15.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss27.02.2008

Erfolglose Verfas­sungs­be­schwerde gegen das gesetzliche Auswahl­ver­fahren für die Zulassung als Rechtsanwalt bei dem Bundes­ge­richtshofBegrenzung der bei dem Bundes­ge­richtshof zugelassenen Rechtsanwälte ist verfas­sungsgemäß

Die Vorschriften der Bundes­rechts­an­walts­ordnung für das Wahlverfahren der Rechtsanwälte bei dem Bundes­ge­richtshof sind verfas­sungsgemäß. Das Zulas­sungs­ver­fahren schränkt zwar die Berufs­aus­übungs­freiheit ein. Es ist jedoch ausreichend bestimmt geregelt und durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

Vor dem Bundes­ge­richtshof können sich die Beteiligten in zivil­recht­lichen Verfahren nur durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, der bei dem Bundes­ge­richtshof zugelassen ist. Das Auswahlverfahren für die Zulassung als Rechtsanwalt bei dem Bundes­ge­richtshof ist in der Bundes­rechts­an­walts­ordnung geregelt. Voraussetzung einer Zulassung ist eine Benennung durch den Wahlausschuss für Rechtsanwälte bei dem Bundes­ge­richtshof. Der Vorsitzende des Wahlausschusses teilt dem Bundes­mi­nis­terium der Justiz das Ergebnis der Wahl mit. Dieses trifft dann unter den gewählten Bewerbern die Entscheidung über den Antrag auf Zulassung als Rechtsanwalt bei dem Bundes­ge­richtshof.

Der Beschwer­de­führer ist Fachanwalt für Verwal­tungsrecht und wurde in die Vorschlagsliste der Bundes­rechts­an­walts­kammer aufgenommen. Der Wahlausschuss legte einen Bedarf von sieben Neuzulassungen fest. In der anschließenden Wahl ergab sich für den Beschwer­de­führer keine Mehrheit, um auf einen der 14 Rangplätze der dem Bundes­mi­nis­terium der Justiz vorgelegten Bewerberliste aufgenommen zu werden.

Die Verfas­sungs­be­schwerde des Beschwer­de­führers, mit der er sich insbesondere gegen das in der Bundes­rechts­an­walts­ordnung normierte Auswahl­ver­fahren wandte, wurde von der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts nicht zur Entscheidung angenommen. Die Vorschriften der Bundes­rechts­an­walts­ordnung für das Wahlverfahren der Rechtsanwälte bei dem Bundes­ge­richtshof sind verfas­sungsgemäß. Das Zulas­sungs­ver­fahren schränkt zwar die Berufs­aus­übungs­freiheit ein. Es ist jedoch ausreichend bestimmt geregelt und durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. Zwar hat der Gesetzgeber dem Wahlausschuss keine Vorgaben zur konkreten Bestimmung der Anzahl der bei dem Bundes­ge­richtshof zuzulassenden Rechtsanwälte gemacht. Die Auslegung führt mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck aber zu dem Ergebnis, dass die angemessene Zahl der bei dem Bundes­ge­richtshof zuzulassenden Rechtsanwälte an den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege auszurichten ist. Aufgrund der Notwendigkeit einer ausreichenden Beschäf­ti­gungs­mög­lichkeit beschränkt einerseits der Geschäftsanfall der Zivilsenate die Zahl der Zulassungen, während andererseits die sachgerechte Wahrnehmung der Interessen der Rechtsuchenden gebietet, dass für die Parteien eine hinreichende Auswahl unter mehreren Rechtsanwälten möglich ist.

Begrenzung durch Verfolgung von Zielen mit gewichtigem Gemeinwohl gerechtfertigt

2. Mit der Begrenzung der bei dem Bundes­ge­richtshof zugelassenen Rechtsanwälte verfolgt der Gesetzgeber ein gewichtiges Gemeinwohlziel, das die Beschränkungen der Berufsausübung legitimiert.

Die Regelung bezweckt eine Förderung und Weiter­ent­wicklung der höchst­rich­ter­lichen Rechtsprechung in Zivilsachen. Durch die Konzentration ihrer Tätigkeit auf die Zivilsachen bei dem Bundes­ge­richtshof sowie durch die Beschränkung der Zahl der zugelassenen Rechtsanwälte soll sichergestellt werden, dass die Revisi­ons­anwälte mit der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs und der darauf beruhenden Auslegung und Fortbildung des Rechts auf das Genaueste vertraut sind. Aufgrund dieser besonderen Kenntnisse sowie ihrer allgemein hohen juristischen Qualifikation sollen sie die Weiter­ent­wicklung der Rechtsprechung sichern und voranbringen. Überdies soll die höchst­rich­terliche Rechtsprechung durch die Filterfunktion der Revisi­ons­anwälte gefördert werden, indem die Revisi­ons­anwälte an sie herangetragene aussichtslose Verfahren vom Bundes­ge­richtshof fernhalten und auf diese Weise die richterliche Arbeitskraft nicht durch Verfahren gebunden wird, die für die eigentliche Aufgabe des Revisi­ons­ge­richts unerheblich sind.

Das Auswahl­ver­fahren und die Zulas­sungs­be­grenzung sind auch verhältnismäßig; insbesondere ist die Zulas­sungs­kon­tin­gen­tierung erforderlich. Zwar gibt es bei den anderen obersten Bundesgerichten keine nur dort vertre­tungs­be­rechtigte Rechts­an­walt­schaft. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, auf eine besondere Rechts­an­walt­schaft könne ohne Nachteile für wesentliche Belange des Gemeinwohls auch bei dem Bundes­ge­richtshof verzichtet werden. Eine vom Bundes­mi­nis­terium der Justiz eingesetzte Kommission kam nach Anhörung der Vertreter der obersten Bundesgerichte 1998 im Gegenteil zu dem Ergebnis, dass eine spezielle Anwaltschaft auch bei den übrigen obersten Bundesgerichten wünschenswert wäre, weil die Qualität der Prozess­ver­tretung dort verbes­se­rungs­würdig erscheine. Die Rechts­an­walt­schaft bei dem Bundes­ge­richtshof kann auch nicht unter Verzicht auf die zahlenmäßige Begrenzung der zugelassenen Rechtsanwälte aufrecht­er­halten werden. Selbst bei strengen Eignungs­prü­fungen lässt die Situation auf dem Anwaltsmarkt eine hohe Zahl von Zulassungen und einen hiermit verbundenen starken Konkurrenzdruck befürchten. Gerade die Effektivität der Filterwirkung der Revisi­ons­anwälte beruht aber vor allem auf deren wirtschaft­licher Unabhängigkeit. Schließlich ist die gesetzliche Regelung auch angemessen. Die Zulas­sungs­be­schränkung betrifft nur einen sehr kleinen Teil der anwaltlichen Berufsausübung.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 41/2008 des BVerfG vom 27. März 2008

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