21.11.2024
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Bundessozialgericht Urteil23.05.2013

Stiefvater ist im Haushalt lebenden Kindern gegenüber unter­halts­pflichtigStiefkind hat bei ausreichendem Gehalt des Stiefvaters keinen Anspruch auf SGB II-Leistungen

Kinder haben dann keinen Anspruch auf Hartz IV-Leistungen, wenn der im Haushalt lebende Stiefvater über ausreichendes Einkommen verfügt. Dies entschied das Bundes­so­zi­al­gericht und begründete seine Entscheidung damit, dass der Gesetzgeber bei minderjährigen Stiefkindern wegen des rechtlichen Bandes zwischen dem Stiefkind und seinem leiblichen Elternteil sowie der Ehe zwischen dem leiblichen Elternteil und dem Stiefelternteil ein Einstehen in den Not-und Wechselfällen des Lebens annehmen darf.

Die 1994 geborene Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls lebte mit ihrer Mutter sowie deren Ehemann K.S. in der (noch) streitigen Zeit vom 1. bis 31. Juli 2007 in einem gemeinsamen Haushalt. Dieser erzielte im Juli ein Nettoeinkommen von 2.351,98 Euro. Am 12. Juli 2007 wurde ihm Einkom­mens­steuer in Höhe von 3.312,68 Euro erstattet. Die Mutter bezog Kindergeld in Höhe von 154 Euro und ein eigenes Nettoeinkommen von 303,28 Euro. K.S. überwies seinem nicht im gemeinsamen Haushalt wohnenden Sohn einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 200 Euro und zahlte der Klägerin Taschengeld in Höhe von 50 Euro. Die Kosten für Unterkunft und Heizung trug er allein. Der zur Zahlung von Unterhalt in Höhe von 337 Euro monatlich verpflichtete leibliche Vater der Klägerin war nicht leistungsfähig.

Kind ist angesichts des Einkommens ihres Stiefvaters nicht hilfebedürftig

Das beklagte Jobcenter lehnte den Antrag der Klägerin auf SGB II-Leistungen ab. Das Landes­so­zi­al­gericht hat ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin sei nicht hilfebedürftig. Angesichts des Einkommens von K.S. sei offenkundig, dass jedweder grund­si­che­rungs­rechtliche Leistungsbedarf nach dem SGB II ausgeschlossen sei. Der Gesetzgeber gehe bei "faktischen Stiefkindern" in zulässiger Weise davon aus, dass der Elternteil innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft, in der er gleich­be­rechtigt mit dem Partner "aus einem Topf" wirtschafte und mit ihm über die Ausgaben entscheide, die Belange des Kindes in erster Linie durch Gewährung von Natural­un­terhalt ausreichend schützen und so seiner Pflicht zur elterlichen Sorge nachkommen werde.

Tochter rügt mangelnde Normenklarheit zur Einräumung eines Existenzminimum sichernden Anspruchs gegen den Stiefvater

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, sie werde durch die Zusammenfassung mit ihrem Stiefvater in einer Bedarfs­ge­mein­schaft und durch die Anrech­nungs­vor­schrift in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Die erforderliche Normenklarheit sei nicht gegeben, weil § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II dem Kind keinen durchgreifenden, das Existenzminimum sichernden Anspruch gegen den Stiefvater einräume. Die Aufnahme in seinen Haushalt begründe keine konkludente vertragliche Vereinbarung zur Zahlung von Unterhalt. Widersprüchlich sei, dass der originär Unter­halts­ver­pflichtete sein Einkommen um berufsbedingte Aufwendungen u.ä. bereinigen könne und Unterhalt nur aus dem verbleibenden Einkommen unter Berück­sich­tigung eines deutlich höheren Selbstbehalts zu zahlen sei. Dagegen würden bei dem Stiefvater nur titulierte Unter­halts­ver­pflich­tungen berücksichtigt. Auch nach Neufassung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II könne die Vorschrift verfas­sungs­konform nur so ausgelegt werden, dass die unwiderlegbare Unter­stüt­zungs­ver­mutung erst bei einem, den (höheren) Freibetrag des § 9 Abs. 5 SGB II übersteigenden Einkommen einsetze.

Gesetzgeber darf bei minderjährigen Stiefkindern und Stiefelternteil ein Einstehen in den Not-und Wechselfällen des Lebens annehmen

Das Bundes­so­zi­al­gericht wies die Revision der Klägerin jedoch zurück. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass sie für den hier noch streitigen Monat Juli 2007 keine SGB II-Leistungen beanspruchen kann. Die Klägerin war nicht hilfebedürftig, weil nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II (idF ab 1.8.2006) davon auszugehen ist, dass sie den nach Anrechnung des Kindergeldes noch verbleibenden Bedarf aus dem Einkommen des Stiefvaters decken konnte. Insofern durfte der Gesetzgeber bei minderjährigen Stiefkindern wegen des rechtlichen Bandes zwischen dem Stiefkind und seinem leiblichen Elternteil sowie der Ehe zwischen dem leiblichen Elternteil und dem Stiefelternteil ein Einstehen in den Not-und Wechselfällen des Lebens annehmen. Die von der Klägerin gerügte mangelnde Normenklarheit liegt auch unter Berück­sich­tigung steuerlicher Regelungen nicht vor. Für die Annahme einer besonderen finanziellen Härte, die im Einzelfall durch die im SGB II ausnahmslos vorausgesetzte Unterstützung entstehen kann, liegen unter Berück­sich­tigung der Einkom­mens­ver­hältnisse des Stiefvaters und der im streitigen Monat erfolgten Steue­r­er­stattung keine Anhaltspunkte vor.

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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