21.11.2024
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Bundessozialgericht Urteil16.07.2014

Krankenkasse muss Kosten für Versorgung eines pflege­be­dürftigen Rollstuhl­fahrers mit einer Treppen­steighilfe übernehmenTreppen­steighilfe ermöglicht selbst­stän­digere Lebensführung des Pflege­be­dürftigen

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass für die Versorgung eines pflege­be­dürftigen Rollstuhl­fahrers mit einer Treppen­steighilfe die Krankenkasse zuständig ist.

Treppen sind für Rollstuhlfahrer oft ein unüber­wind­liches Hindernis. Deshalb besteht vielfach der Wunsch nach Ausstattung mit einer mobilen elektrisch betriebenen Treppen­steighilfe, um mit Unterstützung einer Pflegeperson im Rollstuhl sitzend Treppen überwinden zu können.

Krankenkasse verweigert Kostenübernahme für allein auf die besondere Wohnsituation zurück­zu­führende Hilfsmittel

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens ist 81 Jahre alt, nahezu erblindet, beidseitig beinamputiert und deshalb pflegebedürftig (Pflegestufe III). Die beklagte Krankenkasse hat ihn mit einem mechanischen Rollstuhl versorgt, mit dem er aber seine in der ersten Etage eines Mehrfa­mi­li­en­hauses gelegene Mietwohnung nicht verlassen kann, weil in dem Haus kein Aufzug vorhanden ist. Die Beklagte hat den Leistungsantrag abgelehnt, weil die Krankenkassen nicht für Hilfsmittel aufzukommen hätten, die ein Versicherter nur wegen seiner besonderen Wohnsituation benötige. Dazu zählten auch die Treppen­steig­hilfen, weil sie bei ebenerdig gelegenen Wohnungen und bei Häusern mit Aufzügen oder Treppenliften entbehrlich seien.

In den Vorinstanzen war die Klage erfolgreich.

BSG bejaht Anspruch auf Versorgung mit elektronisch betriebener mobiler Treppen­steighilfe

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Dem Kläger steht der Anspruch auf Versorgung mit der elektronisch betriebenen mobilen Treppen­steighilfe zu. Der Anspruch ergibt sich allerdings nicht aus § 33 SGB V, weil Mobili­täts­hilfen zum mittelbaren Behin­de­rungs­aus­gleich grundsätzlich nur dann in den Zustän­dig­keits­bereich der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung fallen, wenn sie nicht allein wegen der konkreten Wohnsituation des Versicherten, sondern praktisch in jeder Art von Wohnung benötigt werden. In ebenerdig gelegenen Wohnungen oder Häusern mit Aufzügen oder Treppenhilfen wird eine Treppen­steighilfe aber nicht benötigt.

Für das grundsätzlich in die Zuständigkeit der Pflegekasse fallende Hilfsmittel ist ausnahmsweise Krankenkasse leistungs­pflichtig

Der Anspruch ergibt sich jedoch aus § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB XI. Für pflege­be­dürftige Versicherte, die dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen sind, stellt eine Treppen­steighilfe ein Pflege­hilfs­mittel dar, weil mit ihrer Hilfe eine selbst­stän­digere Lebensführung des Pflege­be­dürftigen ermöglicht wird; denn um von der Wohnung nach draußen zu kommen oder von dort zurückzukehren, ist nur noch die Unterstützung durch eine Pflegeperson und nicht mehr, wie bisher, durch zwei Kräfte nötig. Die Pflege­ver­si­cherung stellt im Gegensatz zur Kranken­ver­si­cherung auf einen Hilfebedarf im konkreten, individuellen Wohnumfeld ab. Für dieses grundsätzlich in die Zuständigkeit der Pflegekasse fallende Hilfsmittel ist hier ausnahmsweise die Krankenkasse leistungs­pflichtig, weil nach § 40 Abs. 5 Satz 1 SGB XI derjenige Leistungsträger über die Bewilligung von Hilfsmitteln mit doppelter Funktion, nämlich Behin­de­rungs­aus­gleich einerseits und Pflege­er­leich­terung bzw. die Ermöglichung einer selbst­stän­digeren Lebensführung andererseits, zu entscheiden hat, bei dem der Leistungsantrag gestellt worden ist. Das war hier die Krankenkasse.

Hinweise zur Rechtslage

§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körpe­rer­satz­stücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Kranken­be­handlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchs­ge­gen­stände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind.

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§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB XI

(1) Pflege­be­dürftige haben Anspruch auf Versorgung mit Pflege­hilfs­mitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflege­be­dürftigen beitragen oder ihm eine selbständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Kranken­ver­si­cherung oder anderen zuständigen Leistungs­trägern zu leisten sind.

[...]

§ 40 Abs. 5 Satz 1 SGB XI

(5) Für Hilfsmittel und Pflege­hilfs­mittel, die sowohl den in § 23 und § 33 des Fünften Buches als auch den in Absatz 1 genannten Zwecken dienen können, prüft der Leistungsträger, bei dem die Leistung beantragt wird, ob ein Anspruch gegenüber der Krankenkasse oder der Pflegekasse besteht und entscheidet über die Bewilligung der Hilfsmittel und Pflege­hilfs­mittel.

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Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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