18.10.2024
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Dokument-Nr. 9810

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Bundessozialgericht Urteil17.06.2010

Hartz IV: Unter­halts­kosten für Wohnmobil können Kosten der Unterkunft seinTatsächlicher Wohnbedarf kann im Einzelfall auch durch Nutzung eines Wohnmobils gedeckt werden

Ein Bezieher von Arbeits­lo­sengeld II, der nicht über eine Wohnung verfügt und stattdessen in einem Wohnmobil lebt, kann Unter­halts­kosten für das Wohnmobil in dem für Wohnzwecke notwendigen Umfang als Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 SGB II beanspruchen. Dies entschied das Bundes­so­zi­al­gericht.

Der im Jahre 1955 geborene Kläger begehrt von der beklagten ARGE Unter­hal­tungs­kosten für ein Wohnmobil als Kosten der Unterkunft (KdU). Er ist seit 1. Februar 2005 arbeitslos. In den Jahren 2005 und 2006 lebte er in seinem 20 Jahre alten Wohnmobil. Der beklagte Grund­si­che­rungs­träger bewilligte ihm zunächst lediglich die monatliche Regelleistung in Höhe von (damals) 345,- Euro monatlich. Auf seinen Widerspruch hin anerkannte die Beklagte einen Bedarf für Heizkosten in dem Wohnmobil und bewilligte für sieben Monate 371,- Euro für die Propan­gas­heizung. Der weitergehende Antrag des Klägers, auch die monatlich anfallenden Kosten für die Kfz-Steuer (15,- Euro), Kfz-Versicherung (20,- Euro), Diesel­kraftstoff (100,- Euro) und für Pflege (20,- Euro) und Wartung (50,- Euro) des Wohnmobils zu bewilligen, blieb ohne Erfolg.

LSG: Kosten für Wohnmobil bereits von Regelleistung umfasst

Das Landes­so­zi­al­gericht Rheinland-Pfalz hat zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung ausgeführt, ein Wohnmobil könne zwar grundsätzlich eine Unterkunft iS des § 22 SGB II darstellen. Allerdings seien nur die Kosten zu erstatten, die unmittelbar mit dem Zweck des "Wohnens" in einem Zusammenhang stünden. Dies seien hier die Heizkosten gewesen, die auch in angemessener Höhe bewilligt worden seien. Die Kosten, die in einem Zusammenhang mit der Nutzung des Wohnmobils als Fahrzeug entstünden, seien jedoch bereits von der Regelleistung umfasst und könnten nicht als Kosten der Unterkunft geltend gemacht werden. Einen konkreten Wartungsbedarf bzw Reparaturkosten habe der Kläger im Übrigen auch nicht dargelegt.

Kläger hält Schlech­ter­stellung gegenüber Haus- oder Wohnungs­ei­gentümer für ungerecht­fertigt

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er macht geltend, er dürfe nicht schlechter gestellt werden als ein Hauseigentümer bzw als ein Eigentümer einer Eigen­tums­wohnung. Diesen stünde nach der Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts etwa ein Anspruch auf Erstattung von Schuldzinsen, der Beiträge zur Wohnge­bäu­de­ver­si­cherung, der Grundsteuer und von Wasser- und Abwas­ser­ge­bühren zu. Deshalb müssten die entsprechenden "Nebenkosten" seines Wohnmobils bis zur Höhe einer angemessenen Vergleichsmiete ebenfalls als Kosten der Unterkunft übernommen werden.

Eigentliche Unzulässigkeit der dauerhaften Nutzung eines Wohnmobils im öffentlichen Straßenraum nicht maßgeblich

Die Revision des Klägers war teilweise erfolgreich. Ein Wohnmobil stelle eine "Unterkunft" dar, deren Kosten der Grund­si­che­rungs­träger dem Grunde nach zu übernehmen habe, soweit sie angemessen seien, führten die Richter des Bundes­so­zi­al­ge­richts aus. Für den Anspruch auf Übernahme der Kosten ist nicht maßgeblich, dass die dauerhafte Nutzung eines Wohnmobils oder Wohnwagens im öffentlichen Straßenraum ordnungs­rechtlich als Sondernutzung wohl unzulässig wäre. Das SGB II stellt insofern auf den tatsächlichen Wohnbedarf ab, der im Einzelfall auch durch die Nutzung eines Wohnmobils gedeckt werden kann. Dies gilt bei einer Sondernutzung jedenfalls so lange, wie sie von der Ordnungsbehörde nicht untersagt wird.

Kosten für Pflege, Wartung, Kraftstoff und Reparaturen müssen nicht vom Gunde­si­che­rungs­träger übernommen werden

Von den vom Kläger im Einzelnen geltend gemachten Kosten sind von dem beklagten Grund­si­che­rungs­träger aber nur diejenigen zu übernehmen, die für die konkret durchgeführte Nutzung des Wohnmobils für Wohnzwecke notwendig sind. Hierzu zählen auch die Kraft­fahr­zeug­steuern und die Beiträge für die Kraft­fahr­zeug­haft­pflicht­ver­si­cherung, nicht aber Pauschalen für Pflege und Wartung eines Wohnmobils und die Kosten für Diesel­kraftstoff. Reparaturkosten oder andere Kosten zur Erhaltung seines Wohnmobils hätte der Kläger nur dann geltend machen können, wenn diese im streitigen Zeitraum konkret angefallen und belegt worden wären. Kosten für Kraftstoff sind für die Funktion des Wohnmobils als Unterkunft nicht erforderlich und müssen vom Kläger gegebenenfalls aus der Regelleistung bestritten werden.

Quelle: ra-online, Bundessozialgericht

der Leitsatz

§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II:

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.

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