23.11.2024
23.11.2024  
Sie sehen das Schild des Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss09.11.2011

BVerfG: Verfas­sungs­be­schwerde gegen die Ausgestaltung des Elterngelds als Einkom­men­s­er­satz­leistung erfolglosRegelung zum Elterngeld verletzt weder das Grundrecht auf Gleichheit noch das Recht auf Schutz und Förderung von Ehe und Familie

Die Gestaltung des Elterngelds als steuer­fi­nan­zierte Einkom­men­s­er­satz­leistung ist nicht verfas­sungs­widrig. Die gesetz­ge­be­rische Entscheidung, bei der Bemessung des Elterngelds an das bisherige Erwer­b­s­ein­kommen anzuknüpfen, beruht auf Sachgründen, die hinreichend gewichtig sind, um eine damit einhergehende Ungleich­be­handlung grundrechtlich zu rechtfertigen. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

Das Elterngeld ist gesetzlich als Einkom­men­s­ersatz ausgestaltet. Es wird in Höhe von 67 % des in den zwölf Monaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durch­schnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwer­b­s­tä­tigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Erwer­b­s­ein­kommen erzielt. Die Beschwer­de­führerin widmet sich der Erziehung ihrer fünf Kinder, während ihr Ehemann erwerbstätig ist. Für ihr 2007 geborenes Kind wurde ihr Elterngeld lediglich in Höhe des Mindestbetrages in Höhe von 300 Euro gewährt. Ihre Klage auf Gewährung von Elterngeld in Höhe des Maximalbetrages von 1.800 Euro blieb bis zum Bundes­so­zi­al­gericht erfolglos. Die Beschwer­de­führerin sieht sich hierdurch in ihren Grundrechten auf Gleichheit sowie auf Schutz und Förderung von Ehe und Familie verletzt. Durch die Ausgestaltung des Elterngelds als Entgel­ter­satz­leistung würden die Eltern, die vor der Geburt kein Erwer­b­s­ein­kommen erwirtschaftet hätten, benachteiligt und Mehrkind­fa­milien, in denen realistisch nur ein Elternteil berufstätig sein könne, diskriminiert.

BVerfG weist Verfas­sungs­be­schwerde zurück

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da die Annah­me­vor­aus­set­zungen nicht vorliegen. Die Beschwer­de­führerin ist insbesondere nicht in ihren Grundrechten verletzt.

Mögliche Ungleich­be­handlung durch Bemessung des Elterngeldes nach Erwer­b­s­ein­kommen grundrechtlich gerechtfertigt

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Die Gestaltung des Elterngelds als steuer­fi­nan­zierte Einkom­men­s­er­satz­leistung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die gesetz­ge­be­rische Entscheidung, bei der Bemessung des Elterngelds an das bisherige Erwer­b­s­ein­kommen anzuknüpfen, beruht auf Sachgründen, die hinreichend gewichtig sind, um die damit einhergehende Ungleich­be­handlung grundrechtlich zu rechtfertigen.

Elterngeld soll Entscheidung für eine Verbindung von Beruf und Familie gegenüber einem Verzicht auf Kinder begünstigen

Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber insbesondere darauf reagieren, dass Männer und Frauen sich immer später und seltener für Kinder entscheiden. Das Elterngeld soll die Entscheidung für eine Verbindung von Beruf und Familie gegenüber einem Verzicht auf Kinder begünstigen und will daher Einkom­mens­un­ter­schiede zwischen kinderlosen Paaren und Paaren mit Kindern abmildern. Dabei fördert das Elterngeld schwer­punktmäßig Erziehende mit kleinen und mittleren Einkommen, wie sie meist am Beginn der Berufstätigkeit erwirtschaftet werden. So erhalten Eltern mit geringeren Einkommen relativ eine höhere Kompensation des Erwerbsausfalls als Eltern mit hohem Einkommen, weil das Elterngeld auf 1.800 € beschränkt ist. Es ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber bei jüngeren Berufstätigen spezifische Hindernisse für die Famili­en­gründung ausmacht und darum gerade hier Anreize für die Famili­en­gründung setzt, auch wenn er darauf verzichtet hat, einen sozialen Ausgleich vorzunehmen. Die mit der einkom­mens­be­zogenen Differenzierung der Höhe des Elterngelds einhergehende Ungleich­be­handlung ist angesichts der gesetzlichen Zielsetzung verfas­sungs­rechtlich hinzunehmen, zumal die Regelung auch Eltern ohne vorgeburtliches Einkommen nicht gänzlich ohne Förderung lässt.

Gestaltung des Elterngelds soll partner­schaftliche Teilhabe beider Eltern an Erziehungs- und Betreu­ungs­aufgaben stärken

Zudem ist die Gestaltung des Elterngelds als Einkom­men­s­ersatz im Hinblick auf den aus Art. 3 Abs. 2 GG folgenden verfas­sungs­recht­lichen Auftrag des Gesetzgebers gerechtfertigt, die Gleich­be­rech­tigung der Geschlechter in der gesell­schaft­lichen Wirklichkeit durchzusetzen und überkommene Rollen­ver­tei­lungen zu überwinden. Nicht nur mit der Einführung der so genannten Vätermonate (vgl. Bundes­ver­fas­sungs­gericht, Beschluss v. 19.08.2011 - 1 BvL 15/11 -), sondern auch mit der Gestaltung des Elterngelds als Einkom­men­s­ersatz soll die partner­schaftliche Teilhabe beider Eltern an Erziehungs- und Betreu­ungs­aufgaben gestärkt werden. Die Annahme des Gesetzgebers, dadurch könnten auch Väter zur Wahrnehmung von Erzie­hungs­ver­ant­wortung ermutigt werden, ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Zahl der Väter, die Elternzeit und Elterngeld in Anspruch nehmen, seit der Einführung des Elterngelds bis 2009 von 15,4 % auf 23,9 % gestiegen.

Gericht verneint Verletzung des Grundrechts auf Förderung der Familie

Die Beschwer­de­führerin wird auch nicht in ihrem Grundrecht auf Förderung der Familie aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG verletzt, da die gesetz­ge­be­rische Entscheidung, das Elterngeld nach dem bisherigen Erwer­b­s­ein­kommen zu bemessen, von legitimen Zwecken getragen wird und der Gesetzgeber den ihm im Rahmen der Famili­en­för­derung zukommenden weiten Gestal­tungs­spielraum nicht überschritten hat.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss12625

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI