23.11.2024
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Dokument-Nr. 9521

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Bundesverfassungsgericht Beschluss15.04.2010

Verfas­sungs­be­schwerden zu Start­gut­schriften für rentenferne Versicherte der VBL abgelehntTarif­ver­trags­parteien müssen Gelegenheit zur Neuregelung erhalten

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat Verfas­sungs­be­schwerden gegen die in Form so genannter Start­gut­schriften ermittelte Höhe der Rente­n­an­wart­schaften der rentenfernen Versicherten der Versor­gungs­anstalt des Bundes und der Länder (VBL) mangels Beschwer für unzulässig erklärt.

Die Verfas­sungs­be­schwerden des zugrunde liegenden Falls betreffen die in Form von so genannten Start­gut­schriften ermittelte Höhe der Rente­n­an­wart­schaften der rentenfernen Versicherten der Versor­gungs­anstalt des Bundes und der Länder (VBL). Die VBL hat die Aufgabe, den Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privat­recht­licher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwer­bs­min­derungs- und Hinter­blie­be­nen­ver­sorgung zu gewähren. Durch Neufassung ihrer Satzung (VBLS) hat sie ihr Zusatz­ver­sor­gungs­system zum 31. Dezember 2001 umgestellt. Der Systemwechsel ist Folge einer Einigung der Tarif­ver­trags­parteien des öffentlichen Dienstes. Darin wurde das bisherige endge­halts­be­zogene Gesamt­ver­sor­gungs­system aufgegeben und durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betrie­bs­ren­ten­system ersetzt. Die VBLS enthält ebenfalls auf Vereinbarungen der Tarif­ver­trags­parteien beruhende Überg­angs­re­ge­lungen für die bis zur Syste­mum­stellung erworbenen Rente­n­an­wart­schaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als Start­gut­schriften auf die neuen Versor­gungs­konten der Versicherten übertragen. Dabei wird zwischen rentennahen und rentenfernen Versicherten unterschieden.

BGH erklärt Überg­angs­re­gelung für rentenferne Versicherte für unwirksam und auf Überg­angs­vor­schriften beruhende Start­gut­schriften für unverbindlich

Die Beschwer­de­führer, die beide am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, gehören der Gruppe der rentenfernen Versicherten an. Sie erstrebten die Feststellung, dass die ihnen durch die VBL erteilten Start­gut­schriften unverbindlich seien und die ihnen zu gewährenden Zusatz­ver­sor­gungs­renten bestimmte Mindestwerte erreichen müssten. Zudem wollten sie die VBL verpflichten, bei einer Neuberechnung bestimmte Berech­nungs­elemente zugrunde zu legen. Der Bundes­ge­richtshof erklärte zwar die Überg­angs­re­gelung für die rentenfernen Versicherten wegen eines gleich­heits­widrigen Berech­nungs­details für unwirksam und die auf den Überg­angs­vor­schriften beruhenden Start­gut­schriften für unverbindlich. Er lehnte es aber ab, die dadurch in der VBLS entstandene Lücke selbst zu schließen. Den Tarif­ver­trags­parteien müsse mit Blick auf deren in Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie Gelegenheit zur Neuregelung gegeben werden (vgl. Bundes­ge­richtshof, Urteil v. 14.11.2007 - IV ZR 74/06 -).

BVerfG: Angegriffene Entscheidungen enthielten keine nachteiligen Rechtswirkungen zu Lasten der Beschwer­de­führer

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfas­sungs­be­schwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfas­sungs­be­schwerden sind mangels Beschwer unzulässig, soweit die Beschwer­de­führer vorbringen, die Gerichte hätten die Verfas­sungs­wid­rigkeit zahlreicher weiterer Punkte in den Überg­angs­vor­schriften verkannt. Die Beschwer muss sich unmittelbar aus dem Tenor der Entscheidung ergeben und kann grundsätzlich nicht darauf beruhen, dass ein Gericht lediglich in den Entschei­dungs­gründen eine Rechts­auf­fassung vertreten hat, die die Beschwer­de­führer für grund­rechts­widrig erachten. Die angegriffenen Entscheidungen hatten die Unver­bind­lichkeit der erteilten Start­gut­schriften festgestellt und enthielten daher keine nachteiligen Rechtswirkungen zu Lasten der Beschwer­de­führer. Bei der notwendigen Neuregelung werden die Tarif­ver­trags­parteien die Verfas­sungs­mä­ßigkeit der Überg­angs­re­ge­lungen für rentenferne Versicherte ohnehin neu zu überdenken haben.

Staat muss sich seiner Einflussnahme im Betätigungsfeld der Tarif­ver­trags­parteien grundsätzlich enthalten

Die Verfas­sungs­be­schwerden sind auch unbegründet. Es ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Bundes­ge­richtshof den über die Feststellung der Unver­bind­lichkeit der Start­gut­schriften hinaus­rei­chenden Begehren der Beschwer­de­führer unter Verweis auf die Tarifautonomie der Tarif­ver­trags­parteien nicht entsprach. Die Abwägung des Bundes­ge­richtshofs zwischen den Interessen der Versicherten und der Tarifautonomie lässt eine grundsätzliche Verkennung der Bedeutung und Tragweite des Gebotes des effektiven Rechtsschutzes nicht erkennen. Eine gerichtliche Festlegung der VBL auf bestimmte Anwart­schaftswerte oder Berechnungswege kommt hier angesichts der verfas­sungs­rechtlich geschützten Tarifautonomie nicht in Betracht. Solange für eine Neuregelung mehrere verfas­sungs­konforme Möglichkeiten offen stehen, hat sich der Staat im Betätigungsfeld der Tarif­ver­trags­parteien grundsätzlich der Einflussnahme zu enthalten. Hinreichender Rechtsschutz der Versicherten ist dadurch gewährleistet, dass sie eine zu erwartende Neuregelung wiederum einer gerichtlichen Kontrolle unterziehen können.

Quelle: ra-online, BVerfG

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