23.11.2024
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Bundessozialgericht Urteil18.02.2016

Bezüge aus ehrenamtlicher kommu­na­l­po­li­tischer Tätigkeit führen nicht zum Ausschluss aus Künstler­sozial­versicherungAusübung des Mandats als Ratsmitglied dient nicht dem "Broterwerb"

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass die Künst­ler­so­zi­a­lkasse die Mitgliedschaft einer selbstständigen Journalistin nicht wegen Bezügen aus einer ehrenamtlichen kommu­na­l­po­li­tischen Tätigkeit beenden darf. Nach Auffassung des Bundes­sozialgerichts wird das kommu­na­l­po­li­tische Mandat als Ratsmitglied rein ehrenamtlich und damit nicht "erwerbsmäßig" ausübt und berührt daher nicht den Status der selbstständige Publizistin als Versicherte der Künstler­sozial­versicherung.

Die Klägerin ist als selbstständige Journalistin und Lektorin seit Jahren in der Künst­ler­so­zi­a­l­ver­si­cherung kranken- und pflege­ver­sichert. Als Mitglied des Rates einer nordrhein-westfälischen Großstadt und Vorsitzende einer Fraktion erhält sie Sitzungsgelder, Aufwand­s­ent­schä­di­gungen und Ersatz von Verdien­st­ausfall. Die Summe dieser Bezüge überschreitet die Gering­fü­gig­keits­grenze deutlich; die Zahlungen sind - unter Berück­sich­tigung von Freibeträgen - als Einnahmen aus "sonstiger selbstständiger Tätigkeit" einkom­men­steu­er­pflichtig.

Künst­ler­so­zi­a­lkasse setzt Ende der Mitgliedschaft der Klägerin fest

Die beklagte Künstlersozialkasse stellte nach Bekanntwerden dieser Zahlungen das Ende der Mitgliedschaft der Klägerin in der Künst­ler­so­zi­a­l­ver­si­cherung (Kranken- und Pflege­ver­si­cherung) zum 30. Juni 2010 fest; die steuer­rechtliche Einordnung der Zahlungen führe zwingend zu der Annahme, es handele sich um Einkünfte aus einer erwerbsmäßig ausgeübten selbstständigen Tätigkeit im Sinne von § 5 Absatz 1 Nummer 5 des Künst­ler­so­zi­a­l­ver­si­che­rungs­ge­setzes (KSVG). In den Vorinstanzen war die Klage erfolglos.

Ehrenamt als Ratsmitglied liegt Grundsatz der Unent­gelt­lichkeit zugrunde

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat in die Urteile der Vorinstanzen geändert und den angefochtenen Bescheid aufgehoben, sodass die Klägerin auch über den 30. Juni 2010 hinaus in der Künst­ler­so­zi­a­l­ver­si­cherung versichert ist. Die Sitzungsgelder, Aufwand­s­ent­schä­di­gungen und der Ersatz des Verdien­st­ausfalls als selbstständige Publizistin berühren den Status der Klägerin als Versicherte der Künst­ler­so­zi­a­l­ver­si­cherung nicht, weil sie das kommu­na­l­po­li­tische Mandat als Ratsmitglied rein ehrenamtlich und damit nicht "erwerbsmäßig" im Sinne des § 5 Absatz 1 Nummer 5 Künstlersozialversicherungsgesetz ausübt. Das Ende der Versi­che­rungs­pflicht in der Kranken- und Pflege­ver­si­cherung nach dem Künst­ler­so­zi­a­l­ver­si­che­rungs­gesetz soll nur dann eintreten, wenn die andere selbstständige Tätigkeit von ihrem Zweck her (also nicht als bloßer Nebenzweck) auf den "Broterwerb" gerichtet ist. Dem Ehrenamt als Ratsmitglied liegt der Grundsatz der Unent­gelt­lichkeit zugrunde; das Ratsmitglied soll die bisherige Berufstätigkeit fortführen und den damit verbundenen sozia­l­ver­si­che­rungs­recht­lichen Status nicht verlieren. Deshalb darf die Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Künst­ler­so­zi­a­l­ver­si­che­rungs­ge­setzes nicht so erfolgen, dass eine zentrale wirtschaftliche Basis für selbstständige Publizisten, nämlich die Absicherung des Krankheits- und Pflegerisikos in der Künst­ler­so­zi­a­l­ver­si­cherung, durch die Übernahme eines Ehrenamts in der Kommunalpolitik in Frage gestellt wird.

Hinweise zur Rechtslage:

Gesetz über die Sozia­l­ver­si­cherung der selbständigen Künstler und Publizisten (Künst­ler­so­zi­a­l­ver­si­che­rungs­gesetz - KSVG)

§ 1 KSVG

Selbständige Künstler und Publizisten werden in der allgemeinen Renten­ver­si­cherung, in der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung und in der sozialen Pflege­ver­si­cherung versichert, wenn sie

1. die künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben und

2. im Zusammenhang mit der künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit nicht mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigen, es sei denn, die Beschäftigung erfolgt zur Berufs­aus­bildung oder ist geringfügig im Sinne des § 8 des Vierten Buches Sozial­ge­setzbuch.

§ 2 KSVG

Künstler im Sinne dieses Gesetzes ist, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Publizist im Sinne dieses Gesetzes ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in ähnlicher Weise publizistisch tätig ist oder Publizistik lehrt.

§ 5 KSVG

(1) In der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung ist nach diesem Gesetz versi­che­rungsfrei, wer

[...]

5. eine nicht unter § 2 fallende selbständige Tätigkeit erwerbsmäßig ausübt, es sei denn, diese ist geringfügig im Sinne des § 8 des Vierten Buches Sozial­ge­setzbuch, [...]

(2) In der sozialen Pflege­ver­si­cherung ist nach diesem Gesetz versi­che­rungsfrei, wer

1. nach Absatz 1 versi­che­rungsfrei ist oder

2. nach § 6 oder § 7 von der Kranken­ver­si­che­rungs­pflicht befreit worden ist.

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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