21.11.2024
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Dokument-Nr. 17996

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Urteil03.04.2014BundessozialgerichtB 5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 3/14 R
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • AnwBl 2014, 854Zeitschrift: Anwaltsblatt (AnwBl), Jahrgang: 2014, Seite: 854
  • BRAK-Mitt 2014, 265Zeitschrift: BRAK-Mitteilungen (BRAK-Mitt), Jahrgang: 2014, Seite: 265
  • NJW 2014, 2743Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 2743
  • NZA 2014, 971Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA), Jahrgang: 2014, Seite: 971
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ergänzende Informationen

Bundessozialgericht Urteil03.04.2014

Abhängig beschäftigte "Syndikusanwälte" haben keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungs­pflicht in der gesetzlichen Renten­ver­si­cherungSyndikusanwälte sind über Zulassung zur Rechts­an­walt­schaft zudem Pflicht­mit­glieder der Rechts­an­walts­kammer als auch im jeweiligen berufs­s­tän­dischen Versorgungswerk

Das Bundes­so­zi­al­gericht hatte in drei Revisi­ons­ver­fahren über die Frage zu entscheiden, ob abhängig beschäftigte Rechtsanwälte (so genannte "Syndikusanwälte") gemäß § 6 Abs. 1 S 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungs­pflicht in der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung zu befreien sind.

Im zugrunde liegenden Verfahren hatte die beklagte DRV Bund die Befreiung in allen drei Verfahren mit der Begründung abgelehnt, dass die Klägerin und die Kläger in ihren jeweiligen Beschäftigungen keine anwaltliche Tätigkeit ausübten. Während das Landes­so­zi­al­gericht Nordrhein-Westfalen die Ansicht vertrat, dass die Tätigkeit in einem Arbeits­ver­hältnis mit einem nicht­an­walt­lichen Arbeitgeber generell keine befrei­ungs­fähige Rechts­an­walt­s­tä­tigkeit sei, hielt das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg die Ausübung des Rechts­an­walts­berufs in einem abhängigen Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis für zulässig und grundsätzlich befreiungsfähig. Dessen 11. Senat hielt einen Befrei­ungs­an­spruch indes schon dann für gegeben, wenn die jeweilige Beschäftigung weder die Versagung oder Rücknahme der Rechts­an­walts­zu­lassung noch ihren Widerruf rechtfertige (§ 7 Nr. 8, § 14 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 8 BRAO), wohingegen der 2. Senat des Landes­so­zi­al­ge­richts Baden-Württemberg meint, die jeweils zu beurteilende Tätigkeit müsse kumulativ die Merkmale der Rechtsberatung, -entscheidung, -gestaltung und -vermittlung erfüllen (so genannte "Vier-Kriterien-Theorie").

BSG verneint Befreiung von der Versi­che­rungs­pflicht in allen drei Fällen

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat in allen drei Verfahren ein Befreiungsrecht verneint. Die Klägerin und die Kläger sind jeweils abhängig beschäftigt und damit in der gesetzlichen Rentenversicherung pflicht­ver­sichert (§ 1 Abs. 1 S 1 Nr. 1 Halbs. 1 SGB VI). Gleichzeitig sind sie aufgrund der die Gerichte der Sozial­ge­richts­barkeit bindenden Verwaltungsakte über die Zulassung zur Rechts­an­walt­schaft sowohl in der jeweiligen Rechts­an­walts­kammer (§ 12 Abs. 3, § 60 Abs. 1 S 2 BRAO) als auch im jeweiligen berufs­s­tän­dischen Versorgungswerk Pflicht­mit­glieder. Sie sind jedoch nicht "wegen der" Beschäftigung Pflicht­mit­glieder der Rechts­an­walts­kammer und des Versor­gungswerks. Denn die Versi­che­rungs­pflicht in der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung und im berufs­s­tän­dischen Versorgungswerk muss wegen ein und derselben Beschäftigung bestehen; gerade die jeweils in Rede stehende Beschäftigung muss Versi­che­rungs­pflicht in beiden Siche­rungs­systemen auslösen.

Syndikus wird nur in freiberuflicher, versi­che­rungs­freier Tätigkeit außerhalb des Dienst­ver­hält­nisses als Rechtsanwalt tätig

Die Klägerin und die Kläger sind jedoch nicht als Rechtsanwälte bei ihren jeweiligen Arbeitgebern beschäftigt. Denn nach gefestigter verfas­sungs­recht­licher und berufs­recht­licher Rechtsprechung zum Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts nach der BRAO wird derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstel­lungs­ver­hältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht (Syndikus), in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig (vgl. BVerfG, Beschluss v. 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 u.a. - und BGH, Beschluss v. 07.11.2011 vom AnwZ (B) 20/10). Unabhängiges Organ der Rechtspflege und damit Rechtsanwalt ist der Syndikus nur in seiner freiberuflichen, versi­che­rungs­freien Tätigkeit außerhalb seines Dienst­ver­hält­nisses (so genannte Doppel- oder Zweiberufe-Theorie). Auf die von der Rechtspraxis entwickelte "Vier-Kriterien-Theorie" kommt es daher nicht an.

Für bereits von der Beitragspflicht befreite Syndikusanwälte besteht rechtlich geschütztes Vertrauen in Fortbestand der Entscheidung

Dagegen haben die Inhaber einer begünstigenden Befrei­ungs­ent­scheidung ein rechtlich geschütztes Vertrauen in den Fortbestand dieser Entscheidungen, das über den Schutz durch die §§ 44 ff. SGB X hinausgehen dürfte. Denn die Träger der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung haben die "Vier-Kriterien-Theorie" selbst mit befördert und angewandt. Schon weil damit bei der gebotenen typisierenden Betrachtung Lebens­ent­schei­dungen über die persönliche Vorsorge nachhaltig mit beeinflusst wurden, kann einer Änderung der Rechts­auf­fassung hinsichtlich ergangener Befrei­ungs­ent­schei­dungen grundsätzlich und in aller Regel keine Bedeutung zukommen.

Hinweise zur Rechtslage:

Rentenversicherung

Rentenversicherung (RVOrgG) vom 09.12.2004 (BGBl I 3242)'>

Erläuterungen

(1) Von der Versi­che­rungs­pflicht werden befreit

1. Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versi­che­rungs­ein­richtung oder Versor­gungs­ein­richtung ihrer Berufsgruppe (berufs­s­tän­dische Versor­gungs­ein­richtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufs­s­tän­dischen Kammer sind, wenn

a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufs­s­tän­dischen Kammer bestanden hat,

b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkom­mens­be­zogene Beiträge unter Berück­sich­tigung der Beitrags­be­mes­sungs­grenze zur berufs­s­tän­dischen Versor­gungs­ein­richtung zu zahlen sind und

c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwer­bs­fä­higkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufs­s­tän­dischen Versor­gungs­ein­richtung zu berücksichtigen ist.

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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