23.11.2024
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Dokument-Nr. 7764

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Bundessozialgericht Urteil23.04.2009

Möglicherweise Versor­gungs­schutz auch bei Teilnahme an einer ImpfstudieBSG zum Anspruch auf Versorgung bei erlittener Schwerst­be­hin­derung durch Impfschaden während einer Studie

Wer durch eine Schutzimpfung, die von der zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in deren Bereich vorgenommen wurde, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach dem Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz wegen der Folgen dieses Impfschadens Versorgung nach den Grundsätzen der Kriegs­op­fer­ver­sorgung.

Der 9. Senat des Bundes­so­zi­al­ge­richts hat an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, dass der öffentlichen Impfempfehlung ein von der zuständigen Behörde verursachter Rechtsschein einer solchen Empfehlung gleichsteht. Darüber hinaus hat er Kriterien heraus­ge­ar­beitet, nach denen eine derartige "Rechts­scheins­haftung" des Staates in Betracht kommt, wenn der Impfling an einer Impfstudie teilgenommen hat. Eine Impfstudie dient der klinischen Prüfung von Impfstoffen, die noch nicht zugelassen sind. Solche Impfungen sind nicht öffentlich empfohlen.

Schutzimpfung mit noch nicht zugelassenem Impfstoff führte zu Behinderung bei Testperson

In der vom Bundes­so­zi­al­gericht entschiedenen Revisionssache erhielt die im März 2002 geborene Klägerin als Säugling im Rahmen einer Impfstudie dreimal eine Siebenfach-Kombi­na­ti­o­ns­impfung, u.a. gegen Meningokokken-Infektionen. Dabei wurde ein Impfstoff verwendet, der noch nicht zugelassen war. Darüber hinaus war eine Schutzimpfung gegen Meningokokken-Infektionen seinerzeit nur für gefährdete Personen öffentlich empfohlen, zu denen die Klägerin nicht gehörte. Bei einer Vorsor­ge­un­ter­suchung im September 2002 wurden bei der Klägerin Entwick­lungs­ver­zö­ge­rungen festgestellt. Inzwischen ist sie schwerst­be­hindert.

Elter­n­in­for­mation des Pharma­un­ter­nehmens erweckte möglicherweise Einduck einer öffentlichen Impfempfehlung

Ausgehend von den Tatsa­chen­fest­stel­lungen des Landes­so­zi­al­ge­richts hat das Bundes­so­zi­al­gericht zunächst bestätigt, dass ein gesetzlicher Versorgungsanspruch der Klägerin schon deswegen ausscheidet, weil sie keinen zugelassenen, also auch nicht öffentlich empfohlenen Impfstoff erhalten hat. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz lässt sich jedoch ein dem Beklagten zurechenbarer Rechtsschein einer öffentlichen Impfempfehlung nicht ohne weitere Ermittlungen verneinen. Möglicherweise ist durch die bei der Studie verwendete schriftliche Elter­n­in­for­mation des Pharma­un­ter­nehmens der falsche Eindruck erweckt worden, mit der Teilnahme an der Studie werde einer öffentlichen Impfempfehlung entsprochen. Mit dieser Elter­n­in­for­mation könnte sich zuvor die bei der Ärztekammer Schleswig-Holstein eingerichtete Ethikkommission befasst haben. Zu deren Aufgaben gehört es auch, darauf zu achten, dass die an der Studie Teilnehmenden zutreffend informiert werden, bevor sie ihre Einwilligung erklären. Versäumnisse der Ethikkommission könnten dem schleswig-holsteinischen Gesund­heits­mi­nis­terium zuzurechnen sein. Darüber hinaus hat dieses selbst im vorliegenden Zusammenhang Überwa­chungs­pflichten und -befugnisse, die es ihm ermöglicht haben könnten, eine irreführende Elter­n­in­for­mation zu verhindern.

Dementsprechend hat das Landes­so­zi­al­gericht den Sachverhalt und die landes­recht­lichen Gegebenheiten weiter aufzuklären.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 13/09 des BSG vom 23.04.2009

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