In dem zu entscheidenden Fall lebte der zunächst noch minderjährige Kläger in einem gemeinsamen Haushalt mit seinem Stiefvater, seiner Mutter und seiner Halbschwester. Alle bezogen laufende Leistungen nach dem SGB II, die jeweils der Stiefvater des Klägers beantragt hatte. Da der Stiefvater angegeben hatte, dass der Kläger Schüler sei, berücksichtigte das Jobcenter nur das Kindergeld als Einkommen. Das Jobcenter erfuhr erst im Nachhinein durch einen Datenabgleich, dass er die Schule beendet hatte, und inzwischen als Teilnehmer an einer berufsfördernden Bildungsmaßnahme des Arbeitsamts eine monatliche Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) erhielt. Daraufhin berechnete es die Leistungen für die Vergangenheit neu und forderte den inzwischen volljährigen Kläger auf, die zu Unrecht erhaltenen Leistungen (rund 500 Euro) zu erstatten.
Das Bundessozialgericht wendet die Regelung des § 1629 a Bürgerliches Gesetzbuch entsprechend für Ansprüche auf Erstattung von SGB II-Leistungen an, die an einen Minderjährigen erbracht wurden. Entscheidend ist, dass die Forderung während der Minderjährigkeit erbrachte Leistungen betrifft und durch eine pflichtwidrige Handlung des gesetzlichen Vertreters begründet wurde. Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Mutter des Klägers hat es trotz entsprechender Information durch den Kläger versäumt, das Jobcenter über die Zahlung der Berufsausbildungsbeihilfe zu informieren. Hierzu wäre sie als seine gesetzliche Vertreterin jedoch verpflichtet gewesen. Hätte sie das Jobcenter informiert, hätte dieses die Leistungen umgehend anpassen können, so dass es nicht zu einer Überzahlung gekommen wäre. Unerheblich ist es, dass das Jobcenter den Erstattungsbescheid erst nach dem Eintritt der Volljährigkeit des Klägers erließ. Andernfalls könnte es allein durch Abwarten erreichen, dass ein junger Volljähriger die von ihm während seiner Minderjährigkeit bezogenen Leistungen entgegen § 1629 a Bürgerliches Gesetzbuch erstatten müsste. Die entsprechende Anwendung des § 1629 a Bürgerliches Gesetzbuch begünstigt auch keine unberechtigte Inanspruchnahme von Sozialleistungen, weil das Jobcenter den handelnden Vertreter zumindest seit dem 1. April 2011 über § 34 a SGB II nF auf Erstattung in Anspruch nehmen kann.
(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder [...]
(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.
(1) Die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht oder sonstige vertretungsberechtigte Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft oder eine sonstige Handlung mit Wirkung für das Kind begründet haben, oder die auf Grund eines während der Minderjährigkeit erfolgten Erwerbs von Todes wegen entstanden sind, beschränkt sich auf den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes; [...]
(1) Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet. Der Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung. Von der Geltendmachung des Ersatzanspruchs ist abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 25.11.2014
Quelle: Bundessozialgericht/ra-online