03.12.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss14.06.2011

BVerfG: Ausschluss der Mitversicherung von Kindern in der Famili­en­ver­si­cherung zulässigUngleich­be­handlung verheirateter Elternteile gegenüber unverheirateten Elternteilen verstößt nicht gegen allgemeinen Gleichheitssatz

Ehepaare, bei denen ein Elternteil mit einem höheren Einkommen privat versichert ist, können ihre Kinder nicht beitragsfrei in der gesetzlichen Krankenkasse mitversichern lassen. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht und nahm eine hiergegen gerichtete Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung an.

§ 10 Abs. 3 SGB V schließt Kinder miteinander verheirateter Eltern von der beitragsfreien Famili­en­ver­si­cherung aus, wenn das Gesamteinkommen des Elternteils, der nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist, höher ist als das des Mitglieds und bestimmte, im Gesetz festgelegte Einkom­mens­grenzen übersteigt. Durch die Regelung werden verheiratete Elternteile bei Vorliegen der einkom­mens­be­zogenen Voraussetzungen gegenüber unverheirateten Elternteilen schlechter gestellt, da bei ihnen ein solcher Ausschluss nicht erfolgt. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat bereits mit Urteil vom 12. Februar 2003 (1 BvR 624/01) entschieden, dass die Ausschluss­re­gelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Beschwer­de­führer verlangen beitragsfreie Famili­en­ver­si­cherung der Kinder in gesetzlicher Kranken­ver­si­cherung

Die Beschwer­de­führerin zu 1) ist in der gesetzlichen Krankenversicherung pflicht­ver­sichert und mit einem selbständigen Rechtsanwalt verheiratet, der wie die vier gemeinsamen Kinder, die Beschwer­de­führer zu 2) bis 5), privat­ver­sichert ist. Die Beschwer­de­führer begehrten die Feststellung, dass die Kinder im Wege der Famili­en­ver­si­cherung beitragsfrei in der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung über ihre Mutter mitversichert seien. Ihre gegen die Ablehnung der Krankenkasse erhobene Klage blieb vor den Sozialgerichten ohne Erfolg.

BVerfG lehnt Verfas­sungs­be­schwerde als unbegründet ab

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unbegründet ist. Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hält damit an seiner Rechtsprechung im Urteil vom 12. Februar 2003 fest, dass die Ungleich­be­handlung verheirateter Elternteile gegenüber unverheirateten Elternteilen im Hinblick auf die Famili­en­ver­si­cherung nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Grundrecht auf Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) verstößt. Die Ungleich­be­handlung von Ehen und eheähnlichen Lebens­ge­mein­schaften mit Kind findet hier ihre Rechtfertigung nach wie vor in der Befugnis des Gesetzgebers, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen.

Kontinuierliche Überprüfung, ob Lebens­ge­mein­schaft besteht, immer noch oder wieder besteht für Krankenkassen nicht leistbar

Eine Ausschluss­re­gelung, die sich in gleicher Versicherungs- und Einkom­mens­kon­stel­lation auch auf Partner einer eheähnlichen Lebens­ge­mein­schaft erstreckte, wäre für die Krankenkasse nicht handhabbar. Für sie würde es eine faktisch nicht zu leistende Aufgabe darstellen, kontinuierlich zu prüfen, ob eine solche Lebens­ge­mein­schaft besteht, immer noch oder wieder besteht. Demgegenüber ist die Ehe ein rechtlich klar definierter und leicht nachweisbarer Tatbestand. Die punktuelle gesetzliche Benachteiligung der verheirateten Elternteile durch Ausschluss der Kinder von der Famili­en­ver­si­cherung bei Vorliegen der einkom­mens­be­zogenen Voraussetzungen ist hinzunehmen, weil sie - wie das Bundes­ver­fas­sungs­gericht bereits in seiner Entscheidung vom 12. Februar 2003 festgestellt hat - bei einer Gesamt­be­trachtung der gesetzlichen Regelung nicht schlechter gestellt sind als Partner einer eheähnlichen Lebens­ge­mein­schaft. Während der Ehepartner, der Mitglied der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung ist, dem anderen Ehepartner, der nicht selbst Mitglied in der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung ist, beitragsfreien Versi­che­rungs­schutz in der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung vermitteln kann, ist eine solche Möglichkeit den Partnern einer eheähnlichen Lebens­ge­mein­schaft nicht eröffnet. Zwar kommt dieser Vorteil nicht den oberhalb der Jahres­a­r­beits­ent­gelt­grenze gutverdienenden Ehegatten zugute. Für diese Gruppe wird der Ausschluss der Famili­en­ver­si­cherung der Kinder jedoch über die einkom­men­steu­er­rechtliche Berück­sich­tigung von Kranken­ver­si­che­rungs­bei­trägen der Kinder hinreichend ausgeglichen, um die Ungleich­be­handlung zu rechtfertigen.

Bundeszuschuss fließt in allgemeinen Haushalt der Krankenkassen

An der verfas­sungs­recht­lichen Beurteilung hat sich durch das am 1. April 2007 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung nichts geändert. Dadurch wird der Bund verpflichtet, den gesetzlichen Krankenkassen als Abgeltung für versi­che­rungs­fremde Leistungen Zuschüsse zu gewähren. Entgegen der Auffassung der Beschwer­de­führer wird der Bundeszuschuss jedoch nicht gezielt zur Finanzierung der Famili­en­ver­si­cherung verwendet, sondern fließt in den allgemeinen Haushalt der Krankenkassen und führt daher im Ergebnis zu einer alle Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen gleichmäßig begünstigenden Ermäßigung.

Eine Änderung der Rechtslage ergibt sich auch nicht aus der von den Beschwer­de­führern herangezogenen Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 13. Februar 2008 zur einkom­men­steu­er­recht­lichen Berück­sich­tigung von Kranken­ver­si­che­rungs­bei­trägen der Kinder. Diese verlangt die einkom­men­steu­er­rechtliche Berück­sich­tigung der Kranken­ver­si­che­rungs­beiträge für die ca. 10 % privat versicherten Kinder, trifft aber keine Aussage dazu, ob Kinder auch dann im System der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung beitragsfrei versichert werden müssen, wenn ein Elternteil mit einem Verdienst oberhalb der Jahres­a­r­beits­ent­gelt­grenze, der das Einkommen des pflicht­ver­si­cherten Ehegatten überschreitet, nicht pflicht­ver­sichert ist.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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