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18.01.2025  
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Dokument-Nr. 5915

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Bundesverfassungsgericht Beschluss08.04.1998

Sozie­täts­verbote zwischen Anwaltsnotar und Wirtschafts­prüfer sind verfas­sungs­widrig

Der Erste Senat des BVerfG hat in einem Verfas­sungs­be­schwerde-Verfahren entschieden, daß das Verbot einer Sozietät zwischen Anwaltsnotar und Wirtschafts­prüfer wegen Verstoßes gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verfas­sungs­widrig ist. Der Senat hat deshalb ein vom Bundes­ge­richtshof (BGH) ausgesprochenes Sozietätsverbot aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Das Verfas­sungs­be­schwerde-Verfahren betraf die Frage, ob ein Anwaltsnotar eine Sozietät mit Rechtsanwälten oder Steuerberatern eingehen darf, die zugleich Wirtschaftsprüfer sind.

Weder das Berufsrecht der Wirtschafts­prüfer oder das der Rechtsanwälte oder Notare enthält ein ausdrückliches Sozietätsverbot für Anwaltsnotare, also Rechtsanwälte, die das Amt des Notars im Nebenberuf ausüben. Geregelt ist ein solches Verbot lediglich für den "Nur-Notar" (§ 9 Abs. 1 Bundes­no­ta­r­ordnung; BNotO). "Nur-Anwälten" sind Sozie­täts­bil­dungen mit anderen Berufen, z.B. Steuerberatern und Wirtschafts­prüfern, hingegen gestattet (§ 59 a Bundes­rechts­an­walts­ordnung).

Sieben in Berlin zugelassene Anwaltsnotare zeigten im Juli 1994 dem Landge­richts­prä­si­denten an, daß ihrer Sozietät weitere sieben Mitglieder (Rechtsanwälte und Steuerberater) angehören, die außerhalb der Sozietät auch als Wirtschafts­prüfer tätig sind. Der Landge­richts­prä­sident ordnete an, daß die Sozietät mit den sieben Wirtschafts­prüfern umgehend zu beenden sei. Auf hiergegen gestellte Anträge hob das Kammergericht die Bescheide mit der Begründung auf, die Bundes­rechts­an­walts­ordnung enthalte keine Vorschrift, die es rechtfertigen könnte, Anwaltsnotare und sonstige Rechtsanwälte unterschiedlich zu behandeln. Der BGH stellte die Bescheide des Landge­richts­prä­si­denten wieder her, weil schon die Verbindung als solche die Gefahr von Inter­es­sen­kon­flikten in sich berge. Es müsse jedoch schon der Anschein einer Gefährdung vermieden werden. Anwaltsnotaren die Sozietät mit einem Steuerberater zu gestatten, sie ihnen aber mit einem Wirtschafts­prüfer zu untersagen, verstoße auch nicht gegen den Gleich­be­hand­lungs­grundsatz. Der Wirtschafts­prüfer nehme im wesentlichen betrie­bs­wirt­schaftliche Unter­neh­mungs­prü­fungen vor. Das unterscheide ihn grundlegend von der beratenden Tätigkeit des Rechtsanwalts und der des Steuerberaters.

Hiergegen erhoben die sieben Anwaltsnotare (Beschwer­de­führer) Verfas­sungs­be­schwerde und rügten u.a. eine Verletzung der Berufsfreiheit und des allgemeinen Gleich­heits­satzes.

Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts

Die Verfas­sungs­be­schwerde ist begründet. Das Sozietätsverbot verstößt gegen Art. 12 Abs. 1 GG (1) und gegen Art. 3 Abs. 1 GG (2).

Im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit fehlt es an der gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG erforderlichen gesetzlichen Grundlage für ein empfindlich in die Berufs­aus­übungs­freiheit eingreifendes richter­recht­liches Sozietätsverbot.

Allerdings hat das BVerfG in den Jahren 1980 und 1989 der Rechtsprechung noch zugestanden, Sozie­täts­verbote aus dem Gesamt­zu­sam­menhang des notariellen Berufsrechts und aus den hergebrachten Berufsbildern abzuleiten. Daran ist jedoch aus heutiger Sicht im Ergebnis nicht festzuhalten.

Seit den Entscheidungen zu den anwaltlichen Standes­richt­linien ist zunehmend die gesetz­ge­be­rische Verantwortung für empfindliche Einschränkungen der Berufsfreiheit, zu denen auch die Sozie­täts­verbote gehören, eingefordert worden. Da es dem Gesetzgeber obliegt, die Gefährdung von Rechtsgütern einzuschätzen, ihre Schutz­wür­digkeit zu bewerten und die Mittel zu ihrem Schutz zu bestimmen, legt Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG dem Richter besondere Zurückhaltung auf, wenn er vornehmlich aus bloßen gesetz­ge­be­rischen Zielsetzungen die Wahl der erforderlichen Mittel abzuleiten sucht. Hinzu kommt, daß sich das Berufsrecht der Wirtschafts­prüfer und Rechtsanwälte in den letzten Jahren verändert hat und nicht zuletzt durch das Partner­schafts­ge­sell­schafts­gesetz auch die Sozie­täts­mög­lich­keiten neu geregelt worden sind. Hierdurch hat der Gesetzgeber ein von der Rechtsprechung angenommenes Sozietätsverbot weder bestätigt noch selbst geregelt. Wie die Unabhängigkeit und Unpar­tei­lichkeit des Notars gesichert wird und mit welchen Mitteln dies geschieht, hat der Gesetzgeber zu entscheiden. Bis zu einer Reform des Notarrechts fehlt es an einer Legitimation für das früher in der Rechtsprechung entwickelte Sozietätsverbot zwischen dem Anwaltsnotar und dem Wirtschafts­prüfer.

Obwohl es dem Gesetzgeber im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG weitgehend freisteht, durch welche Einschränkungen der Berufsausübung er erkennbaren Gefährdungen für die Unabhängigkeit und Unpar­tei­lichkeit der Notare begegnen will, müssen diese Berufs­aus­übungs­re­ge­lungen so ausgestaltet werden, daß der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gewahrt wird. Dieser Maßstab ist bereits früher deutlich herausgestellt worden (vgl. BVerfGE 80, 269 (279)). Solange daher der Anwaltsnotar selbst Steuerberater sein darf und auch nicht gehindert ist, sich mit Nur-Steuerberatern zur gemeinsamen Berufsausübung zusam­men­zu­schließen, hat das Verbot einer Sozietät zwischen Anwaltsnotaren und Wirtschafts­prüfern vor Art. 3 Abs. 1 GG keinen Bestand. Die Unterschiede zwischen einem Steuerberater und einem Wirtschafts­prüfer sind nicht von solcher Art und solchem Gewicht, daß sie die Ungleich­be­handlung rechtfertigen könnten. Wie den Rechtsanwälten obliegt den Wirtschafts­prüfern Beratung und Vertretung in rechtlichen und wirtschaft­lichen Fragen. Auch die einseitige Inter­es­sen­wahr­nehmung, die den Wirtschafts­prüfern außerhalb der Vorbe­halts­aufgaben erlaubt ist, unterscheidet sie nicht von Steuerberatern oder Anwaltsnotaren. Befürchtete der Gesetzgeber, daß einseitige Inter­es­sen­wahr­nehmung die Unpar­tei­lichkeit und Unabhängigkeit des Notars in Frage stellte, wäre nicht nur ein Sozietätsverbot, sondern in erster Linie die Einführung des Nur-Notariats geboten.

Verbleibende Unterschiede, die sich allein aus den Vorbe­halts­aufgaben der Wirtschafts­prüfer oder ihrer spezifischen Berufsstruktur ergeben könnten, rechtfertigen die Ungleich­be­handlung nicht. Gerade in diesem Bereich unterliegt der Wirtschafts­prüfer besonders strengen Anforderungen an seine Unabhängigkeit und Unpar­tei­lichkeit, woraus deutlich wird, daß auch er öffentlich eingebunden ist. Deshalb ist er auch verpflichtet, sich insoweit in besonderem Maße des ihm entge­gen­ge­brachten Vertrauens würdig zu erweisen. Angesichts der Verpflichtung zur Unabhängigkeit und Unpar­tei­lichkeit ähneln sich vielmehr die den Rechtsanwälten jeweils zusätzlich möglichen Berufe des Notars und des Wirtschafts­prüfers. Nichts deutet auf ein gegenüber dem Steuerberater überschießendes Gefähr­dungs­po­tential im Hinblick auf den in derselben Sozietät tätigen Anwaltsnotar hin.

Der vom Bundes­ge­richtshof besorgten unerwünschten Änderung im allgemeinen Rechts­be­wußtsein hinsichtlich der Unabhängigkeit und Unpar­tei­lichkeit des Notars kann mit einem Sozietätsverbot nicht begegnet werden. Der irreführende Eindruck einer umfassenden Beratung hängt nicht davon ab, ob der Sozietät Wirtschafts­prüfer angehören; sie beruht schon auf der Doppelstellung des Anwaltsnotars, der nur durch Mitwir­kungs­verbote gebunden ist. Zutreffend ist allerdings, daß sich das Berufsbild des Anwaltsnotars von dem des NurNotars hierdurch weiter entfernt. Diesem Gesichtspunkt kommt aber kein solches Gewicht zu, daß er die Ungleich­be­handlung rechtfertigen könnte. Zwar üben der Anwaltsnotar und der NurNotar gleichermaßen ein öffentliches Amt aus. In Anbetracht der unter­schied­lichen gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltungen des Notarberufs in der Bundesrepublik ist es aber darüber hinaus kaum möglich, von einem einheitlichen Berufsbild des Notars auszugehen. Jedenfalls kann die Beurteilung des beruflich zulässigen Verhaltens sich nicht allein am Berufsbild des Nur-Notars orientieren, wenn das Anwaltsnotariat als eine von der Bundes­no­ta­r­ordnung zugelassene Form des Notarberufs Besonderheiten nach sich zieht. Zu diesen Besonderheiten gehören insbesondere die Möglichkeiten, sich mit Angehörigen anderer (freier) Berufe zur gemeinsamen Berufsausübung zu verbinden.

Gesetzliche Neuregelung

Die beanstandete Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs ist aufgehoben worden. Ohne eine gesetzliche Neuregelung ist ein Verbot der Sozie­täts­bildung von Anwaltsnotaren mit Wirtschafts­prüfern nicht aufrecht­zu­er­halten.

Vorgaben für den Gesetzgeber enthält die Entscheidung jedoch nicht. Welche Wege der Gesetzgeber einschlagen wird, ist ihm überlassen. Sofern er Sozie­täts­verbote für das geeignete Mittel zur Sicherung der Unabhängigkeit und Unpar­tei­lichkeit des Notars ansieht, ist ihm deren Einführung grundsätzlich nicht verwehrt, wenn er die verschiedenen Berufsgruppen und Berufs­qua­li­fi­ka­tionen gleichmäßig behandelt.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 58/98 des BVerfG vom 29.05.1998

der Leitsatz

Das Verbot einer Sozietät zwischen Anwaltsnotaren und Wirtschafts­prüfern verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG, solange der Anwaltsnotar selbst Steuerberater sein darf und auch nicht gehindert ist, sich mit Nur-Steuerberatern zur gemeinsamen Berufsausübung zusam­men­zu­schließen.

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