, wenn hierfür konkrete und hinreichende Anhaltspunkte vorliegen. Solche Anhaltspunkte sind hier nicht erkennbar. Insofern wäre darzulegen, ob in der Auslegung der jeweiligen Grundrechte der Charta und des Grundgesetzes ein ungleiches Schutzniveau erreicht wird. Dabei wäre darauf einzugehen, inwieweit Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 GG, die einen wirksamen Schutz vor Benach­tei­li­gungen wegen des Geschlechts erforderlich machen, sich auch auf die Beweislast in Verfahren zur Lohngleichheit auswirken. Zu Art. 3 Abs. 2 und 3 GG wird mit Blick auf die Lohngleichheit aber erst über zwölf Monate nach Zustellung der Anhörungs­rü­ge­ent­scheidung und damit verfristet vorgetragen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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