Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein ehemaliger Volkspolizist beantragte 1994 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Zuletzt war der Antragsteller als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Verkehrskombinat tätig. Der Rentenversicherungsträger lehnte die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente ab. Dagegen klagte der Antragsteller.
Sowohl das Sozialgericht Rostock als auch das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern wiesen die Klage ab. Der Kläger sei nämlich nicht berufsunfähig gewesen. Ihm sei ausgehend von seinen letzten Berufen als Volkspolizist und wissenschaftlicher Mitarbeiter, die als gleichwertig anzusehen seien, zumutbar gewesen als Verwaltungsmitarbeiter zu arbeiten. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Revision ein. Er meinte, das Berufungsgericht habe die zuletzt vorgenommenen Tätigkeiten nicht als gleichwertig ansehen dürfen. Vielmehr sei die Tätigkeit eines Polizeioffiziers sozial und qualitativ höher zu bewerten. Daher sei sie nicht vergleichbar mit der Tätigkeit als Verwaltungsmitarbeiter, so dass sie ihm nicht zuzumuten sei.
Das Bundessozialgericht führte zunächst aus, dass der Anspruch auf Rente gemäß § 42 Abs. 1 SGB VI in der Fassung bis zum 31. Dezember 2000 unter anderem eine Berufsunfähigkeit vorrausetzt. Eine solche liege vor, wenn der Versicherte aufgrund krankheits- oder gebrechensbedingter Einschränkung seiner körperlichen, seelischen oder geistigen Leistungsfähigkeit nicht mehr in der Lage ist, seine bislang auf einer bestimmten Qualifikationshöhe vorgenommene Berufstätigkeit vollwertig oder zumindest halbwertig nach zu gehen. Eine Berufsunfähigkeit liege dann nicht vor, wenn der Versicherte einen zumutbaren Vergleichsberuf (sog. Verweisungsberuf) ausüben könne.
Um ihm Rahmen der Zumutbarkeit eines Vergleichsberufs eine unterschiedliche Rechtsanwendung und damit Verletzung des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitssatz) zu vermeiden, hat das Bundessozialgericht ein Mehrstufenschema entwickelt. Die Stufen sind nicht nach Entlohnung oder Prestige angeordnet, sondern geben von unten nach oben ihre Leistungsqualität, gemessen an Dauer und Umfang der erforderlichen Ausbildung und beruflichen Erfahrung, an. Folgende Stufen gibt es:
- Stufe 1: Ungelernte Berufe
- Stufe 2: Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren
- Stufe 3: Berufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren
- Stufe 4: Berufe, die zusätzliche Qualifikationen oder Erfahrungen oder den erfolgreichen Besuch einer Fachschule voraussetzen
- Stufe 5: Berufe, die einen Abschluss einer Fachhochschule oder eine zumindest gleichwertige Berufsausbildung voraussetzen
- Stufe 6: Berufe, deren hohe Qualität regelmäßig auf einem Hochschulstudium oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht.
Eine Verweisung könne nur auf einen Beruf derselben Stufe oder der nächst niedrigeren erfolgen, so das Bundessozialgericht weiter. Dabei müsse das Überforderungsverbot (Einarbeitung innerhalb von drei Monaten) beachtet werden. Zudem sei die konkrete Benennung eines Berufs erforderlich, der an mindestens 300 Arbeitsplätzen im Bundesgebiet ausgeübt wird. Eine konkrete Benennung sei nur dann nicht notwendig, wenn der bisherige Beruf der ersten Stufe angehört oder wenn ein sogenannter einfacher Angelernter auf ungelernte Berufe verwiesen wird.
Darüber hinaus verwies das Gericht darauf, dass das Mehrstufenschema nicht schematisch angewandt werden dürfe. Vielmehr können auch die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt werden. Diese müssen dann aber in den Entscheidungsgründen hinreichend deutlich gemacht werden.
Da das Landessozialgericht nach Auffassung des Bundessozialgerichts keine ausreichenden Feststellungen zu der Vergleichbarkeit des Verweisungsberufs mit den bisher ausgeübten Tätigkeiten gemacht hat, hob es das Berufungsurteil auf und wies den Fall zur Neuentscheidung zurück.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.01.2014
Quelle: Bundessozialgericht, ra-online (vt/rb)