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18.01.2025  
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Bundesverfassungsgericht Beschluss07.07.2020

BVerfG hält Verurteilung wegen Bezeichnung als "Frecher Juden-Funktionär" für verfas­sungsgemäßBezeichnung als "Frecher Juden-Funktionär" stellt nach § 130 Abs. 1 StGB Volksverhetzung dar

Das BVerfG hat entschieden, dass die Bezeichnung "Frecher Juden-Funktionär" und ein Boykottaufruf gegen eine jüdische Gemeinde nicht vom Recht auf freie Meinung­s­äu­ßerung gedeckt ist und daher eine Verurteilung wegen Volksverhetzung rechtfertigt.

Im Vorfeld der bestraften Äußerungen hatte der Westdeutsche Rundfunk darüber berichtet, dass eine nordrhein­west­fä­lische Gemeinde ihr Amtsblatt von einem Verleger herausgeben ließ, dessen Inhaber über einen anderen Verlag auch Schriften mit rechtsradikalem Hintergrund verbreite. Der Vorsitzende einer jüdischen Gemeinde in der Region hatte deshalb gefordert, dass die Gemeinde ihr Amtsblatt in einem anderen Verlag herausgeben solle.

Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde als frechen Juden-Funktionär bezeichnet

Daraufhin veröffentlichte der Beschwer­de­führer, der damalige Vorsitzende eines Ortsverbands der Partei DIE RECHTE, auf der von ihm verantworteten Internetseite der Partei einen Artikel, in dem er zunächst allgemein den Versuch, Dissidenten mundtot zu machen kritisiert. Das sei nun auch im Fall eines politischen nonkonformen Verlegers zu beobachten, der auch ein Buch über vorbildliche und bewährte Männer der Waffen-SS verlege. Politisch korrekten Sittenwächtern in den Medien, stoße das sauer auf. Noch dreister gebärde sich [Name des Betroffenen], Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde H., wohnhaft [Wohnort des Betroffenen]. Selbstgefällig fordere der freche Juden-Funktionär die Stadt dazu auf, umgehend Konsequenzen zu ziehen. Angesichts der massiven Hetzkampagne von Medien, Linken und Jüdischer Gemeinde sei jegliche Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde H. unverzüglich einzustellen. Die Partei DIE RECHTE würde den Einfluss jüdischer Lobby­or­ga­ni­sa­tionen auf die deutsche Politik in allerkürzester Zeit auf genau Null reduzieren [ und] sämtliche staatliche Unterstützung für jüdische Gemeinden streichen und das Geld für das Gemeinwohl einsetzen. Wegen dieser Äußerungen verurteilten die Strafgerichte den mehrfach einschlägig vorbestraften Beschwer­de­führer wegen Volksverhetzung und Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung.

BVerfG bestätigt Urteile der Strafgerichte

Das BVerfG hat die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Wenngleich die straf­ge­richt­lichen Entscheidungen teilweise ein unpräzises Verständnis der vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht in seiner Wunsiedel-Entscheidung anerkannten Ausnahme vom Allge­mein­heits­er­for­dernis des Art. 5 Abs. 2 GG in Bezug auf die Verherrlichung der natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Gewalt- und Willkür­herr­schaft (§ 130 Abs. 4 StGB) zugrunde gelegt haben, begegnen sie im Ergebnis keinen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken. Diese Ausnahme betrifft - entgegen der Annahme des Landgerichts - allein die formelle Anforderung, dass Gesetze nicht gegen eine bestimmte Meinung gerichtet sein dürfen (Stand­punkt­neu­tralität). Sie erlaubt dem Gesetzgeber, Strafnormen zu schaffen, die nicht abstrakt formuliert sind, sondern gegen die Verherrlichung der natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Gewalt­herr­schaft gerichtet sind. Eine solche Strafvorschrift, die spezifisch an den Natio­nal­so­zi­a­lismus anknüpft, steht hier jedoch nicht in Frage, sondern der allgemeine Volks­ver­het­zung­s­tat­bestand des § 130 Abs. 1 StGB. Demgegenüber gilt auch für Äußerungen mit Bezug auf den Natio­nal­so­zi­a­lismus keine allgemeine, auch inhaltliche Ausnahme von den Anforderungen an meinungs­be­schränkende Gesetze. Das Grundgesetz kennt kein allgemeines antina­ti­o­nal­so­zi­a­lis­tisches Grundprinzip, das ein Verbot der Verbreitung rechtsradikalen oder auch natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Gedankenguts schon in Bezug auf die geistige Wirkung seines Inhalts erlaubte. Vielmehr gewährleistet Art. 5 Abs. 1 und 2 GG die Freiheit der Meinung als Geistesfreiheit unabhängig von der inhaltlichen Bewertung ihrer Richtigkeit oder Gefährlichkeit. Die Meinungsfreiheit verbietet daher den staatlichen Zugriff auf die Gesinnung und lässt Eingriffe erst zu, wenn Meinung­s­äu­ße­rungen die rein geistige Sphäre des Für-richtig-Haltens verlassen und in Rechts­gut­ver­let­zungen oder erkennbar in Gefähr­dungslagen umschlagen. Das ist der Fall, wenn sie den öffentlichen Frieden als Friedlichkeit der öffentlichen Ausein­an­der­setzung gefährden und so den Übergang zu Aggression oder Rechtsbruch markieren.

Maßgeblich bleibt die Äußerung selbst und ihr unmittelbarer Kontext, nicht die innere Haltung oder die parteiliche Programmatik

Allerdings ist für die Beurteilung von Äußerungen nach allgemeinen Grundsätzen ihre konkrete Wirkung im jeweiligen Kontext in Betracht zu nehmen. Dabei gebieten die besonderen Erfahrungen der deutschen Geschichte, insbesondere die damals durch zielgerichtete und systematische Hetze und Boykottaufrufe eingeleitete und begleitete Entrechtung und systematische Ermordung der jüdischen Bevölkerung Deutschlands und Europas, eine gesteigerte Sensibilität im Umgang mit der abwertenden Bezeichnung eines anderen als Juden. Insoweit kommt es darauf an, ob in der Äußerung eine die Fried­lich­keits­grenze überschreitende Aggression liegt. Je nach Einzelfall, insbesondere wenn die sich äußernde Person auf eine Stimmungsmache gegen die jüdische Bevölkerung zielt oder sich in der Äußerung mit der natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Rassenideologie identifiziert, kann darin eine menschen­ver­achtende Art der hetzerischen Stigmatisierung von Juden und damit implizit verbunden auch eine Aufforderung an andere liegen, sie zu diskriminieren und zu schikanieren. Maßgeblich bleibt allerdings die Äußerung selbst und ihr unmittelbarer Kontext, nicht die innere Haltung oder die parteiliche Programmatik, die möglicherweise den Hintergrund einer Äußerung bilden.

Keine Bedenken gegen Bewertung der bestraften Äußerungen als ein Aufstacheln zum Hass gegen die jüdische Bevölkerung

Nach diesen Maßstäben begegnen die angegriffenen Entscheidungen keinen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken. Die Gerichte haben ihre Bewertung der bestraften Äußerungen als ein Aufstacheln zum Hass gegen die jüdische Bevölkerung insbesondere nicht auf die allgemeine ideologische Ausrichtung des Beschwer­de­führers und seiner Partei, sondern auf die Äußerung selbst gestützt. Sie weisen nachvollziehbar darauf hin, dass das Ziel des Beschwer­de­führers, zum Hass gegen die jüdische Bevölkerung aufzustacheln, insbesondere aus der Verwendung von seitens der natio­nal­so­zi­a­lis­tischen antisemitischen Propaganda verwendeter Termini (frecher Jude), aus der positiven Hervorhebung der Männer der Waffen-SS und aus dem unmittelbar an die Äußerung angeschlossenen Boykottaufruf gegenüber der vom Betroffenen geleiteten jüdischen Gemeinde deutlich wurde. Diese Stoßrichtung der Äußerung wird auch durch deren Einbettung in den Vorwurf eines angeblich besonders ausgeprägten Einflusses jüdischer Organisationen auf die Politik in Deutschland, die ersichtlich den Topos einer angeblichen jüdischen Weltver­schwörung aufgreifen soll, klar kenntlich.

Konkret drohender Charakter der Äußerung gefährdet grundlegende Friedlichkeit

Schließlich weisen die Strafgerichte zutreffend darauf hin, dass die Ankündigung, den Einfluss jüdischer Organisationen auf die deutsche Politik in allerkürzester Zeit auf genau Null reduzieren zu wollen, in ihrer Militanz an natio­nal­so­zi­a­lis­tische Vernich­tungs­r­hetorik anknüpft. Spezifisch gegen die jüdische Bevölkerung gerichtet begründet eine solche verbale Anlehnung aufgrund der historischen Erfahrung und Realität eines solchen Vernich­tungs­un­ter­fangens einen konkret drohenden Charakter, trägt die Gefahr in sich, die politische Ausein­an­der­setzung ins Feindselige und Unfriedliche umkippen zu lassen und gefährdet damit deren grundlegende Friedlichkeit. Eben dagegen schützt der Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 StGB.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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