18.10.2024
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Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 21088

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Beschluss13.05.2015Bundesverfassungsgericht1 BvQ 9/15
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2015, 692Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2015, Seite: 692
  • NZM 2015, 446Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM), Jahrgang: 2015, Seite: 446
  • WuM 2015, 333Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM), Jahrgang: 2015, Seite: 333
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Bundesverfassungsgericht Beschluss13.05.2015

Bundes­verfassungs­gericht weist Einstweilige Anordnung gegen das Inkrafttreten des „Bestel­ler­prinzips“ bei Makler­pro­vi­sionen für Wohnraum­mietverträge abUmsatzrückgänge allein stellen keine Bedrohung dar

Das Bundes­verfassungs­gericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das zum 1. Juni 2015 vorgesehene Inkrafttreten des „Bestel­ler­prinzips“ bei Makler­pro­vi­sionen für Wohnraum­mietverträge abgelehnt. Der Beschluss beruht auf einer Folgenabwägung. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung müssten die Nachteile, die durch das vorübergehende Inkrafttreten eines - nach abschließender Prüfung - verfas­sungs­widrigen Gesetzes entstünden, die Nachteile deutlich überwiegen, die mit der vorläufigen Verhinderung eines verfas­sungs­mäßigen Gesetzes verbunden wären. Den Antragstellern ist die Darlegung eines hinreichend schwerwiegenden Nachteils jedoch weder für die Gesamtheit der Wohnungs­ver­mittler noch im Hinblick auf ihre eigene Situation gelungen.

Zum 1. Juni 2015 soll das Mietrechts­no­vel­lie­rungs­gesetz vom 21. April 2015 in Kraft treten. Hierdurch wird das „Bestel­ler­prinzip“ bei der Vermittlung von Mietverträgen über Wohnraum eingeführt. Danach kommt ein Vertrag zwischen Wohnung­s­u­chendem und Makler nur zustande, wenn der Wohnungsuchende dem Makler einen Suchauftrag erteilt und dieser ausschließlich im Interesse des Wohnung­s­u­chenden und nicht für den Vermieter tätig wird. Vereinbarungen, durch die Wohnungsuchende verpflichtet werden, ein vom Vermieter oder einem Dritten geschuldetes Vermitt­lungs­entgelt zu zahlen, sind unwirksam. Verstöße können mit Bußgeldern bis zu 25.000 Euro gegenüber dem Wohnungs­ver­mittler verfolgt werden.

Makler sehen sich durch "Bestel­ler­prinzip" in ihrer wirtschaft­lichen Existenz bedroht

Antragsteller sind zwei Immobi­li­en­makler, die sich durch die Einführung dieses „Bestel­ler­prinzips“ in ihrer wirtschaft­lichen Existenz bedroht sehen, sowie ein Wohnungsmieter, der eine Verletzung seines Rechts auf Vertrags­freiheit rügt. Neben dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben sie mit den gleichen Rügen Verfas­sungs­be­schwerde erhoben, über die noch zu entscheiden ist (1 BvR 1015/15).

1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundes­ver­fas­sungs­gericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Folgenabwägung ist ein besonders strenger Maßstab anzulegen, wenn die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes begehrt wird, weil der Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung stets einen erheblichen Eingriff in die Gestal­tungs­freiheit des Gesetzgebers darstellt. Ein Gesetz darf deshalb nur dann vorläufig am Inkrafttreten gehindert werden, wenn die Nachteile, die mit seinem Inkrafttreten nach späterer Feststellung seiner Verfas­sungs­wid­rigkeit verbunden wären, in Ausmaß und Schwere die Nachteile deutlich überwiegen, die im Falle der vorläufigen Verhinderung eines sich als verfas­sungsgemäß erweisenden Gesetzes einträten. Bei dieser Folgenabwägung sind die Auswirkungen auf alle von dem Gesetz Betroffenen zu berücksichtigen, nicht nur Folgen, die sich für den Antragsteller ergeben. Die Erfolgs­aus­sichten der Verfas­sungs­be­schwerde bleiben grundsätzlich außer Betracht, es sei denn, sie erweist sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet.

Bundes­ver­fas­sungs­gericht trifft Folgenabwägung

2. Die Verfas­sungs­be­schwerde der antrag­stel­lenden Makler ist zwar weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Nach dem Ergebnis der Folgenabwägung kann aber keine einstweilige Anordnung ergehen, denn die Darlegungen der Antragsteller genügen hierfür nicht.

a) Die Geset­zes­be­gründung geht von Umsatz­rü­ck­gängen für Wohnungs­ver­mittler durch die Neuregelung in Höhe von circa 310 Millionen Euro aus. Auf dieser Grundlage, die von den Antragstellern nicht mit belastbaren weiteren Angaben ergänzt worden ist, ist die für den ganzen Berufsstand der Wohnungs­ver­mittler geltend gemachte Existenz­be­drohung nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Nach den Daten des Statistischen Bundesamtes gab es im Jahr 2012 in Deutschland 37.900 Unternehmen, die ihren wirtschaft­lichen Schwerpunkt in der Vermittlung und Verwaltung von Grundstücken, Gebäuden und Wohnungen für Dritte haben. Diese Unternehmen setzten rund 17,1 Milliarden Euro um, durch­schnittlich somit 451.000 Euro pro Unternehmen. Auf Basis der in der Geset­zes­be­gründung genannten Zahlen ergibt sich eine durch­schnittliche Belastung dieser Unternehmen in Höhe von jährlich circa 8.200 Euro. Von einer Existenz­be­drohung des gesamten Berufsstandes der Wohnungs­ver­mittler ist also nicht auszugehen.

b) Im Hinblick auf die eigene Situation der Antragsteller ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass wirtschaftliche Nachteile, die Einzelnen durch den Vollzug eines Gesetzes entstehen, im Allgemeinen nicht geeignet sind, die Aussetzung der gesamten Anwendung von Normen zu begründen. Unter welchen Umständen ausnahmsweise anderes zu gelten hat, wenn die unmittelbare Gefahr besteht, dass ein Gewerbebetrieb vollständig zum Erliegen kommt und dadurch ein irreparabler Schaden entsteht, kann vorliegend offen bleiben. Der erste Antragsteller behauptet angesichts seiner weiteren Einnahmequellen nicht einmal, dass die Einführung des „Bestel­ler­prinzips“ den Fortbestand seines Unternehmens gefährden könnte. Demgegenüber macht der zweite Antragsteller zwar geltend, dass ihm die Insolvenz drohe, falls das Mietrechts­no­vel­lie­rungs­gesetz in Kraft trete, belegt dies allerdings nicht durch konkrete Zahlen.

Verfas­sungs­be­schwerde und Eilantrag eines Mieters offensichtlich unzulässig

3. Die Verfas­sungs­be­schwerde des antrag­stel­lenden Wohnungsmieters ist bereits offensichtlich unzulässig. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist daher abzulehnen, ohne dass es einer Folgenabwägung bedarf. Insbesondere ist nicht zu ersehen, dass er - als Mieter beziehungsweise Wohnung­s­u­chender - in seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Vertrags­freiheit verletzt sein könnte. Es bleibt ihm weiterhin unbenommen, über den Nachweis oder die Vermittlung von Wohnraum wirksame Maklerverträge zu schließen und sich zur Zahlung der Courtage zu verpflichten.

Quelle: ra-online, Bundesverfassungsgericht (pm/pt)

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