Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer ist Sohn des ehemaligen Oberbürgermeisters einer süddeutschen Großstadt (Amtszeit: Ende der siebziger Jahre bis Mitte der achtziger Jahre) und praktiziert als Partner einer seinen Familiennamen tragenden Anwaltskanzlei. Ein deutschlandweit vertriebenes Nachrichtenmagazin veröffentlichte im Jahr 1978 einen Porträtbeitrag über den damaligen Oberbürgermeister, aus dem sich auch ergibt, dass der Beschwerdeführer dessen Sohn ist. Der Beitrag ist weiterhin im Online-Archiv des Magazins auffindbar. Bei einer Eingabe des Namens des Beschwerdeführers in die Internetsuchmaschine „Google“ erschien ein Nachweis und eine Verlinkung dieses Berichts auf der fünften Seite der Liste dort nachgewiesener Internetseiten. Aus diesem Grund verklagte der Beschwerdeführer, der nicht öffentlich als Sohn mit dem ehemaligen Oberbürgermeister in Verbindung gebracht werden möchte, die Verlegerin des Magazins erfolglos, es zu unterlassen, ihn namentlich in dem online vorgehaltenen Bericht zu nennen. Gegen die zivilgerichtliche Zurückweisung seines Unterlassungsbegehrens richtete sich die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers.
Soweit der Beschwerdeführer sich auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung stützt, sei der Schutzgehalt dieser Gewährleistung nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht berührt. Wie sich insbesondere aus der jüngsten Senatsrechtsprechung zum sogenannten Recht auf Vergessen ergebe, schütze diese besondere Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor den spezifischen Gefährdungen einer intransparenten, von den Betroffenen nicht mehr nachzuvollziehenden oder zu kontrollierenden Sammlung und Verknüpfung personenbezogener Daten, nicht aber vor der Mitteilung personenbezogener Informationen im öffentlichen Kommunikationsprozess.
Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze die freie Entfaltung der Persönlichkeit und biete dabei insbesondere Schutz vor einer personenbezogenen Berichterstattung und Verbreitung von Informationen, die geeignet seien, die Persönlichkeitsentfaltung erheblich zu beeinträchtigen, so das Bundesverfassungsgericht. Es gewährleiste jedoch nicht das Recht, öffentlich so wahrgenommen zu werden, wie es den eigenen Wünschen entspricht. Soweit das öffentlich zugängliche Vorhalten eines Berichts, insbesondere in Online-Pressearchiven, in Rede steht, sei dessen Zulässigkeit ausgehend vom Grundsatz der Zulässigkeit wahrer Berichterstattung aus dem Bereich der Sozialsphäre anhand einer Abwägung der im Zeitpunkt des jeweiligen Löschungsverlangens bestehenden gegenläufigen grundrechtlich geschützten Interessen zu beurteilen. Dabei seien insbesondere das Interesse der Presse am unveränderten öffentlichen Vorhalten ihrer zulässig veröffentlichten Berichte und das allgemeine Interesse der Öffentlichkeit an einer fortgesetzten Verfügbarkeit zutreffender Informationen zu berücksichtigen.
Diesen Vorgaben genügen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die angegriffenen Entscheidungen. Sie erkennen neben dem weiterhin bestehenden Informationswert des archivierten Artikels, den sie in nachvollziehbarer Weise begründen, auch ein allgemeines Interesse der Presse an, ihre Archive möglichst vollständig und unverändert der Öffentlichkeit verfügbar zu halten. Dabei nehmen sie - grundrechtlich nicht zu beanstanden - an, dass dem Beschwerdeführer aus der öffentlichen Kenntnis um sein Kindschaftsverhältnis zu dem ehemaligen Oberbürgermeister keine erheblichen negativen Folgen drohen. Insofern gehen sie nachvollziehbar davon aus, dass die aus der Verfügbarkeit des Berichts drohenden Persönlichkeitsbeeinträchtigungen nicht ähnlich schwer wiegen wie bei einer Berichterstattung über schwere Straftaten oder allgemein grob missbilligtes Verhalten.
Eine die Löschung oder Verbergung der persönlichen Daten gebietende Wirkung des Berichts ergebe sich insbesondere auch deshalb nicht, so das Bundesverfassungsgericht, weil dessen Nachweis bei einer Namenssuche durch Internetsuchmaschinen nur auf Position 40 bis 50 erscheint und damit nicht prioritär nachgewiesen wird. Es sei daher nicht erkennbar, dass Personen, die nicht intensive Recherchen anstellen, in persönlichkeitsverletzender Weise auf den Bericht und damit auf das Kindschaftsverhältnis zu dem ehemaligen Oberbürgermeister hingelenkt würden.
Auch die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Erschwerungen einer selbstbestimmten Persönlichkeitsentfaltung aufgrund der Kenntnis um die ehemals prominente gesellschaftliche und politische Stellung seines Vaters hielt das Bundesverfassungsgericht für unbeachtlich. Zwar möge dieser Gesichtspunkt eine selbständige Persönlichkeitsrelevanz für die Kinder prominenter Personen besitzen. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleiste jedoch auch insoweit keine einseitig durch die Betroffenen bestimmte Selbstdefinition.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.04.2020
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)