23.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss01.12.2010

BVerfG zur Mitgliedschaft ohne Tarifbindung in Arbeit­ge­ber­ver­bändenZulässigkeit so genannter OT-Mitgliedschaft vom Bundes­a­r­beits­gericht grundsätzlich anerkannt

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hatte über eine Verfas­sungs­be­schwerde hinsichtlich einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft) zu entscheiden.

Die Verfas­sungs­be­schwerde betrifft eine besondere Art der Mitgliedschaft von Unternehmen in Arbeit­ge­ber­ver­bänden, die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft). OT-Mitglieder können die Service­leis­tungen und die Inter­es­sen­ver­tretung des Verbandes in Anspruch nehmen, werden aber von der Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 des Tarif­ver­trags­ge­setzes (TVG) nicht erfasst. Das Bundes­a­r­beits­gericht hat in einer früheren Entscheidung vom 18. Juli 2006 die Zulässigkeit der OT-Mitgliedschaft grundsätzlich anerkannt.

Kläger verlangt nach Beitritt bei IG Metall Zahlung der Lohndifferenz basierend auf Mantel­ta­rif­vertrag

Im hiesigen Fall ist die Beschwer­de­führerin, ein Maschi­nen­bau­un­ter­nehmen, Mitglied eines Arbeit­ge­ber­ver­bandes, der in seiner Satzung die Möglichkeit einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung schuf. Danach sollten nur diejenigen Verbands­mit­glieder an Verband­s­ta­rif­verträge gebunden sein, die sich den vom Verband eingerichteten Fachgruppen angeschlossen hatten. In den Fachgruppen sollten die Arbeits­be­din­gungen in den angeschlossenen Betrieben durch Abschluss von Tarifverträgen geregelt werden. Außerdem regelte die Satzung einen so genannten Unter­stüt­zungsfonds, der den Verbands­mit­gliedern die Durchführung von Arbeitss­trei­tig­keiten im Interesse des im Verband zusam­men­ge­schlossenen Berufsstandes ermöglichen sollte; an der Verwaltung des Fonds wurden auch die OT-Mitglieder des Verbandes beteiligt. Die Beschwer­de­führerin gehörte ursprünglich der Fachgruppe Metall an, die wiederum Mitglied des Gesamtverbandes Metall NRW war. Nach Kündigung ihrer Mitgliedschaft in der Fachgruppe vereinbarte die Beschwer­de­führerin mit dem Kläger des Ausgangs­ver­fahrens eine Erhöhung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich. Nachdem der Kläger der IG Metall beigetreten war, verlangte er von der Beschwer­de­führerin eine Lohnabrechnung auf der Grundlage des zwischen der IG Metall und dem Gesamtverband Metall NRW geschlossen Mantel­ta­rif­ver­trages und klagte auf Bezahlung der sich danach ergebenden Lohndifferenz.

BAG: Austritt aus Fachgruppe führt nicht zum Wegfall der Tarif­ge­bun­denheit

Das Bundes­a­r­beits­gericht gab seiner Klage statt. Die Satzung des Arbeit­ge­ber­ver­bandes weise nicht die koali­ti­o­ns­rechtlich gebotene eindeutige Trennung zwischen Mitgliedern mit und ohne Tarifbindung auf mit der Folge, dass der Austritt aus der Fachgruppe nicht zum Wegfall der Tarifgebundenheit geführt habe. Die Beschwer­de­führerin sieht sich durch diese Entscheidung in ihrer Koali­ti­o­ns­freiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG und ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten unter­neh­me­rischen Freiheit verletzt.

BVerfG nimmt Verfas­sungs­be­schwerde nicht an

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.

Es kann dahinstehen, ob durch die Entscheidung des Bundes­a­r­beits­ge­richts in die Berufsfreiheit und/oder die Koali­ti­o­ns­freiheit der Beschwer­de­führerin eingegriffen wird, da diese Eingriffe jedenfalls verfas­sungs­rechtlich gerechtfertigt sind.

Funkti­o­ns­fä­higkeit der Tarifautonomie stellt Verfassungsrang dar

Die Funkti­o­ns­fä­higkeit der Tarifautonomie, die das Bundes­a­r­beits­gericht zur Rechtfertigung der Notwendigkeit einer eindeutigen Trennung zwischen der Mitgliedschaft mit und ohne Tarifbindung herangezogen hat, stellt einen Belang von Verfassungsrang dar. Die Tarifautonomie ist darauf angelegt, die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeits­ver­trägen durch kollektives Handeln auszugleichen und damit ein annähernd gleich­ge­wichtiges Aushandeln der Löhne und Arbeits­be­din­gungen zu ermöglichen. Durch eine Einflussnahme nicht tarifgebundener Mitglieder auf Entscheidungen des Arbeit­ge­ber­ver­bandes kann das für das Zustandekommen eines inter­es­sen­ge­rechten Tarifvertrages erforderliche Verhand­lungs­gleich­gewicht strukturell gestört sein. Nur wenn das Vorgehen des Arbeit­ge­ber­ver­bandes bei Tarif­ver­trags­ver­hand­lungen und im Arbeitskampf nicht von einer Gruppe von Mitgliedern mitbestimmt wird, die eine Tarifbindung für sich generell ablehnen, kann typischerweise ausgeschlossen werden, dass sich der Verband von sachfremden Einflüssen leiten lässt und die Tarif­ver­trags­ver­hand­lungen zu nicht sachgerechten Ergebnissen führen.

Trennung der Mitglied­s­chafts­be­reiche keine unzumutbare Belastung

Die Beschwer­de­führerin wird durch die vom Bundes­a­r­beits­gericht aufgestellten Anforderungen an die Trennung der Mitglied­s­chafts­be­reiche im Arbeitgeberverband nicht unzumutbar belastet. Denn die Möglichkeit der Mitwirkung der OT-Mitglieder im Arbeit­ge­ber­verband ist nur in dem Umfang eingeschränkt, der erforderlich ist, um sachfremde Einflüsse auf Tarif­ver­hand­lungen und Tarifergebnisse auszuschließen. Es begegnet keinen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken, dass das Bundes­a­r­beits­gericht für die Beurteilung der Trennung der Mitglied­s­chafts­be­reiche allein auf die Regelungen der Satzung des Verbandes abgestellt und angesichts der satzungsmäßigen Möglichkeit der Einflussnahme der OT-Mitglieder auf Entscheidungen über den Unter­stüt­zungsfonds als Mittel des Arbeitskampfes eine hinreichende Trennung der Mitglied­s­chafts­be­reiche verneint hat. Der Beschwer­de­führerin bleibt die Möglichkeit der OT-Mitgliedschaft für die Zukunft grundsätzlich erhalten, sofern der Arbeit­ge­ber­verband seine Satzung den Vorgaben des Bundes­a­r­beits­ge­richts anpasst.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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