21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss19.08.2011

BVerfG: Normen­kon­trol­lantrag zur Regelung von "Partnermonaten" beim Bezug von Elterngeld unzulässigGewährung von 14 Monaten Elterngeld nur bei Inanspruchnahme von Kinder­be­treu­ungszeit beider Elternteile nicht zu beanstanden

Die Regelung, dass Elterngeld für 14 Monate nur dann gewährt wird, wenn zumindest 2 Monate vom anderen Elternteil in Anspruch genommen werden, ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht und erklärte einen vom Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen diesbezüglich eingereichten Normen­kon­trol­lantrag für unzulässig.

Elterngeld kann vom Tag der Geburt des Kindes bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats bezogen werden. Jedoch darf gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 des Bundes­el­terngeld- und Eltern­zeit­ge­setzes (BEEG) die Bezugszeit für einen Elternteil grundsätzlich nicht mehr als 12 Monate betragen, mindestens 2 Monate Elterngeld müssen vom anderen Elternteil in Anspruch genommen werden (so genannte „Partner(innen)-“ oder „Vätermonate“). Ausnahmen gelten z. B. für Allein­er­ziehende.

Klägerin hält Abhängigkeit der Gewährung des Elterngeldes von bestimmter familiärer Arbeits­ver­teilung für unzulässig

Die verheiratete Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens, der für die ersten 12 Lebensmonate ihres Kindes Elterngeld gewährt wurde, beansprucht auch für den 13. und 14. Monat Elterngeld. Die Ablehnung ihres Antrags und ihre hiergegen gerichtete Klage führten zur Vorlage durch das Landes­so­zi­al­gericht, das die Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG für verfas­sungs­widrig hält. Sie greife ungerecht­fertigt in die durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG geschützte Freiheit der Ehegatten und Eltern zur eigen­ver­ant­wort­lichen Ausgestaltung der innerfamiliären Aufga­ben­ver­teilung ein, indem sie die Gewährung des Elterngeldes zumindest für 2 Monate von einer bestimmten familiären Arbeits­ver­teilung abhängig mache.

Gericht kann nur nach eigener sorgfältiger Prüfung Entscheidung des BVerfG über Verfas­sungs­mä­ßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift einholen

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat entschieden, dass die Vorlage unzulässig ist. Ein Gericht kann die Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts über die Verfas­sungs­mä­ßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift nur einholen, wenn es zuvor selbst ihre Verfas­sungs­mä­ßigkeit sorgfältig geprüft hat. Hierbei muss es insbesondere auf die maßgebliche Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts eingehen und sich unter Berück­sich­tigung der in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Rechts­auf­fas­sungen auch mit den Gründen ausein­an­der­setzen, die im Gesetz­ge­bungs­ver­fahren für die gesetz­ge­be­rische Entscheidung maßgebend waren. Diesen Anforderungen wird die Vorlage nicht gerecht.

Gesetzgeber wollte mit "Partnermonaten" verfas­sungs­recht­lichem Auftrag zur Förderung der Gleich­be­rech­tigung von Männern und Frauen entsprechen

Die Regelung zu den „Partnermonaten“ zielt darauf ab, die partner­schaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zu fördern und dadurch die einseitige Zuweisung der Betreu­ungs­arbeit an die Frauen mit den nachteiligen Folgen auf dem Arbeitsmarkt aufzubrechen. Damit wollte der Gesetzgeber dem verfas­sungs­recht­lichen Auftrag zur Förderung der Gleich­be­rech­tigung von Männern und Frauen aus Art. 3 Abs. 2 GG entsprechen. Nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts verfolgt dieser Verfas­sungs­auftrag das Ziel, die Gleich­be­rech­tigung der Geschlechter in der gesell­schaft­lichen Wirklichkeit durchzusetzen und überkommene Rollen­ver­tei­lungen zu überwinden. Dies verpflichtet den Gesetzgeber auch dazu, einer tradierten Rollen­ver­teilung zu begegnen, nach der das Kind einseitig und dauerhaft dem „Zustän­dig­keits­bereich“ der Mutter zugeordnet würde. Mit dieser Rechtsprechung hat sich das vorlegende Landes­so­zi­al­gericht nicht hinreichend befasst. So wäre zu erwägen gewesen, ob durch die vor allem auf Väter zielende Regelung zu den „Partnermonaten“ gesell­schaftliche Vorurteile, insbesondere in der Arbeitswelt, abgebaut werden und Väter dadurch zur Inanspruchnahme von Elternzeit ermutigt werden könnten. Gleiches gilt für die Überlegung, ob die geringeren beruflichen Aufstieg­s­chancen von Frauen nicht teilweise ausgeglichen werden könnten, wenn zunehmend auch Männer von ihrem Anspruch auf Elternzeit Gebrauch machten, weil dadurch der Besorgnis der Arbeitgeber begegnet werden könnte, Frauen seien wegen der Kinderbetreuung beruflich nicht kontinuierlich verfügbar.

Vom Gesetzgeber angestrebter Zweck der Förderung partner­schaft­licher Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit erscheint möglich

Soweit das Landes­so­zi­al­gericht die Regelung zu den „Partnermonaten“ für unver­hält­nismäßig hält, weil sie nicht geeignet sei, zu einer partner­schaft­li­cheren Rollen­ver­teilung beizutragen, fehlt es an einer Ausein­an­der­setzung mit der Reichweite des gesetz­ge­be­rischen Einschätzungs- und Progno­se­spielraums. Ein vom Gesetzgeber gewähltes Mittel ist im verfas­sungs­recht­lichen Sinn bereits dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist der Anteil der Kinder, deren Vater Elterngeld bezog, in den Jahren 2007 bis 2009 von 15,4 % auf 23,9 % gestiegen. Diese Daten lassen eine Steigerung der Akzeptanz der Wahrnehmung von Famili­en­ver­ant­wortung durch Väter erwarten. Damit erscheint auch die Erreichung des vom Gesetzgeber angestrebten Zwecks, die partner­schaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zu fördern, zumindest möglich.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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