23.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss26.04.2011

Verfas­sungs­be­schwerden ehemaliger T-Online-Aktionäre gegen zuerkannte Zuzahlung nach Verschmelzung auf Deutsche Telekom AG erfolglosSchätzung der Unter­neh­menswerte anhand von Börsenwerten verfas­sungs­rechtlich zulässig

Die Verfas­sungs­be­schwerden ehemaliger T-Online-Aktionären gegen die gerichtlich festgesetzte Zuzahlung nach Verschmelzung auf die Deutsche Telekom AG war vor dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht erfolglos.

Rechtsträger von Unternehmen, so unter anderem Aktien­ge­sell­schaften, können durch Aufnahme miteinander verschmolzen werden. In dem Verschmel­zungs­vertrag haben die beteiligten Rechtsträger unter anderem das Umtausch­ver­hältnis der Anteile des übertragenden in Anteile des übernehmenden Rechtsträgers festzulegen. Sind Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers der Auffassung, das Umtausch­ver­hältnis der Anteile sei zu niedrig bemessen, können sie von dem übernehmenden Rechtsträger einen Ausgleich durch bare Zuzahlung verlangen und auf Antrag im gerichtlichen Spruchverfahren bestimmen lassen.

Sachverhalt

Die elf Beschwer­de­führer waren Aktionäre der T-Online International AG („T-Online“), die nach ihrem Börsengang im Jahre 2000 Verluste erlitt. Während der Emissionskurs ihrer Aktien bei 27 Euro pro Stück lag, lag der Aktienkurs im Herbst 2004 bei unter 9 Euro. Erstmals im Geschäftsjahr 2004 erwirtschaftete das Unternehmen einen Überschuss. Im Jahre 2005 schlossen die T-Online und ihre Mutter­ge­sell­schaft, die Deutsche Telekom AG („Telekom“), einen Verschmel­zungs­vertrag, nach dem die T-Online auf die Telekom verschmolzen werden sollte. Das Umtausch­ver­hältnis wurde aufgrund von Unter­neh­mens­be­wer­tungen nach der Ertrags­wert­methode festgelegt. Die Aktionäre der T-Online sollten für 25 eigene Aktien 13 Aktien der Telekom erhalten. Die Verschmelzung wurde in das Handelsregister eingetragen.

Landgericht erkennt bare Zuzahlung von 1,15 Euro für jede Aktie der T-Online zu

Die Beschwer­de­führer wandten sich im Spruchverfahren gegen die Angemessenheit des Umtausch­ver­hält­nisses, woraufhin das Landgericht auf eine bare Zuzahlung von 1,15 Euro für jede Aktie der T-Online erkannte. Dabei legte es eine markto­ri­en­tierte Ermittlung der Unter­neh­menswerte anhand der Börsenkurse zugrunde, nach der die Börsenwerte anhand der Durch­schnittskurse drei Monate vor Bekanntgabe der Verschmelzung ermittelt werden. Das Oberlan­des­gericht bestätigte diese Entscheidung und wies die dagegen erhobenen sofortigen Beschwerden der Beschwer­de­führer zurück.

Beschwer­de­führer rügen Verletzung des Eigen­tums­grund­rechts und der Vertrags­freiheit

Die Beschwer­de­führer sehen sich durch die von ihnen angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlan­des­ge­richts in ihrem Eigen­tums­grundrecht (Art. 14 GG) verletzt, weil die ihnen zuerkannte Entschädigung nicht angemessen sei. Bei der Bewertung des übertragenen Unternehmens hätte anstelle des Börsenwerts der höhere Ertragswert herangezogen werden müssen. Zudem rügen die Beschwer­de­führer eine Verletzung der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Vertragsfreiheit, weil nicht die von den Vertrags­partnern des Verschmel­zungs­vertrags gewählte Bewer­tungs­methode übernommen worden sei.

BVerfG nimmt Verfas­sungs­be­schwerde mangels Annah­me­vor­aus­set­zungen nicht zur Entscheidung an

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da die Annah­me­vor­aus­set­zungen nicht vorliegen, die Beschwer­de­führer insbesondere nicht in ihren Verfas­sungs­rechten verletzt sind.

Verfas­sungs­be­schwerde nicht hinreichend begründet

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Soweit die Beschwer­de­führer eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG mit der Begründung beanstanden, die angegriffenen Entscheidungen setzten sich über den Willen der Verschmel­zungs­partner zur Wertermittlung nach der Ertrags­wert­methode hinweg, ist ihre Verfas­sungs­be­schwerde schon nicht hinreichend begründet. Denn sie übergeht die naheliegende Frage, inwieweit die von den Fachgerichten auszulegenden und anzuwendenden Regeln des Umwand­lungs­ge­setzes zur Überprüfung des Umtausch­ver­hält­nisses eine eigenständige Bewertung durch die Fachgerichte voraussetzen.

Verletzung des Eigen­tums­grund­rechts nicht ersichtlich

Eine Verletzung des Eigen­tums­grund­rechts, das auch das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum schützt, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht für die Fallge­stal­tungen eines Beherrschungs- und Gewin­n­ab­füh­rungs­ver­trages sowie einer Eingliederung entwickelten Grundsätze lassen sich auf den Fall einer Verschmelzung durch Aufnahme übertragen. Danach muss ein Minder­heits­ak­tionär, der seine mitglied­s­chaftliche Stellung verliert oder hierin durch eine Struk­tur­maßnahme in relevantem Maße eingeschränkt wird, wirtschaftlich voll entschädigt werden. Die Entschädigung hat den „wahren“ Wert des Anteils­ei­gentums widerzuspiegeln.

Das Grundgesetz gibt keine bestimmte Methode zur Unter­neh­mens­be­wertung vor. Es ist verfas­sungs­rechtlich zulässig, die Unter­neh­menswerte der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger, die hier in bedeutenden Aktienindizes notiert waren, anhand von Börsenwerten zu schätzen.

Fachgerichte sind bei Bestimmung des Unter­neh­menswerts nicht verpflichtet, sämtliche denkbaren Methoden heranzuziehen

Des Weiteren lässt sich weder dem Grundgesetz noch der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts entnehmen, dass die Fachgerichte zur Bestimmung des Unter­neh­menswerts stets sämtliche denkbaren Methoden heranzuziehen und bei der Bestimmung des Umtausch­ver­hält­nisses die den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers günstigste zugrunde zu legen haben. Daher ist es verfas­sungs­rechtlich unbedenklich, wenn sich wie hier ein Fachgericht mit sorgfältiger und ausführlicher Begründung für eine Bewertung der Unternehmen beider Rechtsträger anhand des Börsenwerts entscheidet, ohne sich dabei den Blick dafür zu verstellen, dass die Frage nach der vorzuziehenden Methode grundsätzlich von den jeweiligen Umständen des Falles abhängt. Ein solches Vorgehen ist nach Art. 14 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden, zumal es den zu anderen Struk­tur­maß­nahmen entwickelten Grundsatz, der Börsenwert - hier: des übertragenden Rechtsträgers - bilde regelmäßig die Untergrenze einer zu gewährenden Abfindung, nicht in Frage stellt.

Anhaltspunkte für Manipulation nicht feststellbar

Die Aussagekraft und die Tauglichkeit der markto­ri­en­tierten Bewer­tungs­methode im konkreten Fall unterliegen der fachrich­ter­lichen Prüfung und Würdigung, die hier verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden ist. Soweit die Beschwer­de­führer eine Manipulation des Börsenwerts der T-Online durch die übernehmende Telekom behaupten, fehlt es an der gebotenen Ausein­an­der­setzung mit der Wertung des Oberlan­des­ge­richts, das auf diese Frage ausdrücklich näher eingegangen ist und Anhaltspunkte für eine Manipulation nicht festgestellt hat.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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