Dokument-Nr. 12013
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- Modedesignerin ist als Künstlerin im Sinne der Künstlersozialversicherung anzusehenLandessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil27.01.2011, L 1 R 226/07
- Bundessozialgericht: Die Juroren bei Deutschland sucht den Superstar (DSDS) sind Unterhaltungskünstler im Sinne des KünstlersozialversicherungsgesetzesBundessozialgericht, Urteil01.10.2009, B 3 KS 4/08 R
- Keine Versicherungspflicht eines Tätowierers nach dem KünstlersozialversicherungsgesetzBundessozialgericht, Urteil28.02.2007, B 3 KS 2/07 R
Bundessozialgericht Urteil22.07.2011
Werbefinanzierter Online-Journalismus: Für Autor besteht Versicherungspflicht nach dem KünstlersozialversicherungsgesetzWerbeeinnahmen stehen in mittelbaren Zusammenhang zu journalistischer Arbeit und sind als Einnahmen aus publizistischer Tätigkeit zu werten
Für Online-Journalisten, die Ihre Tätigkeit überwiegend durch den Verkauf von Werbeflächen auf einer eigenen Website und in geringem Umfang über Honorare aus der Veräußerung verfasster Beiträge an andere Website-Betreiber finanziert, besteht eine Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Dies entschied das Bundessozialgericht.
Der Kläger des zugrunde liegenden Falls begehrt von der beklagten Künstlersozialkasse die Feststellung seiner Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Er betreibt seit 1996 einen Fachinformationsdienst zum Thema "Internet", indem er von ihm zu diesem Thema verfasste aktuelle Beiträge auf einer eigenen Website kostenlos zur Verfügung stellt. Einnahmen erzielt er überwiegend durch den Verkauf von Werbeflächen auf dieser Website. In geringem Umfang bezieht der Kläger darüber hinaus Honorare aus der Veräußerung von ihm verfasster Beiträge an andere Website-Betreiber, die jährlich den Betrag von 3.900 Euro aber nicht übersteigen. Die Beklagte lehnte die vom Kläger begehrte Feststellung ab. Die hiergegen gerichtete Klage war in den Vorinstanzen erfolglos.
BSG bejaht Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz
Das Bundessozialgericht gab der Revision des Klägers stattgegeben, die vorinstanzlichen Urteile geändert und die Versicherungspflicht des Klägers nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz festgestellt.
Auch Einnahmen aus Verkauf von Werbeflächen auf Website finden bei Künstlersozialversicherungspflicht Berücksichtigung
Der Kläger übt eine selbständige publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig, d.h. mit der Absicht aus, ein über der Geringfügigkeitsgrenze des § 3 Künstlersozialversicherungsgesetz liegendes Einkommen zur Finanzierung seines Lebensunterhalts zu erzielen und unterliegt daher der Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz. Zu den im Rahmen von § 1 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 3 Abs. 1 Satz 1 Künstlersozialversicherungsgesetz berücksichtigungsfähigen Einnahmen "aus" einer publizistischen Tätigkeit zählen nicht nur die im unmittelbaren Zusammenhang mit der publizistischen Tätigkeit, d.h. "für" diese Tätigkeit, erzielten Einkünfte aus der Veräußerung von Beiträgen an andere Website-Betreiber, sondern auch die in einem mittelbaren Zusammenhang mit der publizistischen Tätigkeit stehenden Einnahmen aus dem Verkauf von Werbeflächen auf der eigenen Website.
Zwischen Werbeinnahmen und primärer publizistischer Arbeit besteht untrennbarer wirtschaftlicher und inhaltlicher Zusammenhang
Analog zu dem in § 14 SGB IV definierten Begriff des Arbeitsentgelts, der alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung erfasst, unabhängig davon, ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden, ist auch der Begriff des Arbeitseinkommens (§ 15 SGB IV) "aus einer selbständigen künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit" auszulegen. Zwischen den vom Kläger aus dem Verkauf von Werbeflächen erzielten Einnahmen und seiner primären publizistischen Arbeit besteht ein untrennbarer wirtschaftlicher und inhaltlicher Zusammenhang, aufgrund dessen die "Werbeeinnahmen" dem von einem Verlag oder einer Redaktion für eine publizistische Leistung gezahlten Honorar vergleichbar und somit als Einnahmen "aus" publizistischer Tätigkeit zu werten sind. Wirtschaftlich ist die Refinanzierung einer über das Trägermedium "Internet" ausgeübten journalistischen Tätigkeit durch Werbeeinnahmen wegen der dort vorherrschenden kostenfreien Verfügbarkeit von Informationen ("Gratiskultur") eine notwendige Bedingung für die Ausübung dieser Tätigkeit. Inhaltlich ist der Erfolg der Werbung abhängig von der Websitefrequentierung, die wiederum durch die dort veröffentlichen Inhalte beeinflusst wird. Die in den Steuerbescheiden vorgenommene Einstufung der Einnahmen aus dem Verkauf der Werbeflächen als Einnahmen aus Gewerbebetrieb trifft nicht zu und ist aufgrund der abweichenden Zweckbestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes nicht bindend.
Vorliegend handelt es sich um besonderen Fall der Selbstvermarktung
Der Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz steht vorliegend auch nicht entgegen, dass bei dem vom Kläger gewählten Finanzierungsmodell ein zur Zahlung der Künstlersozialabgabe verpflichteter Verwerter fehlt, weil es sich um einen besonderen Fall der Selbstvermarktung handelt, bei der die fehlende Abgabepflicht über den Bundeszuschuss nach § 34 Künstlersozialversicherungsgesetz auszugleichen ist.
Hinweise zur Rechtslage:
§ 1 KSVG
Selbständige Künstler und Publizisten werden in der Rentenversicherung der Angestellten, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie
1. die künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben und
2. im Zusammenhang mit der künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit nicht mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigen, es sei denn, die Beschäftigung erfolgt zur Berufsausbildung oder ist geringfügig im Sinne des § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch.
§ 3 Abs. 1 Satz 1 KSVG
Versicherungsfrei nach diesem Gesetz ist, wer in dem Kalenderjahr aus selbständiger künstlerischer und publizistischer Tätigkeit voraussichtlich ein Arbeitseinkommen erzielt, das 3.900 Euro nicht übersteigt.
§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV
Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.
§ 15 Abs. 1 SGB IV
Arbeitseinkommen ist der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommenssteuerrecht zu bewerten ist.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 22.07.2011
Quelle: Bundessozialgericht/ra-online
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